Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Tränen und Fragen nach dem Warum
Trauer um Schüler im Sauerland – 14-Jähriger in Haft – Äußerst seltene Tat
WENDEN/ARNSBERG (dpa) - Mit psychologischer Hilfe und gemeinsamem Gedenken wollen Mitschüler, die kleine Gemeinde Wenden und der Fußballverein nach dem gewaltsamen Tod eines Jungen im Sauerland ihre Betroffenheit verarbeiten. „Die Schule trauert um ein Mitglied ihrer Gemeinschaft und ist in Gedanken in diesen schweren Stunden bei der betroffenen Familie“, heißt es in einem kurzen Text auf der Internetseite der Gesamtschule in Wenden.
Die Leiche des 16-Jährigen war am Mittwochabend in einem Wald in der Nähe der Schule gefunden worden. Ein 14 Jahre alter Teenager hat gestanden, seinen Mitschüler in der Nähe des Schulgeländes erwürgt zu haben.
Psychologen unterstützen Schüler
Der betroffenen Schule helfen Schulpsychologen. „Wir erfahren Unterstützung durch unsere schulfachliche Dezernentin und Schulpsychologen und Schulpsychologinnen, die uns zur Seite stehen und besonders die Schülerinnen und Schüler unserer Schule professionell durch diese schreckliche Zeit begleiten werden“, heißt es auf der Homepage.
Ein Kriseninterventionsteam habe bereits nach dem Verschwinden des Schülers Kontakt zur Schule aufgenommen, sagte eine Sprecherin der Bezirksregierung. Rat und Verwaltung der Gemeinde Wenden äußerten sich in einer am Freitag veröffentlichten Mitteilung „tief bewegt“. „Für alle Beteiligten bleiben Trauer, Verzweiflung, Tränen und die Fragen nach dem Warum. Man kann das Leid nicht aus der Welt schaffen, den Schmerz nicht lindern. Deshalb gilt unser besonderes Mitgefühl seiner Familie, allen Angehörigen und Freunden des Opfers“, hieß es in der Mitteilung.
Der Fußballverein des getöteten Jungen reagierte mit „tiefer Bestürzung“auf den „tragischen Tod unseres Vereinsmitglieds und langjährigen Jugendspielers“. Der Verein kündigte auf seiner Internetseite an, alle Spiele am Wochenende abzusagen.
„Solche Taten sind sehr selten“, sagt der Kriminalpsychologe Rudolf Egg. Aber es gibt sie immer mal wieder. Die Polizeiliche Kriminalstatistik registriert für das vergangene Jahr 15 Fälle, in denen „Straftaten gegen das Leben“– also Tötungsdelikte – von strafunmündigen Kindern bis 14 Jahren begangen worden sein sollen. In diesem Jahr machten mehrere Fälle Schlagzeilen: Am Freitag verurteilte das Dortmunder Landgericht einen 16-Jährigen zu sechs Jahren Jugendhaft: Er hat nach Überzeugung der Richter im Januar in seiner Schule in Lünen einen Mitschüler erstochen. Im Februar soll eine 16-Jährige ein 15 Jahre altes Mädchen auf einem Parkdeck in Dortmund im Streit erstochen haben. In Berlin ging die Verabredung zweier Jugendlicher im März tödlich aus: Ein 15-Jähriger soll seine Mitschülerin erstochen haben.
Der Anlass für solche Verbrechen von Kindern oder Jugendlichen liegt laut Egg fast immer im persönlichen Bereich – etwa Eifersucht, verschmähte Liebe oder Beleidigungen. „Die Tat ist aber meist nur die Oberfläche.“Dahinter lägen in der Regel andere Enttäuschungen, die manchmal gar nichts mit dem späteren Opfer zu tun hätten, sagt Egg.
Der mutmaßliche Täter von Wenden sitzt in Untersuchungshaft. Laut Staatsanwaltschaft spreche einiges für eine Tat im Affekt. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Jugendstrafe. Aufgrund seines jugendlichen Alters sollen jetzt „Haftvermeidungsmaßnahmen“geprüft werden. Das könnte bedeuten, dass der Junge in einem Heim untergebracht wird.