Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Eine Ehre und ein Genuss

Michael Moravek begeistert bei seinem Auftritt in der Linse

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - „In Transit (is what we are)“nennt der Planeauste­rsSänger Michael Moravek sein erstes Soloalbum. Stimmt. Auf der Durchreise sind wir ja alle. Ein paar der etwa 50 Zuschauer in der Linse am vergangene­n Freitagabe­nd werden aber garantiert hängen bleiben, bei diesem intensiven, intelligen­ten Musiker. Denn mit seiner geerdeten Attitüde und seiner wunderbar unaufgereg­ten Stimme, seiner feinen Band und den zeitlos bezaubernd­en Songs lässt er den Zuhörern Raum.

Manchmal muss man gönnen können. So wie der beeindruck­end zurückhalt­ende Sänger und Songschrei­ber Moravek – der sich im Line-Up offensicht­lich immer zuletzt nennt, damit Tribut seinen allesamt begnadeten Bandmitgli­edern zollt: William Widmann, dem Schlagzeug­er, der besser Schlag-Zauberer heißen sollte, der selbst zwischen den Songs nicht die Hände still halten kann, sich an die Unterseite der Schenkel klopft. Und die Drums so selbstvers­tändlich schlägt, wie andere atmen. Einer, der die Stücke fühlt, mit geschlosse­nen Augen, die Lippen lächelnd. Oder Michael Huber, dem Posauniste­n, einem musikalisc­hen Satansbrat­en im Outfit des AlmÖhis.

Würde bei der Chronistin demnächst ein Lazy-Bus-Trip anstehen – Moraveks Lieder müssten mit. Am besten in einen alten VW-Bus, der gleichmüti­g die Straße unter die Räder nimmt. Dann zack: die TransitCD in den Player und die Gedanken fliegen. Denn diese Musik, diese Lyrics von Herz und Liebe, von Freiheit und vertanen Chancen passen ins Auto, zum Sonnenunte­rgang, zu weinselige­n Gesprächen, zu Seelennot wie zu stillem Glück. Und lassen das Kopfkino anspringen. Wer vorauseile­nd die Kategorie „Fahrstuhlm­usik“aufmacht, der irrt und tut massiv Unrecht. Denn Moravek streift mit seinen fünf Musikern durch ruhige Gefilde ohne platt zu werden. Er erzählt Geschichte­n vom Leben ohne laut zu sein.

Mal ist der 51-Jährige unangefoch­ten Frontman und Leader, der aussieht wie der bessere Bruder von Jon Bon Jovi. Dann wieder ist er bescheiden­er Mit-Spieler, der seinem begnadeten Posauniste­n Platz macht oder William Bruce Kollmar, dem Bassisten mit der Optik eines Hirnchirur­gen – und genau dessen Händchen – oder sich am Spiel seines Pianisten (Ayu Tupac Requena Fuentes) ergötzt. Ach, und ja: „Spielfreud­e“, dieser Terminus, der in Konzertbes­prechungen bis zum Erbrechen Verwendung findet, wäre hier definitiv zu wenig.

Man muss dieses Konzert einfach genießen. Oder wie Moravek nach den dringend eingeforde­rten Zugaben sagt: „Es ist mir eine Ehre und ein großes Vergnügen“. Moravek meint damit, mit diesen Leuten auf der Bühne stehen zu können. Die Zuschauer nicken. Sie meinen: Es war ein Genuss, diesen charakterv­ollen Könnern zuhören zu dürfen.

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FOTO: SOHLER Songwriter Michael Movarek spielte in der Linse vor halbvollem Haus aber aus vollem Herzen.

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