Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mit der Lizenz zum Verlieren
Wieso Uli Hoeneß den FC Bayern vor dem Duell bei Borussia Dortmund kleinredet
MÜNCHEN - Uli Hoeneß schien sich was zurechtgelegt zu haben, der Präsident wirkte diesmal vorbereitet. Nicht so wie bei der jetzt schon legendären Pressekonferenz der Bayern-Bosse. Bei der Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge zum Zweck der Journalistenrüge Artikel 1 des Grundgesetzes zitierte und vehement daran erinnerte, dass die Unantastbarkeit der Menschenwürde auch für älter werdende und bisweilen dementsprechend spielende ehemalige Weltmeister in Bayern-Diensten gelte – und Hoeneß es zwei Atemzüge später für eine gute Idee hielt, die Würde des Ex-Bayernspielers Juan Bernat mit dem Begriff „Scheissdreck“nicht anzutasten.
„Wir sind nicht so arrogant, wie ihr alle glaubt“
Doch nach dem spielerisch erneut eher indifferenten, für die Achtelfinalambitionen der Münchner in der Champions League nicht unwichtigen und durch zwei Treffer von Robert Lewandowski nach Standards herausgespieltem 2:0 (1:0) gegen AEK Athen baute sich Hoeneß mit dem mildesten aller Hoeneßgesichter vor der Reporterschar auf. Was er in den folgenden sieben Minuten im gekonnt jovialen Ton sagte, war teils überraschender als sein Scheissdreck-Ausbruch. Teils sorgten die Ausführungen aber auch für verstohlenes Amüsement. Etwa, als Hoeneß behauptete, Bayern sei in der Bundesliga Zweiter hinter Dortmund und auch dabei blieb, als ihn ein Reporter darauf hinwies, dass Mönchengladbach vor Bayern gelistet ist. „Hat Gladbach mehr Punkte als wir“, fragte Hoeneß und dann, triumphierend: „Das Torverhältnis interessiert mich nicht am zehnten Spieltag.“
Trainer Niko Kovac dürfte die Ansprache jedoch beruhigt zur Kenntnis genommen haben – er hat nun die Lizenz zum Verlieren.
Zunächst beim bevorstehenden Bundesligagipfel am Samstag bei Borussia Dortmund (18.30/Sky), der auch in der Welt des Uli Hoeneß die Tabelle anführt. „Wir fahren nicht als Favorit nach Dortmund, sondern zum ersten Mal seit langer Zeit als Außenseiter“, sagte Hoeneß also. Für den Nachsatz, „meines Wissens sind die noch vier Punkte vor uns“, erntete der Club-Boss ebensowenig Widerspruch wie für diesen, dann doch recht erstaunlichen Satz: „Man kann ja nicht nach Dortmund fahren und sagen, ich will einen Dreier einfahren.“
Das klang dann doch so wenig nach Mia san Mia, dass die Nachfrage, ob es für Hoeneß womöglich sogar okay wäre, würde die Meisterschale diesmal nicht nach München gehen, angebracht wie genehm war. „Die würden wir immer gerne haben. Aber wenn es mal nicht so ist, wird der FC Bayern auch nicht untergehen. Wir sind nicht so arrogant, wie ihr alle glaubt“, so Hoeneß. „Die Saison hat gerade erst angefangen. Wir haben eine Mannschaft, die im Umbruch ist. Wir haben einen jungen Trainer, der sich hier reinarbeiten muss. Da muss man Geduld haben.“An seiner Aussage, er werde bis aufs Blut für Kovac kämpfen, habe sich „nichts geändert“.
Durch diese Ansprache nahm Hoeneß Druck raus, stützte den Trainer, der vor allem seine Idee gewesen war – und brachte Kovac vor seinem bislang wichtigsten Spiel als Bayerntrainer in eine Position, die er sehr gut kennt und in der er sich wohlfühlt. Hoeneß macht Bayern klein, um Kovac großzumachen.
Kovac darf wie ein Trainer von Eintracht Frankfurt zum BVB
Als Außenseiter hatte Kovac mit Eintracht Frankfurt etwa in der vergangenen Saison den FC Bayern im Pokalfinale überrannt und verdient geschlagen. Nun darf Kovac auch mit den Bayern wie ein Trainer von Eintracht Frankfurt zum BVB fahren. Am Mittwoch beantwortete Kovac die Frage nach seiner Spielidee übrigens hintergründig lächelnd mit einem Zitat von Atlético Madrids Trainer Diego Simeone, der nach dem 2:0 gegen Borussia Dortmund am Dienstag gesagt hätte, wichtig sei vor allem, zu gewinnen. Mit Blick auf Samstag sagte er: „Der Favorit ist sicherlich Dortmund, auch weil sie zu Hause spielen“. Und ergänzte: „Ich erwarte und wünsche mir auch, dass Dortmund nach vorne spielt, das wird uns sicherlich Räume geben.“Sprich: Dortmund soll das Spiel machen, Bayern soll kontern.
Uli Hoeneß, das darf nicht unerwähnt bleiben, entschuldigte sich am Mittwoch übrigens, einmal im ZenModus, auch noch bei Juan Bernat. Die Pressekonferenz würde er zwar „im Wesentlichen wieder so machen“, doch, „es hat mir sehr leidgetan, Juan Bernat beleidigt zu haben für seine Spielweise“, sagte er.