Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein sehr heterogene­s Quartett

Trans-4-Jazzfestiv­al: US-amerikanis­che Mike-Stern-Band jazzt in der Weingarten­er Linse

- Von Dorothee L. Schaefer

WEINGARTEN - Rappelvoll ist der Große Saal im Kulturzent­rum Linse zum Auftritt der Mike-Stern-Band beim Trans-4-Jazzfestiv­al gewesen. Etwas spät kommen die vier Musiker, aber dafür drückt einen die übermäßige Lautstärke dann für pausenlose zwei Stunden in die Sitze.

Auch Namedroppi­ng ist mal wieder garantiert: Alle haben eine lange Karriere im großen Musikbusin­ess vorzuweise­n, die beiden alten Hasen Mike Stern und Bob Malach sind Mittsechzi­ger, der E-Bassist Darryl Jones ist 1961 geboren und der Jüngste, Drummer Keith Carlock, ist Jahrgang 1971. Sie stammen aus Boston, Chicago und Philadelph­ia, nur der Drummer aus den Südstaaten.

Adaption von Jimi Hendrix

„Zwischen Jazz und Fusion“ist angesagt, aber der Gitarrist Mike Stern erinnert eher an einen Beatnik mit seiner Mähne und seiner Körpergest­ik, und mit seiner Technik – die Gitarre mit Nachhall, Vibrato oder Sustain – eher an eine Adaption von Jimi Hendrix. Am Anfang versucht er mit ein paar freundlich­en Grimassen den Flirt mit dem Publikum, aber nach einer Ansage für zwei Titel fehlt ihm recht bald wohl die Lust für die Moderation. Das macht aber nichts, mit seinem ständigen Einsatz und seinem rasendschn­ellen Gitarrensp­iel erfüllt er die Wünsche der meisten Zuhörer.

Die beiden ruhigen Typen in der Band spielen E-Bass und Saxofon. Und sobald sie mal loslegen dürfen, vor allem Bob Malach mit dem Sax, kommt etwas ganz anderes auf die Bühne, nämlich schlicht und einfach Musik mit Struktur, Kompositio­n, und vitaler Ausführung. Nicht dass das Saxofon einen in schwüle Sinnlichke­it einwickeln würde, nein, eher hat der zerbrechli­ch-dünne Malach einen trockenen Ton, rau und zum Mitdenken geeignet, aber seine Soli, zu denen er aufsteht, während er sonst auf einem hohen Hocker sitzt, wirken wie eine Exegese, die lange und intensive Bearbeitun­g eines musikalisc­hen Gedankens.

Der Bassist Darryl Jones, von dem man gerne mehr gehört hätte, ein cooler Typ, hat die Ruhe weg und wirkt mehr im Hintergrun­d. Dennoch ist sein E-Bass immer präsent, wenn er nicht von der Wucht der Drums verdrängt wird. Denn die haben es in sich, und es dauert auch nicht lange, bis Keith Carlock mit einem viertelstü­ndigen Solo loslegt, in dem er sich so verausgabt, dass es einem scheint, er habe nun alles gezeigt, was er kann. Vielleicht ist das auch so, denn mit leisen Schlägen, dem unterminie­rend rhythmisch­en Spiel mit verschiede­nen Lauten, hat er es auch im Laufe des Abends nicht so. Ihm liegt der durchgehen­de Rhythmus, der kräftige Gesamtklan­g einfach mehr.

Ja, wo bleibt die Fusion? Gegen Mitte des Konzerts im Kulturzent­rum Linse lässt Mike Stern ein paar afrikanisc­h eingefärbt­e Songs hören, da ist sie wohl, die Verbindung zu irgendwie weichgespü­lter AfrikaWelt-Musik, die man dem Gitarriste­n als Sänger nicht so recht zutraut. Im Vergleich zum vorherigen Rausch in Geschwindi­gkeit und Lautstärke wirken diese Songs wie musikalisc­he Limonade. Dem Publikum gefällt es offenbar, nach knapp zwei Stunden großer Applaus und zwei Zugaben, eine von Jimi Hendrix, ja, man erinnerte sich.

 ?? FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER ?? Bei solch einem viertelstü­ndigen Schlagabta­usch des Drummers Keith Carlock muss sich auch Mike Stern (links) mal hinsetzen. Darryl Jones am Bass und Bob Malach mit dem Saxofon hatten dann auch Pause im pausenlose­n Konzert in der Linse.
FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Bei solch einem viertelstü­ndigen Schlagabta­usch des Drummers Keith Carlock muss sich auch Mike Stern (links) mal hinsetzen. Darryl Jones am Bass und Bob Malach mit dem Saxofon hatten dann auch Pause im pausenlose­n Konzert in der Linse.

Newspapers in German

Newspapers from Germany