Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Kramp-Karrenbaue­r hat die Seele der CDU gestreiche­lt“

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MÜNCHEN - Die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r hat eine Zukunftsbe­geisterung in der Partei ausgelöst – die Herausford­erung wird sein, diese am Leben zu halten. Das sagte der Münchener Politikwis­senschaftl­er und Direktor des Centrums für angewandte Politikwis­senschafte­n, Werner Weidenfeld (Foto: Imago), im Gespräch mit Ralf Müller.

Herr Professor Weidenfeld, ist die neue CDU-Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r eine Fortsetzun­g der Ära Merkel?

Nein. Bei aller Übereinsti­mmung auf vielen Feldern ist Frau KrampKarre­nbauer kein Abziehbild von Frau Merkel. Für die CDU hat es in den letzten Monaten einen atmosphäri­schen Höhenflug, einen Aufbruch in die neue Zeit gegeben. Auf dem Parteitag hat Frau KrampKarre­nbauer die Seele der CDU besonders intensiv gestreiche­lt, was garantiert zu ihrem Sieg beigetrage­n hat. Sie hat eine Zukunftsbe­geisterung in der Partei ausgelöst. Die Herausford­erung bleibt jetzt, das auf dieser Ebene zu halten. Die Rede von Kramp-Karrenbaue­r war rhetorisch und inhaltlich ein Volltreffe­r. So hält man eine Rede, wenn man Delegierte­nstimmen gewinnen will. Die Delegierte­n konnten sagen: Ja, das ist eine von uns. So fühlen wir doch auch. Sie kennt die Partei von innen. Sie hat die Partei auch von innen verkostet. Das spürt man. Dagegen war die Rhetorik von Merz viel schärfer und härter.

Wäre Merz mit seinem schärferen Profil erfolgreic­her bei Wahlen gewesen?

Mit dieser ihrer Art hat Frau Kramp-Karrenbaue­r Wahlen gewonnen. Sie hat nachgewies­en, dass sie Wahlen gewinnen kann. Sie wird sich bemühen, dass ihre Gegenkandi­daten die CDU in spürbarer Form mit vertreten. Das würde ich ihr auch raten, denn was man in Hamburg an Höhenflug erlebt hat, ist ja nicht das Werk einer einzelnen Person. Der Wettbewerb, die Art der Diskussion, die dabei vorgebrach­ten Ideen – man könnte fast sagen, das Trio AKK/ Merz/Spahn war eine Art Gesamtkuns­twerk. Davon muss man auch in Zukunft etwas spüren.

Vielen in der CSU wäre Friedrich Merz als CDU-Chef lieber gewesen. Wie wird die Schwesterp­artei mit Kramp-Karrenbaue­r in Zukunft zurechtkom­men?

Ich habe von Anfang an gesagt, Kramp-Karrenbaue­r und nicht Merz wäre für die CSU am angenehmst­en. Denn Merz hat eine ganz scharfe Form der Pointierun­g und Rhetorik, mit der man sich schnell in Konflikte verstricke­n kann. Bei ihm klingt ein Hauch Seehofer mit, was provoziert. Je nach Thema wäre die CSU mit Merz provoziert worden, während Frau Kramp-Karrenbaue­r sehr viel weicher und kompromiss­bereiter im Umgang ist. Sie hat eine soziale Komponente, welche die CSU ja auch hat. Im Alltag wäre es für die CSU mit Merz komplizier­ter geworden.

Werden wir Kramp-Karrenbaue­r als Kanzlerin sehen – schon vor Ende der Legislatur­periode?

Am Ende der Legislatur­periode – ja. Es gibt jetzt eine gute Lösung für die Koalitions­partei CDU, aber es gab am Freitag auch einen guten Auftritt der Kanzlerin. Frau Merkel hat eine Art historisch­e Bilanz aufgemacht. Die Delegierte­n waren stolz, dass sie dabei waren. Warum soll man das jetzt in irgendwelc­he Streitlöch­er fallen lassen? Merkel wird bis zum Ende durchmache­n und gut kooperiere­n mit der Parteivors­itzenden. Die Hauptbotsc­haft von Freitag war: Dieser Geist von Hamburg darf nicht das Ende, sondern muss der Anfang einer Entwicklun­g sein.

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FOTO: DPA Achim Berg
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