Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kaum Schnee in Friedrichshafen
Warum Lindau in weißen Massen versinkt und in Friedrichshafen fast nichts liegen bleibt
FRIEDRICHSHAFEN/LINDAU Schulausfall, vom Schnee verstopfte Straßen und ein überforderter Räumdienst: Der plötzliche Wintereinbruch am Wochenende hat Lindau kalt erwischt. In Friedrichshafen, nur 20 Kilometer westlich das Bodenseeufer entlang, blieb derweil kaum Schnee liegen. Der Grund dafür ist knapp 1100 Meter hoch.
„Lindau wird vom Stau-Effekt der Alpen beeinflusst“, erklärt Wetterexperte Roland Roth von der Wetterwarte Süd in Bad Schussenried den Unterschied. „Kommt der Wind aus dem Norden, werden die Wolken am Pfänderrücken zum Aufsteigen gezwungen. Dadurch kommt es zum Niederschlag.“Ein Phänomen, das immer dann auftrete, wenn wie am Wochenende besonders feuchte Luft aus dem Norden gegen den Bergrücken drückt. Ob der Niederschlag aus Regen oder aus Schnee besteht, hängt von der Temperatur ab.
Nur knapp 10 Kilometer Luftlinie ist der Lindauer „Hausberg“Pfänder von der Kernstadt entfernt. Friedrichshafen dagegen ist mit knapp 28 Kilometern viel weiter weg. Ein Abstand, der zu gravierenden Unterschieden beim Niederschlag führt. Am vergangenen Wochenende war allerdings noch ein anderer Faktor entscheidend. „Wir hatten es mit einer Großwetterlage zu tun. Über den britischen Inseln stand ein Hochdruckgebiet, über Osteuropa ein Tiefdruckgebiet. Dazwischen schob sich eine Nordostströmung, die von der Nordsee kommend sehr viel Feuchtigkeit mitbrachte“, erklärt Roth. „Friedrichshafen liegt näher am Hochdruckgebiet im Atlantik. Lindau weiter im Osten und damit näher am Tiefdruckgebiet.“Bei allem bedauerlichen Chaos und zahlreichen Unfällen hat der massive Schneefall für Roth auch eine positive Seite. „Das zusätzliche Wasser kommt am Ende dem Grundwasser zugute. Nach dem extremen Sommer ist das auch dringend nötig.“
Suf längere Sicht gesehen will sich Roth nicht festlegen, was die Wetterlage angeht. „In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag können wir wieder mit Schnee rechnen.“Auch für den Donnerstag kündigt die Wetterwarte Süd auf ihrer Homepage winterliche Kälte mit Höchstwerten um den Gefrierpunkt und weitere Schneeschauer an, die erst gegen Abend abklingen. „Alle Vorhersagen, die weiter reichen als zehn Tage, sind unseriöse Kaffeesatzleserei“, sagt Roth. Es spreche allerdings viel für einen wechselhaften Winter. „Wir stellen fest, dass sich etwa seit 15 Jahren Hochdrucklagen länger halten als früher. Das führt zu längeren Trockenheiten wie im Sommer letzten Jahres. Danach kommt dann normalerweise auch eine lange feucht-kalte Zeit.“Solche langen winterlichen Wetterlagen sind laut Roth kein Hinweis darauf, dass sich das Klima nicht erwärmt. „Das bekomme ich seit Jahren zu hören – und seit Jahren ist das Unsinn. Der Klimawandel bewirkt gerade, dass das Wetter in alle Richtungen extremer und dynamischer wird.“
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