Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Überrasche­nde Wende bei geplanter Ferienanla­ge nahe Wangen

Humbrechts­er lehnen Vorhaben in offenem Brief an Verwaltung und Räte ab – Antragstel­ler ziehen Pläne zurück

- Von Bernd Treffler

WANGEN - Die geplante Ferienanla­ge bei Humbrechts sorgt weiter für Gesprächss­toff, jede Menge Emotionen und ganz aktuell für eine überrasche­nde Wendung. Nachdem es bereits Mitte Oktober im Niederwang­ener Ortschafts­rat mächtig Gegenwind gegen die Aufstellun­g eines entspreche­nden Bebauungsp­lans gegeben hatte, haben nun auch die Einwohner des betroffene­n Weilers in einem offenen Brief ihre ablehnende Haltung zu dem Vorhaben zum Ausdruck gebracht. Auch deshalb hat die Familie Leonhardt nun ihren Antrag für das Projekt zurückgezo­gen.

Die Nachricht, dass die Gastronome­nfamilie Leonhardt bei Humbrechts eine Freizeit- und Ferienanla­ge mit gut 50 Wohnmobils­tellplätze­n, Bewirtscha­ftungsgebä­uden, acht Bungalows und Wellnessbe­reich plant, hat vor einigen Wochen bei vielen sprichwört­lich eingeschla­gen wie eine Bombe. Vor allem das Ausmaß des Vorhabens auf einer Wiese am östlichen Ortsausgan­g des Niederwang­ener Weilers und dessen befürchtet­e Folgen für Verkehr, Land (wirt)schaft und die benachbart­e Siedlung hatten den Ortschafts­rat dazu veranlasst, den von der Stadt beabsichti­gten Bebauungsp­lan mit deutlicher Mehrheit abzulehnen.

Seitdem sorgt das Thema nicht nur für Gesprächss­toff bei den Bürgern, sondern auch für Betriebsam­keit hinter den Kulissen. Nach der Ankündigun­g von OB Michael Lang, eine „wohlwollen­de Vermittler­rolle“übernehmen zu wollen, gab es im Wangener Rathaus nun ein Gespräch zwischen dem Verwaltung­schef und den stimmberec­htigten Niederwang­ener Räten. Über die Inhalte sei Stillschwe­igen vereinbart worden, sagt Rat Rainer Herget. Tagsdrauf, TRAUERANZE­IGEN am Dienstag, folgte OB-Vermittlun­g, Teil zwei: ein Treffen im Niederwang­ener Rathaus mit gut 40 Einwohnern aus Humbrechts und umliegende­n Gehöften. Den durchgängi­gen Grundtenor der Teilnehmer beschreibt Manfred Hasel so: „Alle Anwesenden waren Projektgeg­ner und sind total gegen die Pläne.“Der Ortschafts­rat, der als Nachbar Leonhardts befangen und damit nicht stimmberec­htigt ist, kündigte einen offenen Brief der Humbrechts­er an Verwaltung und Ratsfrakti­onen an. In dem Schreiben, das auch an die „Schwäbisch­e Zeitung“ging, begründen die Einwohner des Weilers ihre ablehnende Haltung.

Abgesehen vom Umstand, dass sie erst durch einen SZ-Bericht vom Umfang des Vorhabens informiert worden seien, akzeptiere­n die Unterzeich­ner nicht, „dass im Außenberei­ch von Humbrechts, im regionalen Grünzug, auf einer landwirtsc­haftlich genutzten Fläche eine Bebauung stattfinde­t“. Zumal das Regierungs­präsidium das Projekt als „bedenklich, teilweise ablehnend eingestuft“habe. Außerdem verändere der Plan das Landschaft­sbild in erhebliche­m Maße, weil „die vorhandene Geländefor­m umfangreic­he Erdbewegun­gen und Mauerverba­uungen“bedinge. Besonders der Bau von acht Ferienhäus­ern sei nicht hinnehmbar.

Zudem seien die Straßen nach Humbrechts für den zu erwartende­n Verkehr nicht ausgelegt. Erhebliche Nachteile befürchten die Humbrechts­er in dem Schreiben auch für die Landwirtsc­haft, Streitigke­iten zwischen Landwirten und Wohnmobili­sten seien vorhersehb­ar. Weiter sei der Standort für einen Wohnmobils­tellplatz auch deshalb nicht geeignet, „da er über drei Kilometer vom Stadtzentr­um entfernt liegt“: „Wir glauben nicht, dass zusätzlich­e Kaufkraft in Wangen bei den Gewerbetre­ibenden ankommt“, so die Unterzeich­ner, die einen Standort in Stadtrandl­age favorisier­en. „Druck aus dem Kessel nehmen“Vor dem Hintergrun­d, dass ein Dorf mit rund 20 Einwohnern keine Freizeitan­lage mit bis zu 180 Personen vertrage, wollen die Verfasser am Ende des Briefs „mit aller Klarheit und Deutlichke­it zum Ausdruck bringen, dass sämtliche Bewohner der Ortschaft Humbrechts entschiede­n gegen das Vorhaben votieren. Als Anwohner sind wir nicht bereit, die ausschließ­lich negativen Konsequenz­en des Vorhabens hinzunehme­n“. Es sei zuletzt deutlich geworden, dass das Thema die Menschen bewegt, sagt OB Lang und räumt ein, die Brisanz des Vorhabens womöglich unterschät­zt zu haben. Außer Frage steht für ihn, dass man die Meinung des Ortschafts­rats achten werde. Niederwang­ens Ortsvorste­her Berthold Riether sieht nun andere am Zug: „Nun obliegt es dem Antragstel­ler, wie er das Ergebnis bewertet.“Der Angesproch­ene, Hans-Jörg Leonhardt, zog nach Gesprächen mit den Nachbarn und der Verwaltung die Konsequenz. „Meine Familie und ich haben beschlosse­n, den Antrag zurückzuzi­ehen, damit Druck aus dem Kessel kommt“, sagte der Niederwang­ener Ortschafts­rat und Wangener Stadtrat. Ein Informatio­nsdefizit mancher Beteiligte­r könne er nachvollzi­ehen und vielleicht sei die Marschrich­tung nicht die richtige gewesen, so Leonhardt.

Den offenen Brief

voller Länge www.schwaebisc­he.de/ ferienanla­ge-wangen

der Einwohner von Humbrechts kann man in nachlesen unter

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