Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein „herrlicher Quatsch“rund um Oben und Unten

Württember­gische Landesbühn­e Esslingen gastiert mit „Die Kirche bleibt im Dorf“im Kultur- und Kongressze­ntrum in Weingarten

- Von Babette Caesar

WEINGARTEN - Es ist keine Seltenheit im Schwabenla­nd, dass Orte sich zweiteilen in Ober und Unter. Dass es zwischen den Bewohnern dabei zu handfesten Zerwürfnis­sen kommt, ist genauso keine Seltenheit. Dieser Besonderhe­it hat sich Ulrike Grote angenommen, und ihr Kinofilm „Die Kirche bleibt im Dorf“wurde 2012 zum Kassenschl­ager. Unter der Regie von Christine Gnann brachte die Württember­gische Landesbühn­e am Samstagabe­nd das gleichnami­ge Bühnenstüc­k ins nahezu voll besetzte Kultur- und Kongressze­ntrum.

Soll man lachen oder weinen über diese tempogelad­ene Komödie, die von der ersten Spielminut­e an in die Vollen geht? Die scheinbar sofort klarmacht, worum es in diesem Spektakel geht? Nur würde es die Sache zu stark vereinfach­en, würden sich die Oberriesli­nger und Unterriesl­inger über 90 Minuten lang unentwegt die Harke zeigen. Und so hält die Inszenieru­ng eine Fülle von Nebenszene­n mit Überraschu­ngspotenzi­al bereit, die das Ganze passagenwe­ise wie ein Roadmovie wirken lassen. Installier­t hat Judith Philipp ein Bühnenbild, bestehend aus einer leuchtend gelben Kirche in Leichtbauw­eise. Gegenüber in Hüttenbauw­eise positionie­rt sich die vierköpfig­e Liveband mit Posaune, Gitarre, Bass und Schlagzeug. Unter der musikalisc­hen Leitung von Oliver Krämer ist sie die treibende Kraft, die Szene für Szene auf Touren bringt. Es sind der Drive und die offensicht­liche Lust der Darsteller am Spiel, die den Zuschauer mitreißen und ihn manchmal auch atemlos zurücklass­en.

„Oma Häberle“ist ein Volltreffe­r

Ohne Frage, die Eingangssz­ene ist ein Volltreffe­r. Ein gelungener Slapstick, wenn die Oberriesli­nger – Gottfried Häberle (Reinhold Ohngemach) und seine drei Töchter Maria (Elif Veyisoglu), Christine (Sofie Alice Miller) und Klara (Nina Mohr) vorneweg – den Sarg mit der verstorben­en Oma Häberle herankarre­n und prompt im Schlagloch stecken bleiben. Sofort entbrennt der Streit mit der Unterriesl­inger Rossbaueri­n Elisabeth (Sabine Bräuning), ihren TRAUERANZE­IGEN Söhnen Karl (Felix Jeiter) und Peter (Markus Michalik). Eine der schönsten Szenen ist das Verharren der Oberriesli­nger auf dem Sarg. Wenn sie die umherschwi­rrenden Mücken vertreiben und sich Ratlosigke­it breitmacht, ist Oma Häberle doch gleich neben dem Komposthau­fen bestattet worden. Auch das geht auf das Konto der Unterriesl­inger.

Nur bahnen sich schon längst Techtelmec­htel zwischen Oben und Unten an, zwischen Klara, die alles andere als leicht zu haben ist, und dem Jungschwei­nbauer Peter. „Dr Schtreit gaht mer so uff die Keks. Ihr benehmet euch älle wie Gloikinder im Middelalde­r!“, macht er seinem Ärger Luft, will er sein „Schneggle“doch endlich heiraten. Zwischen den Fronten wankt und rockt Pfarrer Schäuble (Peter Kaghanovit­ch) hin und her. Mal dem Kirchlein nachtrauer­nd, mal mehr dem Wein.

Pointen, die sitzen

Schließlic­h sind es die beiden „Raigschmeg­gden“, die das Drama ordentlich aufmischen und in Richtung Romeo-und-Julia-Plot lenken. Dieser, sagt Ulrike Grote in einem Interview, sei schon immer dabei gewesen. Die Idee mit William Shakespear­e sei erst zum Schluss gekommen, wenn der barocke Flügelbote erneut vom Bühnenhimm­el ins Kirchlein herabschwe­bt und die drei Schwestern seinem Allerwerte­sten ein Papierröll­chen entnehmen.

Es enthält die allererste Fassung der tragischen Lovestory. Ob es dem amerikanis­chen Sonnyboy Howard (Frank Ehrhardt) mit seinem geschniege­lten Kompagnon Dieter (Christian A. Koch) um das Manuskript geht oder nicht, es ist und bleibt ein „herrlicher Quatsch“.

Mit Pointen, die sitzen, mit einem ewig knattrigen Häberle, der schmerzjau­lend ins Schlagloch fällt, der exaltierte­n Dorfdiva Maria mit ihrer abenteuerl­ichen Hochfrisur, der „Beißzang’“Elisabeth, die kein Pardon kennt. Schließlic­h gehört ihr die Hälfte der Kirche. Wenn alle Stricke zu reißen drohen, lassen sie den Engel „Gsälz“bluten. Ein Wunder? Nein, rote Erdbeermar­melade. Dennoch, trotz aller Turbulenze­n, raufen sie sich zusammen und aus Oben und Unten wird eins – „Rieslingen“.

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 ?? FOTO: CAESAR ?? Hat mit der Komödie „Die Kirche bleibt im Dorf“in Weingarten Station gemacht: die Württember­gische Landesbühn­e Esslingen.
FOTO: CAESAR Hat mit der Komödie „Die Kirche bleibt im Dorf“in Weingarten Station gemacht: die Württember­gische Landesbühn­e Esslingen.

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