Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Gemeindehaus will Begegnungsort werden
Nach einjährigem Umbau ist das Martin-Luther-Gemeindehaus feierlich wiedereröffnet
WEINGARTEN - Mit einem Festwochenende samt Baumpflanzen und Tag der offenen Tür hat die Evangelische Kirchengemeinde Weingarten unter Anteilnahme der Bevölkerung die Wiedereröffnung ihres umgebauten Gemeindehauses bei der Stadtkirche in der Abt-Hyller-Straße gefeiert. Neben den Gemeinderäumen ist auch ein Kindergarten dort untergebracht. Bei einer Feierstunde am Samstag betonten die Festredner um Pfarrer Stephan Günzler die Offenheit des Hauses. Über kirchliches Leben hinaus seien auch Menschen anderer Religionen und Kulturen willkommen. Die Kirche wolle damit einen Beitrag zum Zusammenhalt der Stadtgesellschaft leisten.
„Im Gemeindehaus sind offene Türen“, singt der Gospelchor im Bauarbeiterlook und gibt so den Ton vor, den die Festredner bei der Wiedereröffnung des Gemeindehauses aufgreifen werden. Ein volles Haus beschert der Evangelischen Kirche Weingarten, zu der Berg und Schlier gehören, dieser freudige Anlass. Auch Prominenz aus Gesellschaft und Politik füllt die Bankreihen. Architekt Wolfgang Metzger geht auf die offene Bauart des Hauses ein, das sich mit Fensterfronten zur Kirche hin öffnet. Zusammengehalten werde das Ensemble vom alles verbindenden Kirchplatz.
Metzger blickt zurück auf die einjährige Umbauphase und die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Bauherren, Planern, Handwerkern und Baubehörde. Der Nordteil des Winkelhauses mit unterschiedlich großen Räumen wurde abgerissen und neu gebaut, der Ostflügel, wo Kindergarten und großer Gemeindesaal untergebracht sind, von Grund auf saniert. Alle Räume sind jetzt barrierefrei nutzbar, die Geschosse über einen Aufzug erreichbar, der Brandschutz ist nachgebessert. Oberbürgermeister Markus Ewald gratulierte vonseiten der weltlichen Gemeinde, die im Übrigen den Löwenanteil am Kindergartenumbau stemmte. In Zeiten, in denen andere Kirchen schließen, sei der Bau eine mutige Entscheidung. Die evangelische Kirche habe ein neues Zentrum im Herzen der Stadt geschaffen.
Neue Räume böten neue Chancen. Er wünscht dem Haus, dass es ein Ort der Begegnung für alle werde, die in Weingarten leben, unabhängig, wie lange sie schon hier wohnen und welcher Religion sie angehören. Das Haus habe sich überdies bereits geöffnet für andere Religionsgemeinschaften wie beispielsweise die rumänisch-orthodoxe Gemeinde. Und auch die Vesperkirche werde in Weingarten ab 2020 wieder ihre Tore öffnen. „Das sind alles wichtige Bausteine für eine inklusive Stadtgesellschaft.“
Auch Dekan Friedrich Langsam vom Kirchenbezirk Ravensburg setzt auf die Ausstrahlung des Hauses in die ganze Stadt. Es solle über kirchliches Gemeindeleben hinaus Heimat für viele werden, wo sie Kraft, Tröstung und Orientierung erfahren. Wie Martin Luther, dessen 535. Geburtstag am Tag der Einweihung gefeiert wurde, wünscht sich Langsam Menschen, die als „lebendige Steine“am Reformprojekt weiterbauen. Was ganz im Sinne des Bauherrn Pfarrer Stephan Günzler ist, der allen Beteiligten und den mehr als 300 Gönnern dankt, die in vielen Aktionen bislang 180 000 Euro des geforderten Spendenanteils von 200 000 Euro aufgebracht haben. Für die Ausstattung der Räume fallen dann noch mal 90 000 Euro an. Insgesamt hat der Umbau 1,8 Millionen Euro gekostet. Gemäß dem geflügelten Wort von Luther: „Wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“, wird im Anschluss an die Feierstunde einer der vier von den Planern gespendeten Vogelkirschbäume auf dem Kirchplatz gepflanzt.
Und nachdem die Kindergartenkinder das rote Band durchschnitten haben, flutet die Festgemeinde die neuen Räume. Nimmt teil an dem vielfältigen Programm, das sich noch bis zum nächsten Wochenende hinzieht, einschließlich Theater, Briefmarkenausstellung und Nachmittag der Begegnung mit ökumenischen Gästen am kommenden Sonntag.