Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Menschenrechte dürfen nicht in Gefahr geraten“
Joris mit neuem Album und politischem Statement
Singer-Songwriter Joris hat am 5. Oktober sein zweites Album veröffentlicht. Neun Monate war der 28-jährige Musiker dafür im Studio. Und dabei herausgekommen ist „Schrei es raus“, ein kunstvolles Popalbum, das mit Vintagegitarren und -verstärkern produziert wurde. Der bei Bremen geborene Sänger hat 2015 mit „Herz über Kopf“seinen ersten großen Hit gelandet und mit seinem Debütalbum „Hoffnungslos Hoffnungsvoll“drei Echos gewonnen. Eva-Maria Peter hat mit Joris über sein neues Album und die Rolle von Musikern in politisch aufgewühlten Zeiten gesprochen.
Joris, 2015 ist dein Debütalbum erschienen. Wie sieht deine Rückblende von damals bis jetzt aus?
Die ersten zweieinhalb Jahre habe ich Abend für Abend sehr schöne Konzerte gespielt, was mir viel bedeutet hat. Ich habe es natürlich nebenher nicht geschafft, ein neues Album zu produzieren oder groß darüber nachzudenken, was eigentlich gerade alles passiert ist. Ich war nach dieser Zeit einen Monat ganz alleine in Italien. Dort habe ich die Ideen für das neue Album zusammengetragen und die vielen schönen Erinnerungen sortiert. Nun sind wirklich dreieinhalb Jahre vergangen, und für mich fühlt es sich so an, als ob ich keinen freien Tag hatte.
Für dein neues Album warst du neun Monate lang im Studio. Was hat so lange gedauert?
Ich konnte gemeinsam mit meinem Keyboarder Constantin Krieg, der mittlerweile auch mein Produzent ist, zusammenarbeiten. Wir haben den Computer ausgelassen und alle Songs mit altem Vintage-Equipment eingespielt. Jedes Gerät färbt den Klang anders. Wir haben allen Spinnereien freien Lauf gelassen. Natürlich war vieles für die Katz, aber unsere Kreativität wurde immer mehr geweckt. Beim Song „Feuerwesen“haben wir mitten in der Nacht immer wieder Klavierklänge übereinandergelegt, 63 Klaviere, die übereinanderlaufen. Daraus entstand ein einmaliger Soundteppich.
Was hat sich im Gegensatz zu deinem Debütalbum verändert?
Bei der Produktion kamen für mich als gelernter Tonmeister viele Träume zusammen. Wir sind über Grenzen gegangen, die es bei einer normalen Album-Produktion gibt. Textlich wurde mein Horizont auch größer. Ich habe in den letzten drei Jahren so viele neue Leute kennengelernt und könnte fünf neue Alben schreiben.
Auf „Schrei es raus“klingt es bei manchen Songs so, als ob du aus dem Off singst. Die Instrumente sind oft im Vordergrund. Was willst du damit ausdrücken?
Jedes Instrument ist auch eine Stimme. Längere instrumentale Intros und Outros erzählen Geschichten auf eine andere Art. Es wird eine bestimmte Stimmung aufgebaut, die dem Song einen Rahmen verleiht.
Auf deinem CD-Cover bist du ganz weiß, dein Mund mit einem Halstuch verdeckt und nur deine Augen strahlen blau. Was willst du damit andeuten?
„Schrei es raus“soll vor Monotonie und Monochromie warnen. Das Leben soll nicht, wie bei „Momo und den grauen Herren“im tristen Alltagstrott enden. Das ganze Cover besteht aus den Farben grau und weiß – außer meinen Augen, und die werden somit am meisten wahrgenommen. Mein Mund ist verdeckt. Somit habe ich nur noch die Möglichkeit aus meinen Augen zu schreien.
Und wie siehst du die Rolle von Musikern in politisch aufgewühlten Zeiten?
Es ist sehr wichtig, dass Musiker ihren Einfluss ausspielen. Ich war in Chemnitz beim „Wir sind mehr“Konzert dabei und habe auch auf meinen Konzerten schon immer gesagt, dass rechte Haltung keinen Platz hat. Aber es gibt trotzdem noch einen Unterschied zwischen Parteipolitik und Haltung. Für mich ist die Haltung eines jeden Menschen entscheidend. Menschenrechte und Pressefreiheit dürfen nicht in Gefahr geraten. Wir Künstler müssen unsere Bühne nutzen, um für diese Werte einzustehen.
Der Albumtitel „Schrei es raus“schreit ja förmlich nach politisch und gesellschaftskritischen Songs …
Absolut. Der Song „Signal“ist ein Hauch von Revolution. Jeder läuft in der Masse, denkt aber nur für und an sich. Für ein gutes Zusammenleben brauchen wir die Gemeinschaft. „Schrei es raus“steht aber auch für emotionale Dinge, die mich sonst noch beschäftigen. Ich wollte Mut machende Elemente im Album haben und positiv sein, wie bei der Single „Glück auf“.
Und wenn du einen Wunsch in die Welt rausschreien könntest – welcher wäre das?
Wünsche wirken schnell plakativ und platt, aber ich versuche es mal: Egal welches Geschlecht oder welche Hautfarbe wir haben, wir sind alle eins und gleich. Ich würde mir wünschen, dass wir keine Unterschiede machen.