Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Stadt schafft Wohnraum in bester Lage
Durch Gesetzesänderung: Flächen unterhalb der Basilika in Richtung Scherzach werden umgewandelt
WEINGARTEN- Der Technische Ausschuss der Stadt Weingarten hat in seiner jüngsten Sitzung den Weg für zusätzlichen Wohnraum in bester innerstädtischer Lage frei gemacht. Die abgeordneten Stadträte haben einer entsprechenden Sitzungsvorlage einstimmig zugestimmt. So kann die Stadt nun vier Flächen unterhalb der Basilika in Richtung Scherzach von einem sogenannten Kerngebiet, welches vornehmlich dem Einzelhandel und Dienstleistungen zugedacht war, in ein Urbanes Gebiet umwandeln. Das wiederum erlaubt es, einen deutlich höheren Anteil an Wohnraum auf den Flächen zu verorten. In der Summe könnte das mehrere 1000 Quadratmeter zusätzlichen Wohnraum schaffen.
Denn aktuell erstrecken sich die innerstädtischen Kerngebiete auf rund 32 000 Quadratmeter. Allerdings verteilen sich die Flächen auf mehrstöckige Gebäude. Die geplante Umwandlung betrifft 12 000 Quadratmeter. 20 000 Quadratmeter bleiben definitiv als Kerngebiete erhalten. Doch werden auch nicht alle der 12 000 Quadratmeter an umgewandelter Fläche für Wohnraum genutzt werden können. Daher ist eine genaue Größe aktuell schwer zu nennen. Zudem werde die Umwandlung noch eine ganze Weile dauern, teilt die städtische Pressestelle auf Nachfrage mit. Da das Jahr 2019 von der Neuplanung des Schuler-Areals bestimmt sein wird, könne wohl erst ab 2020 mit dem Bebauungsplanverfahren zur Änderung des Gebietstyps begonnen werden.
Doch ist es laut Stadtverwaltung ohnehin nicht das primäre Ziel, neuen Wohnraum zu schaffen. Vielmehr wolle man sich mehr Flexibilität verschaffen, erklärte Stadtplaner und Abteilungsleiter Jens Herbst in der Sitzung. „Damit haben wir bessere Möglichkeiten. Das Kerngebiet ist nicht der richtige Baugebietstypus“, sagte er und verwies darauf, das Kerngebiete in den 1970er- und 1980er-Jahren mehr Sinn gemacht hätten. Bei der aktuellen Maßnahme profitiert die Stadt dabei von einer Novellierung der sogenannten Baunutzungsverordnung (BauNVO) aus 2017, die eine Umwandlung von Kerngebieten in Urbane Gebiete zulässt. In diesen Gebieten muss die Nutzung zwischen Einzelhandel und Wohnen nicht gleich verteilt sein. Es darf sogar mehr Wohnraum geben. „Das hat den Vorteil, dass man nicht an ein Verhältnis gebunden ist“, erklärte Stadtplaner Thomas Pommer.
Tatsächlich ist die Umwandlung in einigen Bereichen schon längst überfällig. Denn sowohl östlich der Ochsengasse wie auch an der Wilhelmstraße 16 bis 20 ist der Anteil von Wohnungen schon längst deutlich höher als eigentlich im Kerngebiet erlaubt beziehungsweise als Fläche in sich zu klein. Denn die Kerngebiete sollen primär der „Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur“dienen, wie es in der BauNVO heißt. Pommer konkretisierte: „Wohnen ist auch zugelassen, aber eben nicht prägend. Prägend muss der Einzelhandel sein.“
Besonders kritisch sieht es am Sternenplatz aus. Diese als Kerngebiet ausgewiesene Fläche ist zwar weitestgehend unbebaut. Tatsächlich wird hier irgendwann aber sicher eher Wohnraum als Einzelhandel entstehen. Doch gerade weil das Grundstück in so zentraler Lage bereits schon so lange brachliegt, stört Udo Mann. „Das tut wirklich weh, wenn man das sieht“, sagte er und fragte, ob man da nicht etwas machen könne. „Wir können keine Privatperson zwingen, etwas zu machen“, antwortete Herbst. „Diese Verhandlung möchte ich nicht vor dem Verwaltungsgericht führen müssen. Da werden wir abgestraft.“
Interessante Randnotiz: Gerade in diesem Bereich besitzt auch die Stadt kleinteilige Flächen, die in der Summe allerdings nur rund 300 Quadratmeter groß sind. Ob dieser Aspekt, genau wie immer wiederkehrendes Interesse an den Flächen aus der Bevölkerung, etwas mit der aktuellen Maßnahme zu tun habe, ist unklar. Nur so viel: „Die Bauverwaltung ist bestrebt, bedarfsorientiert zu planen. Da sich eine Stadt in einer ständigen Entwicklung befindet, müssen Planungen den sich ändernden Situationen und Bedürfnissen von Zeit zu Zeit angepasst werden“, heißt es vonseiten der städtischen Pressestelle.
Derweil betonte Herbst auch, dass bestehende Einzelhändler und Dienstleister in den umzuwandelnden Kerngebieten sich nicht sorgen müssen. „Sie sind nicht in ihrem Bestand gefährdet“, sagte Herbst. Zudem werde sich der Einzelhandel ohnehin, und dabei berief er sich auf das Einzelhandelskonzept, weiterhin am Münsterplatz und auf der Karlstraße abspielen. Daher werde man auch bei künftigen Planungen den Nutzungstyp „Kerngebiet“auf Flächen anwenden, die an Fußgängerzonen angrenzen. Das verstanden auch die anwesenden Ausschussmitglieder, während Wolfgang Pfau von der CDU zusammenfasste: „Wir können dem einfach zustimmen. Ich würde eine Wohnbebauung vorziehen, bevor man leere Geschäfte drin hat.“