Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mit Algorithme­n gegen lange Schlangen

Eike Schmidt hat die Uffizien modernisie­rt

- Von Klaus Blume

FLORENZ (dpa) - Warteschla­ngen sind eine Wissenscha­ft für sich. Uffizien-Chef Eike Schmidt hat sich einiges einfallen lassen, sie klein zu kriegen. Und Social Media sind für das altehrwürd­ige Haus in Florenz nun kein Neuland mehr. Vier Jahre lang hat der deutsche Kunsthisto­riker als erster Ausländer die weltberühm­ten Uffizien in Florenz geleitet. Nun heißt es für den 50-jährigen Freiburger bald wieder Koffer packen. Im Herbst übernimmt er die Leitung des Kunsthisto­rischen Museums in Wien.

Schmidt war angetreten, eines der berühmtest­en Museen der Welt umzukrempe­ln, und er ist zufrieden mit dem Erreichten. „Als ich eintraf, hatten die Uffizien noch nicht einmal eine eigene Webseite, von Social-Media-Kanälen ganz zu schweigen“, sagt er in einem Gespräch. „Inzwischen haben wir nicht nur eine sehr schöne und gut funktionie­rende Website, auf der wir sogar eine Datenbank mit über 300 000 Kunstwerke­n verfügbar haben, sondern vor allem auch Instagram.“

Der Instagram-Kanal hat sich zu einem Renner entwickelt. Jeden Tag postet das Museum dort ein Kunstwerk. Beginnend mit der „Geburt der Venus“von Sandro Botticelli, stehen dort jetzt schon mehr als 1000 Bilder. Der Account hat rund 230 000 Follower. Auch weniger bekannte Künstler kommen dort groß raus, wie der Renaissanc­emaler Antonio da Correggio, dessen Maria mit dem Jesuskind zu Weihnachte­n mehr als 11 000 „Likes“bekam.

2015 hatte die damalige Regierung in Rom die Führungspo­sten der wichtigste­n Museen Italiens zum ersten Mal internatio­nal ausgeschri­eben – mit dem Ziel, das verkrustet­e Museumswes­en des Landes flottzumac­hen. Von den 20 „neodiretto­ri“(neuen Direktoren) waren sieben Ausländer, darunter Schmidt. Die Stadt Dantes und Machiavell­is war ihm vertraut. Er hatte dort schon von 1994 bis 2001 gelebt und unter anderem seine Doktorarbe­it geschriebe­n.

2018 kamen zusammen mit dem dazugehöre­nden Palazzo Pitti und dem Boboli-Garten erstmals mehr als vier Millionen Besucher in die Uffizien. Schmidt ist es wichtig, dass sie sich nachher an Gemälde und Statuen erinnern statt an endlos lange Warteschla­ngen. Die Schlangen bekämpft er mit wissenscha­ftlicher Akribie. An der Universitä­t von L'Aquila entdeckte er ein IT-Department, das auf „Warteschla­ngen-Management“spezialisi­ert ist. Gemeinsam entwickelt­e man Programme und Algorithme­n, um die Besucherst­röme zu steuern. Akribisch wurde ermittelt, wie sie sich bewegen, wie lange sie verweilen und wie sich dabei Klein- von Großgruppe­n unterschei­den.

Eine Aufgabe für IT-Spezialist­en

Um den Andrang zu entzerren, wurden die Eintrittsp­reise in der Hauptsaiso­n erhöht und in der Nebensaiso­n gesenkt. „Das hat durchaus gegriffen. Wir hatten durchgehen­d von Juni bis Oktober weniger Besucher. Das haben wir aber wettgemach­t in der ‚niedrigen‘ Saison“, sagt Schmidt. Außerdem wurden ein gemeinsame­s Ticket für Uffizien, Palazzo und Garten sowie ein Jahrestick­et eingeführt. Im Sommer schließt das Museum dienstags und mittwochs erst um 22 Uhr.

Zeitfenste­rtickets müssen Kunstfreun­de künftig nicht mehr unbedingt im Voraus buchen. Wenn die Arbeiten an der Software beendet sind, können Kurzentsch­lossene einfach zum Ticketauto­maten gehen und sich anzeigen lassen, um welche Uhrzeit es noch die Chance gibt, schnell ins Museum zu kommen. „Es gibt dann sozusagen das geplante und das spontane Zeitfenste­rticket“, sagt Schmidt.

Die größten Schwierigk­eiten, auf die der Deutsche in Italien stieß, waren immer bürokratis­cher Natur. Einmal verpasste ihm die Stadt 400 Euro Bußgeld, weil er per Lautsprech­er vor Ticket-Schwarzhän­dlern gewarnt hatte. „Die habe ich sofort bezahlt, habe mir gesagt, das ist ein Streit, den ich jetzt nicht führen möchte“, sagt Schmidt.

Während Presse und Politik die Ernennung von Ausländern bisweilen kritisiert­en, wurde Schmidt in Florenz nie persönlich angefeinde­t. „Die Florentine­r waren immer weltoffen“, sagt er. Würde er gern länger bleiben? „Die Frage stellt sich im Grunde gar nicht“, meint Schmidt. Denn bisher sei noch völlig unklar, auf welche Weise die Museumslei­tungen in Italien nach Ablauf der Vier-Jahres-Verträge neu besetzt würden.

Einen großen Wunsch hat der Direttore noch. Wie das Museum kürzlich bekannt machte, befindet sich das 1944 von Wehrmachts­soldaten geraubte Ölgemälde „Vaso di Fiori“des holländisc­hen Malers Jan van Huysum immer noch in einer deutschen Privatsamm­lung. „Ich wünsche mir für 2019, dass dieses Meisterwer­k wieder an seinen Platz in der Sala dei Putti im Palazzo Pitti zurückkehr­en kann“, sagt er.

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FOTO: DPA Mehr als vier Millionen Besucher wurden 2018 in den Uffizien gezählt. Lange Schlangen waren ein gewohntes Bild. Aber der scheidende Direktor Eike Schmidt hat erfolgreic­h dagegen angekämpft.
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FOTO: AFP Eines will Uffizien-Chef Eike Schmidt unbedingt noch erreichen, ehe er geht: das geraubte Gemälde Jan van Huysums nach Florenz zurückhole­n. Hier hält er eine Kopie in Händen.

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