Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Brutaler Raubüberfall: Prozess startet neu
35-Jähriger soll an Überfall auf Ehepaar in Tettnang beteiligt gewesen sein
RAVENSBURG/TETTNANG (sig) - Er war zwar nicht am Tatort, eine Telefonüberwachung der Polizei deckte allerdings Verstrickungen und Planbeteiligungen mit den Räubern vom 9. März 2017 auf, die damals ein Tettnanger Ehepaar überfielen, es verletzten und über 30 000 Euro erbeuteten. In einem ersten Urteil war der 35-Jährige zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hatte das Urteil jedoch aufgehoben. Die Verteidigung war wegen Verfahrensfehlern in Revision gegangen und hatte recht bekommen. Gestern ist der Prozess neu aufgerollt worden.
Während seine beiden Komplizen bereits jahrelange Gefängnisstrafen angetreten haben, wurde der 35-Jährige gestern aus der Untersuchungshaft in Konstanz der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts Ravensburg vorgeführt. Der Vorwurf unter anderem: Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Ihm droht eine Haftstrafe um die neun Jahre.
Schneller als erwartet ging der auf mehrere Tage anberaumte Prozess über die Bühne. Der Verteidiger des 35-jährigen Drogenabhängigen und -dealers suchte gestern mit der Staatsanwaltschaft das Verständigungsgespräch mit dem Ziel, das Verfahren abzukürzen. Dabei ging es für den Fall eines Geständnisses – der Angeklagte wollte sich zur Tat zunächst noch nicht äußern – um die Höhe einer Gefängnisstrafe und eine mögliche Therapie gegen seine Drogensucht. Dabei klafften die Vorstellungen der Anklagevertreterin (zwischen acht Jahren und drei Monaten und neun Jahren und drei Monaten), zu denen der Verteidigung (sechs Jahre) noch weit auseinander.
Drogendeal geht schief
Wie in der SZ berichtete, waren mehrere Täter am Überfall in 2017 beteiligt. Sie wussten von dem Ehepaar, dass es jeden Mittwoch in einen Häfler Stadtteil zum Essen fuhr, hatten zur Rückkehrzeit Komplizen platziert. Als das Ehepaar gegen 21.30 Uhr zu Hause in Tettnang ankam, rissen zwei Maskierte die Autotüren auf, bedrohten mit einer Gaspistole und einem Messer die Beiden und verlangten Geld. Dabei erbeuteten sie insgesamt über 30 000 Euro. Der 35-Jährige war zwar nicht am Tatort aktiv, stand jedoch in telefonischem Kontakt mit den Tätern, war in die Vorbereitungen zum Überfall involviert und mit von der Partie, als die Absprachen liefen. Vorgeworfen wurde ihm gestern zusätzlich, wenige Wochen nach dem Überfall zusammen mit einem Mittäter 100 Gramm Kokain gewinnbringend in die Schweiz verkauft zu haben. Außerdem soll er im Mai 2016 ein Kilo Kokain beschafft haben, um hiervon zumindest 500 Gramm an den Abnehmer in der Schweiz zu liefern. Wegen schlechter Qualität zahlte der Abnehmer wesentlich weniger als geplant. Lediglich Kokain für 40 000 Schweizer Franken ging wie geplant über den Tresen. Weitere 10 000 Franken „erwirtschaftete“der Angeklagte, als er Rauschgiftlieferungen im Raum Friedrichshafen unter Interessenten brachte.
Der Angeklagte ist in Friedrichshafen geboren und brach mehrere Ausbildungen ab. Bei einem Automobilzulieferer verdiente er gutes Geld, hätte aber eine Therapie zu Ende bringen sollen, um weiterbeschäftigt zu werden. Das tat er nicht. Cannabis, Kokain, und Amphetamin konsumierte er ab dem 18. Lebensjahr regelmäßig und gesteigert. Aus Therapien stieg er vorzeitig aus oder wurde von Kliniken entlassen. Vor vier Jahren wurde er Vater, lebt mit Mutter und Kind aber nicht zusammen. Er wurde arbeitslos, kann keinen Unterhalt zahlen, hatte hohe Schulden, wurde von Familie und Freunden über Wasser gehalten, ging nach Berlin. Er schnupfte „nach Gefühl“jeden Tag Kokain, räumte er gestern ein. Und Cannabis war immer dabei, berichtet er der Kammer. Mehrmals war er bereits in Haft.
Der Prozess wird am heutigen Freitag und am 25. Oktober fortgeführt. Dann soll auch das Urteil fallen.