Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Antiquariat am Mehlsack schließt
Alte Bücher werden bei der Arkade-Pauline gGmbH zu neuen Produkten verarbeitet
RAVENSBURG - Mit Antiquariaten ist Ravensburg nicht gerade reich gesegnet. Kurz vor Weihnachten schließt nun auch das Antiquariat am Mehlsack in der Marktstraße 12.
Inhaber Andreas Kleemann macht seinen Laden zum 22. Dezember dicht. In Zukunft will er seine alten Bücher nur noch über einen Online-Handel vertreiben. Ein Trend, der sich im Antiquariatswesen bundesweit abzeichnet. Denn: Jüngere Menschen interessieren sich in der Regel kaum noch für alte Bücher, Antiquariaten fehlt die Laufkundschaft, die Stammkundenzahl aber ist gering. „Es geht weiter, ich bleibe optimistisch“, sagt Andreas Kleemann. „Es ist nur schade, dass ich künftig keinen persönlichen Kontakt mehr zu meinen Kunden haben werde.“
Bücher, die Kleemann nicht mehr aus seinem Ladengeschäft in der Marktstraße 12 ausziehen will, gibt er an soziale Einrichtungen ab. Auf diesem Weg gelangten auch Bücher aus dem Antiquariat am Mehlsack zum EU-Projekt „Arbeit im Fokus“, an dem in Ravensburg die ArkadePauline 13 gGmbH teilnimmt. Die Initiative, die bis Ende 2020 läuft, hat zum Ziel, Langzeitarbeitslose wieder in eine sozialversicherungspflichtige Arbeit zu bringen. Die Teilnahme ist freiwillig.
Im Rahmen des Projekts „Arbeit im Fokus“gibt es bei der ArkadePauline das Modul „Fokus 13“, entwickelt von Corinna Waffender. „Fokus 13“ist ein Übungsbetrieb, bei dem die Teilnehmer drei Monate lang ein Arbeitsplatztraining durchlaufen. Und da sind wir wieder bei den gebrauchten Büchern, die Andreas Kleemann (wie auch die Stadtbücherei) spendeten. Die Projektteilnehmer sollen diese in Eigenregie, aber unterstützt, upcyceln und somit neue Bücher herstellen. Entweder als Notizbuch, als Geschenk – oder als außergewöhnlich gestaltete Mappe zur Bewerbung um ein Praktikum oder einen Job.
„Offen gesagt: Viele Langzeitarbeitslose können mit ihren Lebensläufen nicht gerade glänzen“, sagt Rainer Knausberg, der gemeinsam mit Katrin Kugelmeier und Bereichsleiter Sebastian Rösch „Fokus 13“begleitet. Darum sei es umso wichtiger, mit einer frei gestalteten Bewerbungsmappe zu überzeugen. Ein Ziel des Übungsbetriebs sei daher, dass jeder Teilnehmer am Ende eine individuelle Mappe vorweisen kann.
In der Praxis sieht das so aus: Die Deckel des alten Buchs werden vom Rest abgetrennt. Wer möchte, kann sie mit Tapetenpapier bekleben oder anderweitig gestalten. Passend wird Papier zugeschnitten, um zwischen den Deckeln ein neues Buch entstehen zu lassen, anschließend folgen eine Lochung und eine Ringheftung, wie vielfach bei Notizbüchern verwendet. Wer das Endprodukt nicht verschenken oder anderweitig nutzen möchte, kann daraus eine Bewerbungsmappe machen.
Bei „Fokus 13“geht es aber nicht nur um Buchproduktion, sondern vor allem ist das Modul ein Arbeitsplatztraining. Denn: Viele Langzeitarbeitslose haben ihre Tagesstruktur verloren; vermeintlich Selbstverständliches wie Pünktlichkeit oder Sorgfalt müssen erst wieder erlernt werden. Meist fehlt es auch an Selbstbewusstsein. Anders ausgedrückt: Die Frauen und Männer nehmen ihre eigenen Fähigkeiten nicht mehr wahr.
Der nächste „Fokus 13“-Übungsbetrieb startet im Frühjahr. Das Teilnehmerinteresse ist groß. Nicht zuletzt, da einige Teilnehmer von dem vorigen Kurs erheblich profitiert haben. Bereichsleiter Sebastian Rösch: „Einige bekamen dadurch einen Zugang zu externen Praktika oder die Aussicht auf einen Job.“
Infos über das Projekt gibt es unter www.arbeit-im-fokus.de. Kontakt dahin gibt es über die Jobcenter sowie direkt unter 0751 / 366300 oder info@arkadepauline.de