Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mit dem FBI auf den Spuren von „Twin Peaks“
Die amerikanische TV-Kultserie lockt zahlreiche Fans zu den Originalschauplätzen nahe Seattle im Nordwesten der USA
SNOQUALMIE/NORTH BEND (dpa) „Twin Peaks“von David Lynch ist seit den 1990er-Jahren Kult. Im Nordwesten der USA kann man der gruseligen TV-Serie in der Nähe von Seattle nachspüren.
Das Ortsschild von Twin Peaks ist weg. Hinter der Stelle, an der es stehen sollte, verschwinden die Berge in den Wolken. Die Straße biegt in eine Kurve, der hölzerne Strommast sieht verloren aus. Twin Peaks gibt es ja auch gar nicht. Aber der US-Bundesstaat Washington lädt zur Spurensuche ein.
An der Reinig Road nahe der Orte Snoqualmie und North Bend rund 30 Kilometer östlich von Seattle ließen die Macher das Schild mit der Aufschrift „Welcome to Twin Peaks“aufstellen. Es ist im Vorspann der Serie zu sehen. Eigentlich sollte es bleiben. Einmal aber sei das Schild geklaut, einmal überfahren worden, erzählen die Leute. Manche Fans bringen jetzt ihr eigenes Schild mit.
Die perfekte Landschaft
Lynchs Serie – eine Mischung aus Mystery, Krimi, Comedy und Seifenoper – ist Kult. Auch weil die Geschichte um den schrulligen FBIAgenten Dale Cooper, der im fiktiven Ort Twin Peaks den rätselhaften Mord an der Dorfschönheit Laura Palmer aufklären soll, von Folge zu Folge gruseliger wird. Zwei Staffeln liefen 1990/91, 2017 kam die lang erwartete dritte heraus, die die Macher aber nicht so nennen wollen, sondern als eigenständiges Werk sehen. Cooper, den damals wie heute Kyle MacLachlan spielt, ist wieder dabei.
„Twin Peaks“ist ein großes Geheimnis, die Drehorte sind es nicht. Sie sind über viele Kilometer quer über die Landschaft nicht weit von Kanada verteilt. Man versteht gut, warum Lynch diese Gegend für seine Serie auswählte. Doch nicht alle Orte sehen aus wie im Fernsehen.
Das Hotel Salish Lodge in Snoqualmie allerdings schon. In der Serie wird es zum Great Northern Hotel, FBI-Agent Cooper wohnt dort in Zimmer 315. „Ich rede eigentlich die ganze Zeit über „Twin Peaks“, sagt Alan Stephens, Manager des Hotels. Er führt durch sein Hotel mit der Entspanntheit von einem, der weiß, dass seine Geschäfte gut laufen. Die Zimmer kosten mehrere Hundert Dollar pro Nacht. Wer in der Badewanne liegt, schaut durch ein Panoramafenster in den Wald.
In der Serie taucht die Außenfassade auf, im Hotel wurde nicht gedreht. Trotzdem kommen die Touristen, Tausende jedes Jahr, erzählt Stephens. Manche schauten sich nur um, andere buchten Zimmer. Die neuen Folgen hätten einen neuen Hype ausgelöst. Das Hotel hat sich auf die Serie eingestellt: In den Zimmern kann man sie schauen, im Spa gibt es einen Dale-Cooper-CoffeeBody-Scrub, in der Hotelbar einen Dale-Cooper-Cocktail, im Hotelcafé Cherry Pie - Cooper liebt Kirschkuchen. Eine Tour wird nicht angeboten, aber Fans bekommen eine Karte, auf der die ehemaligen Drehorte verzeichnet sind. Wer ein Auto hat, kann sich selbst auf die Suche machen.
Der Souvenirshop verkauft neben T-Shirts, Büchern und Aufklebern einen Holzscheit in Form eines Kissens. Einen Holzscheit in Form eines Kissens? In Lynchs Serie kommt die Log Lady vor – eine Frau, die einen Holzscheit mit sich herumträgt, der manchmal mit ihr spricht. „Die Leute kaufen den Holzscheit wie blöd“, sagt Stephens. „Im Grunde kaufen sie alles, auf das wir ,Twin Peaks’ schreiben.“
Einmal im Jahr im Sommer wird alles noch ein bisschen verrückter. Dann findet ein dreitägiges Festival statt, Schauspieler und Fans kommen, viele wohnten im Salish Lodge. Neben dem Hotel rauscht der Wasserfall Snoqualmie Falls in die Tiefe, auch ihn sieht man im Vorspann der Serie. Asiatische Touristen fotografieren, drei verschlafene Backpacker verkaufen Polaroidbilder.
Kirschkuchen und Kaffee
In North Bend liegt Twede’s Café, in dem tatsächlich gedreht wurde. In der Serie ist es das Double R Diner, in dem der FBI-Agent und sein Kollege Sheriff Truman über den Fall sinnieren. Sie bestellen bei Kellnerinnen, die Shelly oder Norma heißen und sehr rote Lippen und sehr weiße Zähne haben. Cooper will jedes Mal Cherry Pie und einen „damn fine cup of coffee“, eine verdammt gute Tasse Kaffee.
An der Rückseite des Diners findet sich endlich das Schild „Welcome to Twin Peaks“– es ist auf die Hausfassade gemalt. Drinnen ist es kalt wie in einem Kühlschrank. Am Tresen hängen Bilder zur Serie, die Kinder gemalt haben könnten. Auf den Tischen stehen Wachsmalstifte neben Ketchup-Flaschen. Die Speisekarte bietet neben Burgern und Roastbeef natürlich Cherry Pie und einen „damn fine cup of coffee“. Der Kuchen ist extrem süß.
Plötzlich geht die Tür des Diners auf. Ein Mann mit schwarzem Anzug und FBI-Ausweis kommt an den Tresen. Agent Cooper? Aber der Mann trägt keinen scharfen Seitenscheitel, sondern hochgegeltes Haar. Er stellt sich als David Israel vor und ist vermutlich der größte „Twin-Peaks“Fan der Welt. „Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich die Folgen gesehen habe“, sagt er. Den Soundtrack höre er im Auto. „Immer.“
Süchtig nach der Serie
Israel, der in Seattle lebt, hat aus seiner Leidenschaft ein Geschäft gemacht. Alle Drehorte hat er zusammengesucht, mehr als auf der offiziellen Karte. Er bietet eine Tour an und verkleidet sich dafür als FBIAgent. Auch er war wie Hotelmanager Stephens 16 Jahre alt, als die Serie herauskam. Allerdings sofort „hooked“, wie die Amerikaner sagen – süchtig.
Seit Februar 2017 führt er Fans aus aller Welt an die Drehorte, heute eine Gruppe Engländer, die fotografiert, während er erzählt. Rund 300 Touren habe er bislang gemacht. Bald komme eine Dokumentation heraus, es gehe um die Log Lady, die Frau mit dem Holzscheit. Die Schauspielerin ist vor Kurzem gestorben. „Twin Peaks“geht aber immer weiter.
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