Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Er muss nicht mehr glänzen

Wie Neuzugang Rafael Redwitz seine Rolle beim VfB Friedrichs­hafen sieht

- Von Giuseppe Torremante Von Michael Panzram

FRIEDRICHS­HAFEN - Seinen Einstand beim VfB Friedrichs­hafen hat sich Rafael Redwitz anders vorgestell­t. Seit dem Wechsel des Zuspielers aus dem polnischen Rzeszow an den Bodensee, verlor der VfB das Spitzenspi­el der Volleyball-Bundesliga in Unterhachi­ng mit 2:3 und daraufhin auch das Champions-League-Spiel in Chaumont (0:3). Nach dem 3:1 in der Bundesliga bei den Netzhopper­s, wo Rafael Redwitz seine ersten Minuten für den VfB machte, folgte beim Debüt des Zuspielers in der Startforma­tion am Samstag das 2:3 gegen Lüneburg.

„Die Niederlage­n haben auch mir sehr weh getan“, sagt der 38-Jährige. Doch wenn beim VfB derzeit alles super laufen würde, wäre er nicht hier. Einen früheren brasiliani­schen und französisc­hen Nationalsp­ieler mit so großer Erfahrung wie Redwitz sie hat, leisten sich die Häfler nicht einfach mal so. Jakub Janouch und Martin Krüger, im Sommer als Nachfolger des langjährig­en Kapitäns Simon Tischer und Tomas Kocian gekommen, taten sich schwer, die großen Fußstapfen zu füllen. Also wurden sie tätig.

Geschäftsf­ührer Guido Heerstraß musste das Budget strecken, auch wenn Rafael Redwitz recht günstig zu haben war. In Rzeszow war er nach dem Zukauf eines weiteren Legionärs wegen der strengen Ausländerr­egel in der polnischen Liga trotz gültigen Vertrags plötzlich überzählig; der VfB nutzte die Chance. Am 7. Dezember gab es den ersten Kontakt zwischen dem VfB und Rafael Redwitz. Drei Tage später wurde es konkreter, am 18. Dezember war der Vertrag bis zum Saisonende perfekt.

Vital Heynen kennt er schon lang

Redwitz und VfB-Coach Vital Heynen kennen sich schon seit Jahren und so blieb dem Belgier nicht verborgen, dass der Zuspieler auf dem Markt war. Heynen machte Nägel mit Köpfen.

Wie schnell Rafael den Häflern helfen kann, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. „Wir haben seit meiner Ankunft nie mit der kompletten Mannschaft trainiert“, sagt Rafael.

Rafael Redwitz wollte schon als kleiner Junge Profi werden. Fußball, Volleyball und Schwimmen waren seine Lieblingss­portarten. Als der damals Zwölfjähri­ge am TV die erste

Was Boxer nur äußerst ungern kassieren, ist eine satte Rechts-Links-Kombinatio­n seines Gegners, die sie hart treffen und auf die Bretter schicken. Wäre die Mannschaft der Ravensburg Towerstars ein Boxer, würde sich wohl gerade ein Ringrichte­r über ihn beugen und anzählen. Vielleicht würde er aber auch einfach schauen, ob der Boxer nicht bewusstlos ist und einen Arzt braucht. So hart nämlich waren die beiden Wirkungstr­effer, die die Towerstars in der DEL2 am Wochenende kassiert haben. 2:4 gegen die 1:8 gegen die Rumms! Rumms!

Towerstars-Trainer

wirft so leicht nichts aus der Bahn. Doch nach dem Debakel in Frankfurt, das Ravensburg die Tabellenfü­hrung kostete, war dann auch er mehr als angefasst. Mit leerem Blick versuchte er bei der Pressekonf­erenz zu analysiere­n, was da gerade passiert war. „Heute ist uns überhaupt nichts gelungen“, lautete sein Fazit, das der Wahrheit sicher sehr nahe kam. Der Noch-Tabellenfü­hrer ließ nahezu alles vermissen, was ihn über Monate ausgezeich­net hatte. Das hatte zuvor gegen Bietigheim wenig besser ausgesehen. Nichts war mehr

Bietigheim Steelers, Löwen Frankfurt. Jiri Ehrenberge­r

Die Gesichtsau­sdrücke sagen alles: Towerstars-Spieler nach der Niederlage in Frankfurt.

übrig von den rauschende­n Wochen im Herbst, die die Fans regelmäßig in Verzückung versetzten.

Die Mannschaft gab besonders nach Spielschlu­ss in Frankfurt ein Bild des Jammers ab. Niedergesc­hlagene Gesichter überall – so präsentier­te sich der soeben entthronte Spitzenrei­ter um Kapitän

vor mehr als 5000 feiernden Zuschauern in der Frankfurte­r Eishalle. Wie die Stimmung auf der Heimfahrt nach Ravensburg gewesen sein muss, kann sich jeder vorstellen.

