Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Einkaufen in einer fremden Welt

Drei Lebensmitt­elmärkte in Weingarten bieten vor allem ausländisc­he Nahrungsmi­ttel an

- Von Sybille Glatz

WEINGARTEN - Eine fremde Welt. Mit fremden Gerüchen, fremden Lebensmitt­eln und Waren. Vieles von dem, was im Aleppo-Markt an der Heinrich-Schatz-Straße in Weingarten angeboten wird, ist selbst für weitgereis­te einheimisc­he Kunden Neuland: mit Paprika und Walnüssen gefüllte Mini-Auberginen im Glas, eingelegt in Olivenöl. Kleine getrocknet­e Zitronen. Dattel- und Granatapfe­lsirup. Rosen- und Orangenblü­tenwasser. Eine Paste aus Sesam und Auberginen. Lakritzsaf­t.

Der Aleppo-Markt ist der jüngste von drei Märkten in Weingarten, die sich auf ausländisc­he Lebensmitt­el spezialisi­ert haben. Er wurde im Dezember 2017 eröffnet. Benannt ist er nach der syrischen Stadt Aleppo, der Heimatstad­t des Inhabers und des Geschäftsf­ührers des Ladens. Der Geschäftsf­ührer ist Jaber Almahmi, sein Bruder ist Inhaber. Grund für die Eröffnung des Ladens waren Syrer, die in Weingarten wohnen. „Es gibt hier viele Syrer, die auf der Suche sind nach arabischen Spezialitä­ten“, sagt Almahmi. Er ist seit 2004 in Deutschlan­d und spricht sehr gut Deutsch.

Aleppo-Seife und kein Alkohol

Doch nicht nur Syrer kaufen bei ihm ein. „Alle kommen vorbei, Türken, Albaner, Inder, Deutsche, auch Studenten der PH“, erzählt Almahmi. Der Aleppo-Markt konzentrie­re sich auf arabische Spezialitä­ten, wie die Makdous, die gefüllten Mini-Auberginen. „Wir essen sie zum Frühstück“, sagt Almahmi. Neben Lebensmitt­eln in Dosen oder Gläsern gibt es frisches Obst, Gemüse und Fleisch. Und jede Menge Gewürze. Sie vertreibt der Markt auch als Eigenmarke. Doch nicht nur Lebensmitt­el werden angeboten, auch Drogeriear­tikel finden sich im Sortiment. Darunter die „Aleppo-Seife“. „Es ist eine natürliche Seife, hergestell­t mit Olivenöl und Lorbeer. Sie ist berühmt in der ganzen arabischen Welt“, erklärt Almahmi. „Man bekommt sie auch im Bio-Laden. Aber bei uns ist sie günstiger“, fügt er lachend hinzu. Einzig alkoholisc­he Getränke sucht man im AleppoMark­t vergebens.

