Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Neuer Handel auf altem Weg
Der schwäbische Spediteur Jörg Mosolf will von Chinas Seidenstraße profitieren
RAVENSBURG - Sie steht für den Beginn des weltweiten Handels. Entlang der berühmten Seidenstraße tauschten Geschäftsleute Anfang des ersten Jahrhunderts nach Christus wertvolle Güter der damaligen Zeit – Gold und Silber, Wolle und Seide. Ein schwäbischer Unternehmer der Gegenwart könnte schon bald eine wertvolle Ware der heutigen Zeit auf dieser Seidenstraße transportieren: Autos. Jörg Mosolf, Chef der gleichnamigen Logistikfirma aus Kirchheim unter Teck, will Neuwagen von Deutschland bis nach China liefern – und zwar mit dem Zug.
China ist für deutsche Autobauer ein wichtiger Markt. Jedes fünfte Auto, das in China zugelassen ist, ist nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie von deutschen Herstellern. Schließlich seien Importmodelle in der Volksrepublik weitaus mehr geschätzt als die Produktionen chinesischer Konzerne. Davon wollen Logistiker wiederum profitieren und setzen vermehrt auf den Transport fertiger Autos von Deutschland nach China.
Dazu gehört auch Spediteur Jörg Mosolf. Seit 15 Jahren ist er Chef der Logistikfirma, die sein Vater Horst 1955 im Südwesten gegründet hatte. Bereits 2019 will er die ersten Autos nach China liefern. Nutzen soll ihm dafür vor allem die vorhandene Infrastruktur der sogenannten Neuen Seidenstraße, ein Infrastrukturprojekt Chinas mit dem Ziel, die Volksrepublik mit Asien, Europa und Afrika zu verbinden, auch „One Belt One Road Initiative“genannt.
Für das Projekt hat China eine weitreichende Infrastruktur mit mehreren Routen aufgebaut und dort investiert, wo wohl sonst kaum jemand Geld hineinstecken möchte. Die Chinesen bauen etwa Kraftwerke am Arabischen Meer, legen Öl-Pipelines durch Myanmar und entwickeln Straßennetze in Pakistan. Zusammengefasst handelt es sich um zwei Bereiche, einen nördlich gelegenen auf dem Land und einen südlich gelegenen Seeweg. Die Schienenroute bildet die nördliche Route und führt von Venedig über Duisburg nach Moskau über Kasachstan bis in den Osten Chinas. Und diese Infrastruktur will Mosolf für sein Vorhaben nutzen.
Mosolf ist mit 24 Standorten in sieben Ländern präsent, 16 Niederlassungen befinden sich in Deutschland und sechs in anderen europäischen Ländern. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Autotransporte. Dafür nutzt Mosolf derzeit rund 800 Lkw, 320 Eisenbahnwaggons und zwei Binnenschiffe. Etwa 60 Prozent dieser 800 Lkw betreibt Mosolf selbst, die anderen sind in Firmenfarben bei Subunternehmern angesiedelt. Mit 2600 Mitarbeitern weltweit machte die Logistikfirma Mosolf im vergangenen Jahr einen Umje satz von über 360 Millionen Euro. Bis 2025 soll er auf 600 Millionen Euro steigen. Über den Gewinn will der Spediteur nicht sprechen. Jährlich transportiert Mosolf rund 2,8 Millionen Fahrzeuge.
„Das Projekt bringt Asien näher an Europa heran. Die Zusammenarbeit der Kontinente wird forciert und birgt auch für die Länder entlang der Route enorme Wachstumschancen. Und dieses Zusammenwachsen dient sicherlich auch der Friedenswahrung“, sagt der Firmenchef im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Bislang hat Peking 64 Staaten, darunter Deutschland, in der Initiative „One Belt, One Road“vereint. Länder aus Asien, dem Nahen Osten, Afrika sowie Ost- und Westeuropa sind darin vertreten.
Damit will Mosolf vor allem Zeit einsparen: Gut zwei Wochen ist der Zug von China nach Duisburg unterwegs, mindestens fünf Wochen benötigt das Containerschiff, mit dem deutsche Autos üblicherweise nach China kommen. Zugtransporte sind laut Mosolf zwar immer noch teurer als die Beförderung per Schiff. „Auf lange Sicht lohnt es sich aber mehr für die Autobauer, da die Kapitalbindung hier viel geringer ist“, erklärt der Logistiker. Die großen Namen der Branche wie BMW, Volkswagen oder Daimler haben laut Firmenchef Mosolf bereits zugesagt, bei den ersten Probeladungen im nächsten Jahr dabei zu sein. Um die teuren Neuwagen sicher zu transportieren, sollen dazu zwei von ihnen aufeinander auf Stahlgestelle gepackt und jeweils vier Autos so in einen Container geschlossen werden.
Konkurrenz aus Osnabrück
Mosolf ist mit seinem Vorhaben nicht ganz ohne Konkurrenz: Die Logistikfirma Hellmann mit Sitz in Osnabrück hat bereits 2012 deutsche Autos auf den Gleisen nach China transportiert. Das Projekt Neue Seidenstraße habe den Umsatz bei Hellmann vervierfacht und der Markt wachse rasant: vor zwei Jahren seien es noch 1000 Container, ein Jahr später 5000 Container gewesen, und 2016 schon mehr als 20 000 Standardcontainer.
„Die Eiserne Seidenstraße entwickelt sich zu einer wichtigen Säule des transkontinentalen Verkehrs“, sagt Matthias Magnor von der Firma Hellmann. „In Verbindung mit der Neuen Seidenstraße werden sich neue Umschlagsknoten für Waren entwickeln. Diese sind speziell für Länder interessant, die nicht optimal über den Wasserweg angeschlossen werden können.“Dabei sei die Eiserne Seidenstraße keine Einbahnstraße: „Waren werden in beide Richtungen transportiert. Sowohl der Chinesische als auch der Europäische Markt profitieren von dem Projekt“, sagt Magnor.
Und auch Jörg Mosolf will zu denen gehören, die profitieren. 2000 Jahre nach der ersten Blütezeit der Seidenstraße glaubt der Schwabe fest an die Renaissance der alten Handelsroute.