Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Pegel niedrig, Preise hoch
Niedrigwasser treibt Kraftstoffpreise weiter hoch – Rheinschifffahrt vor dem Kollaps – BASF stoppt Kunstoffproduktion
RAVENSBURG - Wie ernst die Lage entlang des Rheins inzwischen ist, zeigt eine Mitteilung der Badischen Anilin- und Sodafabrik: „Die BASF stoppt TDI-Produktion in Ludwigshafen“– des Niedrigwassers wegen. Trotz Ausschöpfung aller Alternativen könnten nicht alle Rohstoffe transportiert werden, die zur Herstellung von Toluoldiisocyanat (TDI) – ein Vorprodukt von Kunststoff – benötigt werden.
Doch nicht nur Zulieferprodukte für den Chemie-Konzern kommen per Binnenschiff über den Rhein, sondern auch ein Großteil von Kraftstoffen für den Süden Deutschlands. Und die Probleme beim Transport von Benzin und Diesel lassen die Spritpreise ansteigen – und das seit Wochen.
Die Miro-Raffinerie, die wichtigste Raffinerie für Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und nach dem Brand in der Raffinerie bei Vohburg auch für Teile Bayerns, habe im Oktober, das sind die aktuellsten Zahlen, 1600 Tankwagen eingesetzt, zwölf Prozent mehr als im Monat ein Jahr zuvor, wie Alexander von Gersdorff, Sprecher des Mineralölwirtschaftsverbands, sagt. Der Norden und der Osten der Republik dagegen hingen nicht in diesem Maße von der Binnenschifffahrt ab – „da geht alles über Land“. Im Vergleich zu einem Tankschiff koste der Transport auf der Schiene in Kesselwagen etwa zweibis dreimal soviel, auf der Straße per Tanklaster etwa fünfmal soviel, wie das „Handelsblatt“schreibt. Durchaus plausibel, sagt Reinhard Lankes, vom Deutschen Speditions- und Logistikverband. Zudem seien die Transportkapazitäten seit einem Jahr knapp. Ein Grund sei der allgegenwärtige Personalmangel. Und saisonal bedingt zu Beginn der Heizperiode arbeiten viele Logistiker und Spediteure bereits an der Kapazitätsgrenze.
Selbst die Schiffe, die mit aktuell bis zu 85 Prozent weniger Ladung auf dem Rhein unterwegs sind, brauchen für ihre Strecken länger als normal, wie Erwin Spitzer vom Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt erklärt. „Es wird jetzt sehr oft Kolonne gefahren. Bei einer schmalen Fahrrinne ist der Schiffer vor unter der Wasseroberfläche verborgenen Hindernissen sicher. Überholen ist problematischer als bei Normalwasser. In der Kolonne bestimmt der erste die Fahrgeschwindigkeit.“ Staatliche Ausgleichszahlungen für die Binnenschiffer, wie für Landwirte nach einem massiven Ernteausfall, wären zwar wünschenswert, gebe es allerdings nicht. Die Auftraggeber würden Zuschläge zahlen, die allerdings die Einbußen nicht kompensieren, sagt Spitzer.
Es sei eine ungewöhnliche Situation, sagt Ingo Seeligmüller, Sprecher des Verbands für Energiehandel Südwest-Mitte. Viele Faktoren kämen hierbei zusammen, wie die Verknappung des Angebots wegen des Raffineriebrands. Niedrigwasser habe es immer wieder gegeben, was sich auch auf die Preise von Benzin und Diesel ausgewirkt hat – allerdings immer nur für ein bis zwei Wochen, erklärt er. Das habe man schnell wieder vergessen. Das aktuelle Niedrigwasser hält nun aber schon lange an.
Gravierende Einschränkungen
Die derzeitigen Einschränkungen für die Schifffahrt seien viel gravierender als es beispielsweise im Winter vorkomme, teilt Claudia Thoma von der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt mit. Der Rhein war demnach zuletzt 1963 zugefroren. Sehr viel häufiger zugefroren seien die staugeregelten Flüsse wie zuletzt 2012 Mosel und Neckar oder auch der Main. Kanäle, wie der Main-Donau-Kanal, seien in den Wintermonaten häufig zugefroren – so auch Elbe und Oder. Die einzigen Einschränkungen für die deutsche Binnenschifffahrt seien in der Regel Hochwasser zwischen Dezember und Februar.
Im Nachbarland Österreich ist die Lage nicht ganz so dramatisch. „Wir haben seit Wochen einen konstanten Preis“, sagt Christoph Capek, Geschäftsführer des Fachverbands Mineralölindustrie Österreich. Doch dass die Preise in Österreich nicht parallel zum Rohölpreis sinken, zeige die Logistikprobleme. Dass die Preise nicht wie in Deutschland weiter steigen, liege demnach daran, dass Österreich auch auf Märkte ohne Transportschwierigkeiten zurückgreife: Öl-Produkte wie Benzin und Diesel werden zwar zu 70 Prozent aus Deutschland importiert, weitere Importe stammen aber aus Slowenien und Italien.
Dennoch bleibt ein Rest Ungewissheit, ob die hohen Preise für Benzin und Diesel allein auf die Logistikprobleme zurückzuführen sind – zumindest wenn man den ADAC fragt. „Für das Ausmaß des Preisanstiegs und das steigende Preisniveau insgesamt ist das Niedrigwasser keine hinreichende Erklärung“, teilt der Verkehrsklub mit. „Das Bundeskartellamt“, wie ein Sprecher auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“sagt, „beobachtet die Benzinpreise genau und sieht derzeit keinen Anlass für ein Verfahren.“