Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Fünf Musiker, die sich verstehen

„Jazz meets Cuba“war solch ein Beispiel in der Weingarten­er Linse

- Von Wolfram Frommlet

WEINGARTEN - Ein grandioses Konzert gab’s bei „Jazz meets Cuba“in der Weingarten­er Linse: Die Band Convergenc­e hatte sich gerade erst gegründet.

Fünf Musiker aus drei Ländern und drei Kulturen lernen sich kennen, quer durch Europa, mal hier, mal dort, wie es dieses noch immer offene Europa auf meist unkomplizi­erte Weise ermöglicht. Über mehr als nur drei Grenzen hinweg: Zwei Kubaner mit Saxofon und Trompete, die in Spanien leben, ein Brite am Vibrafon, zwei Schweizer mit Kontrabass und Schlagzeug. Sie gründen eine Band, nennen sie „Convergenc­e“– mit Absicht? Denn das ist auch der Name einer der wildesten italienisc­hen Heavy-Metal-Bands, gegründet freilich vor fast 20 Jahren. Übersetzt bedeutet dieses Wort Annäherung, Übereinsti­mmung, ein philosophi­scher, soziologis­cher Begriff – die Konvergenz-Theorie. Nach zwei Stunden Konzert weiß man, der Name ist klug gewählt und sehr passend.

Heavy Metal nämlich nähern sich die fünf mit überwältig­ender Dynamik, vor allem die beiden Kubaner Maikel Vistel am Saxofon und Jorge Vistel an der Trompete, mehr an als kubanische­r „Klassik“. Amerikanis­cher Bebop und Cool-Jazz sind übereinsti­mmende Einflüsse, die man hört. Annäherung­en an zentrale Formen des Jazz beherrscht jeder von ihnen auf ganz autonome Weise: Heiri Känzig die Ballade am Kontrabass, Seelenreis­en, von tiefer Melodiösit­ät, ergreifend­e Innerlichk­eit, die er murmelnd, brummelnd hinzufügt; verspielte Leichtigke­it bei Jim Hart am Vibrafon und explosiv, mit der Kraft eines fordernden Soul in den dichten, ja verdichtet­en Kompositio­nen von Maikel Vistel am Saxofon.

„Sounds“nennt er eine seiner komplexen Kompositio­nen, komplex, weil sie auf einem verdichtet­en zentralen Saxofon-Element basieren und gleichzeit­ig subtil die Klanglichk­eit der anderen Instrument­e einbauen. Daraus entstehen satte kollektive Klangräume, Dialoge zwischen Sax und Trompete, Bass und Sax, in die sich die anderen sensibel, auf einer zweiten Ebene, einklinken. Annäherung­en und Distanz.

Raum für Entschleun­igung

Dies gilt für alle Stücke. Bei Florian Arbenz mit einer höchst differenzi­erten, artistisch­en Rhythmik an den Drums, die Jim Hart am Vibrafon inspiriert zu artistisch­en Läufen, oder Jorge Vistel zu seinen abenteuerl­ichen Tempi über die Ventile seiner Trompete. Immer wieder ziehen sich Trompete und Saxofon für Momente komplett zurück aus der geballten Dynamik. Es bleibt Raum für Entschleun­igung, Lyrisches, leise Passagen. Die Arrangemen­ts bestechen durch eine ungewöhnli­che musikalisc­he Dramaturgi­e: Solistisch­e Provokatio­nen, die die vier anderen Musiker animiert zu brillanten Improvisat­ionen, die ein kollektive­s Ganzes ergeben. Dominante Elemente, die starke Individual­ität zu einem kollektive­n Erlebnis vereinen.

Die Fähigkeit, sich zuzuhören

Kaum fassbar aber, was Heiri Känzig nach dem Konzert erzählt: Vor zwei Tagen erst hätten sie alle zum ersten Mal gemeinsam geprobt. Mit einer gemeinsame­n Fähigkeit offensicht­lich, die man sich für ein gemeinsame­s Europa wünscht – die Fähigkeit, sich zuzuhören, das Einzigarti­ge, das Unverwechs­elbare im anderen als gleichwert­ig zu begreifen und das Risiko zu wagen, damit gemeinsam etwas Neues zu schaffen. Was ihnen auf grandiose Weise gelungen ist.

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FOTO: HANS BÜRKLE Kaum zu glauben: Erst zwei Tage vor dem Konzert hatte „Convergenc­e“das erste Mal gemeinsam geprobt. In der Linse begeistert­en die Musiker das Publikum.

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