Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Pierre-Paul Ulmer und das Rutenfest
Karl Bott, legendärer „Vater der Volksschultrommler“(1914 bis 1963) erlebte anlässlich des ersten Nachkriegsrutenfestes 1947 eine besondere Anekdote mit Pierre-Paul Ulmer, Chef der französischen Militärverwaltung mit Sitz in Ravensburg.
Botts Trommlerkorps marschierte am Nachmittag des Rutenmontags zur Kuppelnau, vorbei am Gesellenhaus, seinerzeit requiriert von der Besatzungsmacht. Empört beobachtete Karl Bott, beruflich als selbständiger Schuhmachermeister in der Südstadt tätig, wie junge französische Soldaten seine Trommlerknaben mit Steinen und Schmutz bewarfen. Ohne viel Zeit zu verlieren, sprach Karl Bott bei Gouverneur Pierre-Paul Ulmer vor und beklagte sich über das Verhalten der Besatzungssoldaten. Diese habe sich Ulmer sofort vorgeknöpft und sie mit einem zweistündigen Strafexerzieren im unteren Teil der Kuppelnau vor den Augen der Ravensburger Bevölkerung bestraft, die mit großer Freude und Bescheidenheit das erste Rutenfest der Nachkriegszeit feierte, erinnert sich Karl Botts Sohn Martin noch gut.
Dass nach acht Jahren Unterbrechung und nach nur zweimonatiger Vorbereitungszeit das Rutenfest wieder gefeiert werden durfte, war ebenfalls Pierre-Paul Ulmer zu verdanken, der sich darüber mit Ravensburgs Oberbürgermeister Dr. Albert Sauer verständigt hatte. Weil viele Kostüme, Requisiten und Wagen dem Krieg zum Opfer gefallen waren, zogen viele Klassen mit ihren Lehrern notgedrungen im Sonntagskleid oder -anzug durch die Stadt. „Viele erlebten dieses noch von vielfältigem Mangel gekennzeichnete Rutenfest umso intensiver“, schreibt Alfred Lutz im vergriffenen Buch „Das Ravensburger Rutenfest“.