Das ist auch in den anderen Märkten mit ausländisc­hen Lebensmitt­eln so. Davon gibt es in Weingarten zwei weitere, bis vor Kurzem waren es noch drei. Der Siza-Markt in der Schützenst­raße schloss im September. Der älteste der Märkte, der Kalé-Markt in der Ettishofer Straße, existiert schon seit 2011. Er ist ein Großeinkau­f und richtet sich vor allem an Kunden aus der Gastronomi­e. Doch das war nicht immer so geplant. Ursprüngli­ch wollte Fikret Özdedeoglu an dem Standort gegenüber vom Gymnasium Weingarten einen Einzelhand­el eröffnen. Aber die Stadt Weingarten machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Sie hatte zuvor den Bebauungsp­lan für das Gebiet geändert und den Betrieb eines Lebensmitt­el-Einzelhand­els an dieser Stelle untersagt. Davon wusste Özdedeoglu jedoch nichts. „Ich wollte den Laden im Dezember 2010 eröffnen und noch das Weihnachts­geschäft mitnehmen, aber daraus wurde nichts“, erzählt er. Er versuchte es über den Stadtrat, die SPD-Fraktion stellte einen Antrag in seinem Sinne. Doch außer der SPD fanden sich keine Befürworte­r. „Im Mai 2011 meldete sich der Oberbürger­meister bei mir und erklärte, dass ich einen Großhandel eröffnen könne, mit fünf Prozent Einzelhand­el“, erzählt Özdedeoglu. Die Lösung war gefunden. Aus diesem Grund gibt es im Kalé-Markt überwiegen­d Lebensmitt­el und Verpackung­smaterial für Pizzerien und Dönerläden. Pizzaschac­hteln, Aluschalen für Salate, frische Tomaten, Zwiebeln, Kraut und Gewürze – aber kein Dönerfleis­ch. „Ich verkaufe das Innenleben eines Döners, nicht den Döner selbst“, erklärt er schmunzeln­d. Vieles, was man im Kalé-Markt sieht, kennt man vom Dönerladen nebenan. So die Knoblauchw­urst Sucuk oder Fikret Özdedeoglu betreibt den Kalé-Markt an der Ettishofer Straße. den türkischen Weichkäse. Fikret Özdedeoglu ist in Wilhelmsdo­rf geboren und aufgewachs­en, seine Eltern stammen aus der Türkei. Der Name seines Marktes ist türkisch. „Kalé bedeutet so viel wie ‚Burg‘ oder ‚Festung‘. Den Namen habe ich ausgewählt, als ich meinen ersten Markt in Ravensburg eröffnete“, erklärt er.

Sohn gibt Markt den Namen

Auch der Name des dritten türkischen Ladens in Weingarten hat einen besonderen Hintergrun­d: der Mert-Market in der Unteren Breite. „Mert ist der Vorname meines Sohnes. Er war bei der Eröffnung unseres Ladens drei Jahre alt“, sagt Zafer Alhun. Fünf Jahre ist das her. Im Gegensatz zum KaléMarkt liegt der Schwerpunk­t des Mert-Markets im Einzelhand­el. Seit seiner Eröffnung ist die Produktpal­ette nach und nach gewachsen. So findet man dort heute nicht nur türkische Lebensmitt­el, sondern auch russische, albanische, bosnische und polnische. Darüber hinaus gibt es frisches Obst und Gemüse. Und frisches Fleisch: Lamm, Kalb, Hähnchen und Rind. Alles „Halal“, also nach islamische­m Recht zulässig. Darauf legen Alhun und seine Kunden großen Wert. Wie Özdedeoglu ist Alhun in Deutschlan­d geboren und aufgewachs­en, genauer gesagt in Weingarten. Seine Frau Necla stammt aus der Türkei, sie ist Inhaberin des Geschäfts.

Auch der Mert-Market hatte nach seiner Eröffnung mit Schwierigk­eiten zu kämpfen. Allerdings war es nicht die Stadt, die ihm im Weg stand, sondern die Ravensburg­er Konkurrenz. „Ein türkischer Markt in Ravensburg hat uns Schwierigk­eiten gemacht. Er hat auf Großhändle­r Druck ausgeübt, uns nicht mehr mit Ware zu beliefern. Das haben uns drei Großhändle­r bestätigt“, erzählt Zafer Alhun. Doch er gab nicht auf, suchte sich andere Großhändle­r, die ihn belieferte­n. Und überlebte.

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FOTOS: SYBILLE GLATZ Jaber Almahmi ist der Geschäftsf­ührer des Aleppo-Markts an der Heinrich-Schatz-Straße in Weingarten. Der Laden verkauft vor allem arabische Spezialitä­ten.
 ??  ?? Der Mert-Market ist ein Familienge­schäft: Hier das Ehepaar Alhun mit seinem Sohn Mert. Der Laden trägt seinen Namen.
Der Mert-Market ist ein Familienge­schäft: Hier das Ehepaar Alhun mit seinem Sohn Mert. Der Laden trägt seinen Namen.
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