Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Führungsstreit in der AfD-Fraktion
Debatte über extreme Abgeordnete: Zwölf Parlamentarier sprechen Vorstand das Misstrauen aus
STUTTGART - Die AfD im badenwürttembergischen Landtag hat versucht, ihren Fraktionschef zu stürzen. Bei einer Klausurtagung in Bad Mergentheim votierten zwölf von zwanzig Abgeordneten dafür, Amtsinhaber Bernd Gögel abzusetzen. Gögel bleibt zwar aber im Amt, für eine Absetzung wäre eine Zweidrittel-Mehrheit notwendig. Doch in der Folge traten seine Vize Emil Sänze (Rottweil) und Rainer Podeswa zurück. Sie fordern Neuwahlen der Führungsspitze.
Den Antrag gegen Gögel stellte bereits am Dienstag die Abgeordnete Carola Wolle. Acht Parlamentarier stärkten dem Fraktionschef den Rücken, zwölf votierten gegen ihn. Sänze gehörte zu Gögels Gegnern. Am Mittwochmorgen teilte er mit: „Eine weitere Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem RestVorstand ist nicht mehr gegeben. Aus diesem Grund bin ich heute mit sofortiger Wirkung von meinem Amt als stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg zurückgetreten und fordere meine Kollegen im restlichen Fraktionsvorstand auf, ihr Amt für Neuwahlen zur Verfügung zu stellen.“ Grund für den Vorstoß gegen Gögel: Offenbar sind viele Abgeordnete unzufrieden damit, dass die AfD-Landespartei umstrittene Mitglieder wie Stefan Räpple und Wolfgang Gedoen ausschließen will. Baden-Württembergs AfD-Spitze folgt damit dem Bundesvorstand. Dieser bemüht sich, Mitglieder mit zu großer Nähe zu rechtsextremen Gruppen los zu werden. Damit will man unter anderem verhindern, dass die Partei vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Gögel ist Mitglied im Landesvorstand der AfD. Seine Gegner in der Fraktion werfen ihm vor, den Ausschluss mit zu betreiben und sich damit für einen eher gemäßigten Kurs stark zu machen.
Eklats und Antisemitismus
Räpple fällt mit nationalistischen Äußerungen auf. Er beschimpfte Politiker andere Parteien als „Volksverräter“– ein Wort, dass die Nationalsozialisten geprägt haben. Er steht der „Identitären Bewegung“nahe, die vom Verfassungsschutz beobachtet nach dessen Einschätzung als Vereinigung eingestuft wird, die gegen die freiheitlich-demokratischen Grundordnung vorgeht.
Zuletzt verursachte Räpple einen Eklat, als er sich weigerte, den Sitzungssaals des Landtags zu verlassen. Dessen Präsidentin Muhterem Aras (Grüne) hatten ihn wegen mehrerer Zwischenrufe von der Sitzung ausgeschlossen. Räpple verließ das Plenum erst, als die Polizei eintraf. Die Landes-AfD hatte schon zuvor beschlossen, ein Verfahren zum Ausschluss Räpples einzuleiten. Grund sei „parteischädigendes Verhalten“.
Der Abgeordnete Wolfgang Gedeon hatte mit antisemitischen Schriften 2016 einen Streit in der Fraktion ausgelöst. Er wurde ausgeschlossen, ist aber nach wie vor Parteimitglied. Auch gegen ihn läuft ein Ausschlussverfahren.
Gegen eine Abwahl des Vorstands hatten sich nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“Rainer Balzer, Anton Baron, Lars-Patrick Berg (Tuttlingen), Klaus Dürr, Stefan Herre (Balingen), Harald Pfeiffer und Daniel Rottmann (Ulm) gewandt.
Wie es in der Fraktion nun weiter geht, war zunächst unklar. Gögel bleibt zunächst im Amt. Nach den Rücktritten von Sänze und Podeswa ist der AfD-Fraktionsvorstand nicht mehr vollzählig, aber weiter arbeitsfähig. Ob es Neuwahlen für alle Posten gibnt oder nur für die frei gworden, stand am Mittwoch nicht fest.