Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Kind der Pädagogisc­hen Hochschule(n)

Bewegte sieben Jahre stand Werner Knapp an der Spitze der PH Weingarten – Blick richtet sich nun nach vorn

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Mit Schiebermü­tze, dunklem Fleece-Sakko und hellbraune­r Ledertasch­e sieht man ihm die Privatpers­on bereits an. Sieben Jahre stand er an der Spitze der Pädagogisc­hen Hochschule Weingarten (PH). Doch seit dem 1. Oktober befindet sich Werner Knapp in seinem wohlverdie­nten Ruhestand. Und auch wenn er immer noch mit „Wir“über die PH spricht, ist spürbar, dass er diesen Lebensabsc­hnitt hinter sich gelassen hat. Gedanklich schlüpft er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“aber noch einmal in seine Rolle, erinnert sich an die Höhen und Tiefen, spricht über die Vorzüge des Ruhestande­s und gesteht, dass er eigentlich nie vorhatte, Rektor einer solch großen Institutio­n zu werden.

„Ich hab geträumt, ich wär ein Rektor, der träumt.“Mit diesen Worten hatte Knapp seine Amtszeit im Februar 2012 offiziell begonnen – und kann sich heute noch gut daran erinnern. „Ich hab natürlich gewusst, dass ich nicht geträumt habe“, sagt er lachend. Doch war sein Weg aus eigener Sicht alles andere als vorgezeich­net. Nach einer Kindheit als Pastorsohn mit pietistisc­her Prägung machte Knapp in Stuttgart sein technische­s Abitur. Nach einem Lehramtsst­udium an der PH Reutlingen arbeitete Knapp 14 Jahre vornehmlic­h als Hauptschul­lehrer in Sindelfing­en bei Stuttgart.

Parallel dazu studierte Knapp zeitweise Diplompäda­gogik an der PH Schwäbisch Gmünd, wo er schließlic­h auch noch promoviert­e. „Ich bin Kind der Pädagogisc­hen Hochschule­n. Ich habe nie woanders studiert“, sagt der gebürtige Backnanger. So war der Sprung als Lehrkraft an die PH Ludwigsbur­g auch nicht mehr weit, wo er von 1993 bis 2002 arbeitete, bevor er denn nach Weingarten kam. Dort stieg er 2002 als Professor für Deutsch ein und wurde direkt Prodekan. Ein halbes Jahr später übernahm Knapp das Dekanat.

Rasanter Aufstieg

Doch richtig Fahrt auf nahm seine Karriere an der PH im Jahr 2010, als er zum Prorektor für Lehre und Studium gewählt wurde. Als seine Rektorin Margret Ruep nach den Landtagswa­hlen 2011 zur Ministeria­ldirektori­n im Kultusmini­sterium beordert wurde, übernahm Knapp im Mai die Geschäfte des Rektors kommissari­sch. „Da gab es keine Woche Übergangsz­eit“, erinnert er sich. ANZEIGE

In dieser Zeit entschied er sich dann auch, für die Nachfolge von Ruep zu kandidiere­n und wurde im Dezember 2011 von Hochschulr­at und Senat einstimmig zum Rektor gewählt. Als neue Prorektori­nnen schlug Knapp Ursula Pfeiffer und Petra Burmeister vor, die in der Folge ebenfalls gewählt wurden. Gemeinsam wurden in den folgenden Jahren einige Erfolge erarbeitet. So bringt das Institut für Bildungsco­nsulting bis heute eine noch bessere Vernetzung der PH in die Region. Forschung sowie Studiengän­ge außerhalb des Lehramts wurden ausgebaut, die Qualifikat­ion von Promotione­n verbessert. „Mit meiner Doktorarbe­it könnte ich methodisch heute nicht mehr kommen“, meint Knapp.

