Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Verschollen geglaubtes Jesuskind wird ausgestellt
Holzfigur ist vor rund 700 Jahren entstanden und gehört weltweit zu den ältesten bekannten Darstellungen dieser Art
LEUTKIRCH - Dass eine der weltweit ältesten erhaltenen JesuskindFiguren aus Leutkirch kommt, ist seit wenigen Jahren in Fachkreisen bekannt. Einer breiten Öffentlichkeit wurde der Aufsehen erregende Fund an seinem Ursprungsort bisher noch nicht präsentiert. Manfred Thierer von der Heimatpflege Leutkirch will das Jesuskind nun nächstes Jahr für eine Ausstellung im Zusammenhang mit der Kirche St. Martin nach Leutkirch bringen.
Die nach der Beschreibung etwa 8,5 Zentimeter große Figur aus Holz ist im Besitz des neu eröffneten Schwäbischen Krippenmuseums in Mindelheim. Wissenschaftliche Untersuchungen datieren sie auf die Zeit um das Jahr 1300 herum. Das Museum stuft das Jesulein als sein Prunkstück ein. Wobei es zumindest in seiner Heimatstadt Leutkirch bis 2013 als verschollen galt. „Bei uns hier verliert sich die Spur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts“, sagt Thierer.
Der Heimatpfleger erläutert die Hintergründe der Figur. Demnach waren solche Jesuskinder einst in Frauenklöstern weit verbreitet. Nonnen hatten sie in ihren Zellen. Die Figuren dienten ihnen praktisch als Kindersatz und Trösterlein. Sie wurden ebenso verehrt wie verklärt. So viel zum Zweck dieser Jesuskinder. Nun zum Leutkircher Nonnenkloster. Laut Thierer ist es gesichert, dass spätestens im Jahr 1280 fromme Frauen versuchten, hier einen Konvent nach der Augustinerregel ins Leben zu rufen. Er entstand tatsächlich.
Über die Jahrhunderte hinweg erlebte das bei der Kirche St. Martin gelegene Kloster eine wechselhafte Geschichte. Sie endete jedoch 1803 mit der Säkularisation. Der Konvent wurde aufgelöst. Wobei die Nonnen nach Angaben von Thierer erst einmal in den Räumlichkeiten bleiben konnten. Seinerzeit ist das letzte Mal dokumentiert, dass sich bei den Frauen in Leutkirch eine Brotreliquie erhalten hat. Sie geht auf eine Wundererzählung aus dem 15. Jahrhundert zurück. Als die damalige Oberin am Verhungern gewesen sei, habe ihr ein Kind Brot gebracht und sei sogleich verschwunden. Im Glaube der Nonnen konnte es sich dabei nur um das Jesuskind gehandelt haben.
An die erhaltene Jesus-Figur ist nun eine Brotreliquie mit einer Inschrift aus dem 17. Jahrhundert montiert. „Das brod hat das Kindlae Jesu unsere Ersten Schwestern bracht“steht dort. Die Forschung nimmt dies als weiteres Glied in der Beweiskette für die Leutkircher Herkunft. Von großem Gewicht sind hierbei auch die Aussagen der letzten geistlichen Besitzer. Dabei handelt es sich um Nonnen des erst vor wenigen Jahren aufgelösten Mindelheimer HeiligKreuz-Klosters.
Offenbar kamen nach der Säkularisation des Klosters in Leutkirch vor gut 200 Jahren hiesige Gegenstände nach Mindelheim. Womöglich verschlug es auch Leutkircher Nonnen dorthin. Jedenfalls wussten die letzten Nonnen des Mindelheimer Heilig-Kreuz-Klosters um die Herkunft des Jesuleins. In Leutkirch wurde die Existenz der Figur hingegen erst wieder durch einen Zufall bekannt. Thierer erzählt, dass eine Nachbarin vor fünf Jahren eine Ausstellung im Diözesan-Museum von Freising besucht habe. Dort sei der Frau die Figur und der Hinweis auf die Leutkircher Herkunft aufgefallen. Thierer ging der Angelegenheit nach. Wodurch rasch klar wurde, dass das Jesulein in Mindelheim ist. Dort ist es ab 25. Oktober im sanierten Krippenmuseum hinter Panzerglas zu sehen.
„Wir hoffen aber“, betont Thierer, „ dass wir das Jesukind wenigstens nach Leutkirch ausgeliehen bekommen.“Er denkt dabei an eine Präsentation bei der bereits geplanten Ausstellung zu 500 Jahre gotische Kirche St. Martin. Der Heimatpfleger ist „zuversichtlich, dass dies klappt“.