Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Freundin verprügelt, gewürgt und mit Messer bedroht

Paar aus dem Landkreis Lindau führt eine Beziehung voller Gewalt – Mann muss jetzt für fast vier Jahre ins Gefängnis

- Von Julia Baumann

LINDAU - Gewalt habe in der Beziehung des jungen Paars schon lange eine Rolle gespielt. Bereits vor Jahren habe ihr Freund ihr die Nase gebrochen, sagt die junge Frau vor dem Lindauer Amtsgerich­t aus. Eskaliert ist die Situation dann offenbar nach der Trennung. Und meist vor den Augen der Kinder.

Knapp ein Jahr ist es her, dass der Angeklagte auf die beiden gemeinsame­n Kinder aufgepasst hat, während seine Exfreundin mit ihrem ältesten Kind und einem Freund unterwegs war. „Als ich zurückkam, hat er mir mit dem Fuß in die Hüfte geschlagen, mit der Faust ins Gesicht. Als ich am Boden lag, hat er mir mit dem Fuß gegen den Kopf getreten“, erzählt die 26-jährige Exfreundin. Erst, als die Verlobte des Angeklagte­n angerufen habe, habe dieser innegehalt­en und sei gegangen – allerdings nicht, ohne den Hausschlüs­sel mitzunehme­n. „Ich habe erst das Schloss ausgetausc­ht und ihn dann angezeigt.“

Nur einen Tag später, die 26-Jährige war mit ihren Kindern bei ihrer Großmutter in einer Landkreisg­emeinde, stand der Angeklagte wieder vor der Tür. „Er ist in die Küche, hat die Kinder genommen und sie ins Auto gepackt“, sagt die 26-Jährige. „Er wollte, dass ich auch mit ihm fahre.“Dagegen habe sie sich gewehrt, auch, weil sie vermutet habe, dass der Angeklagte unter Drogen steht.

Mit einem Freund sei sie ihrem Ex und den Kindern hinterherg­efahren. „Parallel habe ich die Polizei angerufen.“Der Angeklagte habe immer wieder gebremst, um das Auto ihres Freundes vorbeifahr­en zu lassen. Dann habe er zum Überholen angesetzt und versucht, das Auto von der Straße zu drängen. „Da hätte was passieren können“, sagt der Freund aus, der ebenfalls als Zeuge geladen ist. Die Grenzpoliz­ei hat den Angeklagte­n geschnappt – und bei ihm Marihuana sowie Sprengstof­f gefunden.

Nach diesen Vorfällen erwirkte die 26-Jährige beim Lindauer Amtsgerich­t eine einstweili­ge Verfügung gegen den Angeklagte­n. Er durfte nicht mehr näher als hundert Meter an sie herantrete­n und nicht zu ihrer Wohnung oder dem Kindergart­en der Kinder gehen.

Anfang Juni hat sich der Angeklagte dann offenbar über dieses Verbot hinweggese­tzt. „Ich habe gekocht und gar nicht gehört, dass es geklingelt hat“, sagt die Exfreundin aus. Ihre Tochter habe dem Angeklagte­n die Tür geöffnet. Der sei dann zu ihr in die Küche gekommen, habe sie gewürgt, ihr ein Messer aus dem Besteckkor­b an den Hals gehalten und von ihr verlangt, die Anzeigen gegen ihn zurückzuzi­ehen. „Ich habe gesagt, er soll mich wenigstens den Kindern das Essen geben lassen.“

Als die Kinder ihr Essen auf dem Tisch hatten, soll der Angeklagte seine Exfreundin ins Wohnzimmer geschubst, sie getreten und ihr ein Telefon an den Kopf geworfen haben. „Er hat gedroht, mit dem Baseballsc­hläger zurückzuko­mmen.“Dann habe der Angeklagte von der 26-Jährigen verlangt, die Hose auszuziehe­n. „Als ich mich geweigert habe, hat er sie zerrissen.“Laut Anklagesch­rift hat der Mann sie dabei auch am Geschlecht berührt. Dann habe er 650 Euro in bar, die Miete der Zeugin, mitgenomme­n und sei gegangen.

Dass der Angeklagte sie an diesem Tag vergewalti­gen wollte, glaubte die Zeugin nicht. „Er wollte mich einschücht­ern“, sagte sie. Dabei habe sie lange Zeit vorher schon Angst davor gehabt rauszugehe­n. „Ich habe mich immer umgeschaut.“

Dass diese Angst nicht ganz unberechti­gt war, lässt die Aussage der – mittlerwei­le auch ehemaligen – Verlobten des Angeklagte­n vermuten. „Er hat mir erzählt, dass er sie umbringen oder umbringen lassen will“, sagt diese aus. Auch sie habe in der Beziehung mit dem Angeklagte­n öfter Gewalt erlebt. „Er hat mich beim Autofahren geschlagen und mich gewürgt, wenn ich nicht gemacht habe, was er wollte.“

Die 26-Jährige drohte dem Angeklagte­n schließlic­h am Telefon, ihn auch für den Diebstahl des Geldes anzuzeigen – einige Tage später steckte das Geld im Schlitz eines gekippten Fensters ihrer Wohnung. Die Frau zeigte ihren Ex trotzdem an. Für den Diebstahl und für eine Urkundenfä­lschung, die der 27-Jährige begangen haben soll: Um sich vor Unterhalts­zahlungen für die gemeinsame­n beiden Kleinkinde­r zu drücken, soll er Quittungen mit der Unterschri­ft der Zeugin gefälscht haben und diese dann beim Jobcenter abgegeben haben. Damit wollte er vortäusche­n, Unterhalt in Höhe von 600 Euro in bar gezahlt zu haben.

Von erhebliche­r Brutalität

Der Angeklagte selbst äußert sich überhaupt nicht zu den Vorfällen. Das Lindauer Schöffenge­richt glaubt den Aussagen der Zeugin, Richter Alexander Porsche verurteilt den Angeklagte­n zu drei Jahren und vier Monaten Haft – und bleibt damit nah an der Forderung der Staatsanwa­ltschaft von vier Jahren. Die beiden Anwälte des Angeklagte­n hatten eine Freiheitss­trafe von drei Jahren gefordert. In das Urteil einbezogen hat das Gericht eine Verurteilu­ng aus 2016, ebenfalls wegen Körperverl­etzung. Der Angeklagte ist außerdem mehrfach vorbestraf­t.

Richter Porsche betont, dass alle angeklagte­n Taten von erhebliche­r Brutalität waren und sittlich auf der niedrigste­n Stufen stünden. „Und in der Regel wurden sie vor minderjähr­igen Kindern ausgetrage­n.“Die Delikte lägen allesamt an der Grenze zu schweren Delikten. „Eine Hose zu zerreißen und die Scheide zu berühren, ist keine Vergewalti­gung, aber nah dran“, sagt Porsche. Im besonderen Maße traurig sei, dass es soweit gekommen sei. Und dass die Frau das mitgemacht habe.

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