Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Schwache stark darstellen
Theater in Konstanz: Didi Danquart inszeniert Steinbecks „Von Mäusen und Menschen“– Neil LaBute ist mit einem starken Monolog vertreten
KONSTANZ - Eigentlich hätte Neil LaBute wieder am Konstanzer Stadttheater inszenieren sollen, so steht es zumindest im aktuellen Spielplan. Doch der amerikanische Regisseur bekam das Angebot eine Netflix-Serie zu schreiben. Ersatz bietet Didi Danquart mit seiner Interpretation des Stückes „Von Mäusen und Menschen“. LaBute ist trotzdem vertreten: als Autor des Monologs „Eine Art Liebeserklärung“. Beide Inszenierungen feierten am vergangenen Wochenende Premiere.
Netflix statt Bodensee
Vor zwei Jahren inszenierte der USRegisseur Neil LaBute das Stück „Onkel Wanja“am Konstanzer Theater und landete damit auf Platz neun der besten Theater-Aufführungen deutschsprachiger Bühnen. In der Zwischenzeit schrieb er für Netflix die Serie „Van Helsing“. Konstanz fühlt er sich immer noch sehr verbunden und so hätte er auch in dieser Spielzeit eine Inszenierung geleitet, wäre nicht erneut ein lukratives Angebot gekommen, mit dem ein kleines Stadttheater natürlich nicht mithalten kann: LaBute wird die Serie „The I-Land“schreiben, die 2019 auf Netflix gesendet wird. Auf der Konstanzer Bühne gibt es dennoch etwas vom amerikanischen Dramatiker zu sehen: das Stück „Eine Art Liebeserklärung“.
Darin erzählt die Lehrerin Faye von einem Ereignis, das ihrem geradlinigen Leben einen Knick versetzt hat. Sie hatte eine Affäre mit ihrem Schüler Thommy, aus der ein Kind hervorging. Ihr Mann Eric ist ahnungslos, doch noch immer beschäftigt der verjährte Fehltritt seine Frau. „Wieviel wiegt eine Lüge?“, fragt sie zu Beginn ihres einstündigen Monologs, in welchem sie ihre Tätigkeit als Lehrerin, die Political Correctness, die weibliche Sexualität und ihre Rolle als Mutter hinterfragt. Worum es dabei aber eigentlich geht, ist die Liebe. Faye erzählt von verschiedenen Formen des Liebens, und es ist erstaunlich, wie präzise LaBute dabei die weibliche Perspektive trifft. Schauspielerin Anne Simmering legt mit diesem Monolog einen Seelenstriptease hin. Ein gelungener Einstand als neues Ensemblemitglied.
Auch in „Von Mäusen und Menschen“stellen sich neue Schauspieler dem Publikum vor und werden mit begeistertem Applaus empfangen. Unter Regie von Didi Danquart, dessen Verfilmung „Goster“vor Kurzem für den Grimme-Preis nominiert war, gelangt die amerikanische Geschichte aus den 1930er-Jahren an den Bodensee. Georg und Lennie wollen in einer Fabrik in Singen ein paar Wochen lang Geld verdienen, um sich dann den Traum vom autarken Leben zu ermöglichen: ein kleiner Hof mit vielen Kaninchen, denn Lennie mag weiche Dinge. Gerne hat er eine tote Maus als Handschmeichler in der Hosentasche oder er fasst das Kleid eines Mädchens an und lässt es nicht mehr los. Damit beginnen stets Probleme, die auch hier nicht lange auf sich warten lassen.
Kein Platz für Lennie
In einer Männerwelt, die von traditionellen Denkmustern dominiert und angefüllt von Prügeleien und Puffbesuchen ist, findet einer wie Lennie keinen Platz. Sebastian Haase zeigt mit dieser Figur die Kunst, einen Schwachen darzustellen ohne ihn schwach wirken zu lassen.
Haase wurde im vergangenen Jahr von „Theater Heute“zum Nachwuchsschauspieler des Jahres nominiert, für seine Darstellung des Onkel Wanja. Wobei wir wieder bei Neil LaBute wären. Und hier gibt es nochmals eine Parallele, denn auch Didi Danquarts Wege wurden von Netflix gekreuzt. Die Bühnenbildnerin Theresia Anna Ficus konnte ihre Arbeit bei „Von Mäusen und Menschen“nämlich nicht selbst vollenden, da auch sie ein Angebot von dem Streamingdienst erhalten hat.