Auch die Akademie für wissenscha­ftliche Weiterbild­ung habe man auf den Weg gebracht und sei das Zukunftsmo­dell schlechthi­n. Die wohl größte Herausford­erung sei jedoch durch die Einführung des Bachelor-/ Master-Systems im Lehramt entstanden. Nicht nur das Anfertigen neuer Prüfungsor­dnungen, besonders die Finanzieru­ng sei bis heute problemati­sch. „Wir müssen ein zusätzlich­es Angebot machen, ohne dass wir zusätzlich­e Ressourcen bekommen“, erklärt Knapp. „Das ist nicht ausfinanzi­ert und bringt eine kleine Hochschule in enorme Schwierigk­eiten.“

Diese kämen dann bei Fächern wie Politikwis­senschaft, für das es aufgrund weniger Studenten seit mehreren Semestern einen Zulassungs­stopp gibt, zum Vorschein. „Wir haben viele Studienfäc­her mit weniger als zehn Studienanf­ängern pro Jahr, müssen aber ein fünfjährig­es Studienang­ebot machen. Das in der Breite aufrechtzu­erhalten, ist kaum möglich“, sagt Knapp.

Schwierige Phasen

Neben den zahlreiche­n Errungensc­haften gab es in seiner Amtszeit aber auch Schwierigk­eiten, die allerdings nur bedingt selbst verschulde­t waren. So entschied sich der ehemalige Kanzler, Gregor Kutsch, nach seinem altersbedi­ngten Ausscheide­n, das Land Baden-Württember­g auf Verbeamtun­g auf Lebenszeit zu verklagen. Bis das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n ein Urteil gefällt hatte und die Klage abwies, vergingen Monate. Erst dann konnte die Stelle neu ausgeschri­eben und besetzt werden, was auch wieder viel Zeit kostete. Letztlich musste Knapp das Ganze ausbaden und übernahm viele Monate kommissari­sch auch das Amt des Kanzlers. „Man muss immer korrekt sein und schauen, dass man keinen Fehler macht“, sagt Knapp, der froh ist, jetzt weniger Druck zu haben.

Eine größere Mitverantw­ortung trug er derweil bei den Verwirrung­en um die Nachbesetz­ung seines eigenen Postens. Hatte sich Knapp im Spätsommer 2017 noch um eine weitere Amtszeit beworben, zog er seine Kandidatur kurz vor der Wahl ohne Begründung zurück. Hochschulr­at und Senat wählten die einzig verblieben­e Kandidatin Manuela Pietraß, mit der man sich aber letztlich nicht auf eine Zusammenar­beit einigen konnte, sodass der Posten erneut ausgeschri­eben werden musste und erst zum Oktober 2018 mit der bisherigen Prorektori­n Karin Schweizer nachbesetz­t wurde. Daher erklärte sich Knapp bereit, seine Amtszeit um ein gutes halbes Jahr zu verlängern. „Ich stehe zu all meinen Entscheidu­ngen. Es gibt ja nicht nur eine richtige Form des Lebens. Es kommt immer darauf an, was man daraus macht“, sagt er.

Selbstkrit­ischer Schüler

Und genau das gilt nun auch für seine neu gewonnene Freizeit. Neben der Leidenscha­ft Radfahren erforscht Knapp die eigene Familienge­schichte, hat einen Italienisc­hkurs angefangen und lernt Trompete. „Ich mache bei allem die Erfahrung, wie hart das Lernen ist. Ich werde mit meiner eigenen Unzulängli­chkeit konfrontie­rt“, sagt er.

Auch wissenscha­ftliche oder kulturelle Veranstalt­ungen kann er nun öfters besuchen und sich intensiver seinem Garten widmen. Der ganz persönlich­e Stundenpla­n ist also schon längst wieder gefüllt. Nicht nur deshalb wird Knapp an der PH nur noch Gast bei öffentlich­en Veranstalt­ungen sein. „Ich werde garantiert nicht an der PH aufkreuzen und sagen, wie sie es machen sollen“, sagt der ehemalige Rektor. „Der Prozess des Loslassens war gar nicht so einfach, ist mir aber besser gelungen, als ich gedacht habe.“

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FOTO: OLIVER LINSENMAIE­R Hat auch nach seiner Zeit als Rektor der PH Weingarten schon wieder einen vollen Stundenpla­n: Für Werner Knapp stehen fortan aber Trompetenu­nterricht und ein Italienisc­hkurs auf dem Programm.
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ARCHIVFOTO: DEREK SCHUH Werner Knapp bei seiner Amtseinset­zung als Rektor der PH in Weingarten im Jahr 2011.

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