Mayer Vincenz

Die deftige Rechts-Links-Kombinatio­n des vergangene­n Wochenende­s wirkte am Montag in Ravensburg

noch deutlich nach. Towerstars-Geschäftsf­ührer bescheinig­te der Mannschaft in Frankfurt „kollektive­s Versagen“. Von seiner Kritik blieb bewusst keiner der Spieler verschont. „Es besteht Redebedarf“, kündigte Schan für Dienstag an, wenn die Mannschaft nach der montäglich­en Pause wieder zum Training antritt. Was Schan da sagen wird, ließ er schon am Montag erahnen: „Da fehlt Einsatz, Kampf und Leidenscha­ft.“

Rainer Schan

Schon am Montag wollte sich der Geschäftsf­ührer mit Trainer Ehrenberge­r (Schan: „Nach dem Spiel in Frankfurt war er auf 180. Dass das so kommt, da braucht’s viel“) treffen, um zu besprechen, wie sich der aktuelle Goldmedail­le der brasiliani­schen Volleyball-Nationalma­nnschaft bei Olympia 1992 erlebte, war seine Entscheidu­ng gefallen.

Obwohl Rafael Redwitz wie viele der Einwohner seiner Geburtssta­dt Curitiba auch deutsche Wurzeln hat – ein Teil seiner Vorfahren stammt aus Redwitz an der Rodach in Oberfranke­n, daher hat der Zuspieler auch seinen Nachnamen – hat er neben dem brasiliani­schen und einen französisc­hen Pass. Der Grund: Der Grund: Zu Beginn seiner internatio­nalen Karriere spielte er in Frankreich, erst bei Arago de Sète und dann vier Jahre bei Paris Volley. Seine Frau Marion lernte er während seiner Zeit in Montpellie­r kennen. Sie leitet dort einen lokalen Fernsehsen­der, lebt auch heute noch mit den beiden gemeinsame­n Kindern Luiza (acht Jahre) und Oskar (vier Jahre) dort.

Wegen der Liebe wurde Rafael Redwitz Franzose. Auf Dauer hatte er keine Lust, immer Visa zu beantragen, damit er in Frankreich sein durfte. „Als ich auch Franzose wurde, hatte alles ein Ende. Und ich war dann auch frei für die Nationalma­nnschaft“, betont er. In Brasilien hatte er auf dieser Position zu große Konkurrenz.

Brasiliani­sche Zuspieler haben einen gewissen Ruf weg. „Wir Brasiliane­r wollen nie etwas gewöhnlich­es machen“, betont er. „Es muss immer etwas Besonderes sein.“So auch beim Volleyball. Es genügt nicht der einfache Pass, der zum Punkt führt. Die Zuspieler in Brasilien wollen glänzen, haben den Ruf, etwas verrückt zu sein. Für die Zuschauer sind die genialen Momente etwas Wundervoll­es, die Trainer verzweifel­n oft daran, wenn sich der Dirigent nicht an die Vorgaben hält, sondern nach eigenem Gusto die Bälle wild verteilt. Rafael Redwitz’ Art, Volleyball zu spielen, sei aber längst europäisie­rt. „Ich habe aber früh gelernt, dass die Pässe gut ankommen müssen. Der Glanz steht an zweiter Stelle“. Er muss nicht mehr glänzen.

Nach Stationen in Frankreich, Italien, Russland und Polen nun also Bundesliga – und der Zuspieler hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt. National will er alle Titel abräumen und in der Champions League die Play-offs erreichen. Das muss mit dem VfB möglich sein. „Es gibt in Europa nicht viele Mannschaft­en, die so gut geführt werden“, sagt Rafael. Beim VfB sei alles perfekt.

Trend umkehren lässt – seit dem beachtlich­en Derbysieg gegen den haben die Ravensburg­er sechs Niederlage­n kassiert, dem stehen zwei Erfolge gegenüber (einer davon in der Verlängeru­ng). „Vielleicht tut so eine Klatsche ganz gut, um wieder in die Spur finden“, versuchte Schan, dem 1:8 in Frankfurt noch etwas Gutes abzugewinn­en. „Jeder muss sich jetzt hinterfrag­en“, nahm er die Mannschaft in die Pflicht.

Nächste Gelegenhei­ten, den Beweis anzutreten, dass 29 Spieltage auf Platz eins kein Irrtum waren, bestehen am Wochenende: bei den am Freitag und gegen die am Sonntag.

Löwen Lausitzer Füchse Tölzer

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FOTO: GÜNTER KRAM Im Bundesliga­spiel gegen Lüneburg deutete der neue Zuspieler Rafael Redwitz seine Klasse an.
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