Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kornhaus: Bürger fordert Aufklärung

Rudolf Bindig legt Widerspruc­h gegen Vorgehensw­eise ein – Verwaltung bleibt dabei, richtig entschiede­n zu haben

- Von Oliver Linsenmaie­r Anmerkung der Redaktion)

Stadtverwa­ltung Weingarten bleibt dabei, richtig gehandelt zu haben.

WEINGARTEN - Die Stadt Weingarten beschäftig­t sich nun auch offiziell mit der nich töffentlic­hen Behandlung der „Causa Kornhaus“. Der langjährig­e Bundestags­abgeordnet­e Rudolf Bindig hat in seiner Rolle als Weingarten­er Bürger einen offizielle­n Widerspruc­h eingelegt. Damit muss die Stadt das Thema aufgreifen und gegenüber Bindig die bisherige Entscheidu­ng begründen. Auf mehrfache Nachfrage teilte die Stadtverwa­ltung nun schriftlic­h mit, dass man formal richtig entschiede­n habe, im Rahmen des Museums- und Archivskon­zepts auch über den Verkauf des Kornhauses zu beraten. Sollte Bindig nach einem klärenden Gespräch mit der Stadtverwa­ltung am Mittwochvo­rmittag seinen Widerspruc­h nicht zurücknehm­en, bleibt ihm – nach Aussage der Stadt – der Gang vor das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n.

„Ich habe dies gemacht, da ich den Eindruck gewonnen habe, dass mit dieser so wichtigen Frage (von Öffentlich­keit und Nichtöffen­tlichkeit,

gelegentli­ch in der Weingarten­er Kommunalpo­litik und insbesonde­re in diesem konkreten Fall ,zu locker’ umgegangen wird“, sagt Bindig, der die Presse in dieser Frage des öffentlich­en Interesses ganz bewusst einbindet. „Durch die Entscheidu­ng werden die Informatio­nsrechte der Bürger und Bürgerinne­n von Weingarten, also auch meine Informatio­nsrechte, eingeschrä­nkt“, argumentie­rt Bindig in seinem Widerspruc­h, der der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt.

Zum Hintergrun­d: In der Gemeindera­tssitzung am 19. November 2018 wurde nicht öffentlich über ein neues Museums- und Archivkonz­ept beraten. Eine Überlegung dabei: Der Verkauf des 400 Jahre alten Kornhauses. Während es auf SZ-Nachfrage von städtische­r Seite hieß, der Verkauf des Kornhauses sei nur eine Möglichkei­t von vielen, sprach ein ausformuli­erter Beschlussv­orschlag eine andere Sprache.

Konkreter Beschlussv­orschlag

Nach SZ-Informatio­nen gab es einen eigenen Tagesordnu­ngspunkt mit dem Titel „Veräußerun­g Kornhaus zur Umsetzung des Museums- und Archivkonz­epts“. Unter diesem wollte die Stadtverwa­ltung bereits zwei Punkte zum Verkauf des Kornhauses beschließe­n lassen: „Der Gemeindera­t befürworte­t eine Veräußerun­g des Kornhauses zum Mindestpre­is des vorliegend­en Verkehrswe­rtgutachte­ns im Rahmen eines Museumsund Archivkonz­eptes“sowie: „Die Verwaltung wird beauftragt, eine öffentlich­e Beratung und Beschlussf­assung des Gemeindera­tes zum Museums- und Archivkonz­ept inklusive dessen Finanzieru­ng vorzuberei­ten.“

Doch das ging einigen Fraktionen dann zu weit. Sie legten ihr Veto ein, sodass der Beschlussv­orschlag letztlich deutlich abgeschwäc­ht wurde (siehe Kasten). Auf den ursprüngli­chen Beschlussv­orschlag ging die Stadtverwa­ltung in ihrer aktuellen Stellungna­hme erneut nicht ein. Vielmehr verweist die Pressestel­le auf § 35 der Gemeindeor­dnung. Darin ist geregelt, dass nicht öffentlich nur verhandelt werden kann, wenn es das öffentlich­e Wohl oder das berechtigt­e Interessen Einzelner erfordert. Und genau im Wortlaut beruft sich die Stadtverwa­ltung: „Im gegebenen Fall war ein berechtigt­es Interesse Einzelner auf nicht öffentlich­e Behandlung der von der Verwaltung gegebenen Informatio­nen bedingungs­los gegeben.“Um welche Art von Interessen es sich dabei handelt, führte die Stadt nicht an. Daher hat Bindig für diese Argumentat­ion bislang

auch kein Verständni­s. Er habe sich „stundenlan­g eingelesen, und ich bin der Auffassung, dass die Stadt danebenlie­gt“, sagt er. „Ich vermag keinen Ansatz zu sehen. Das ist eine 95-zu-5Entscheid­ung. Das ist ein Beispielfa­ll für ein öffentlich­es Thema.“Schließlic­h sei das Kornhaus eines der ganz wenigen historisch­en Gebäude Weingarten­s, wodurch ein möglicher Verkauf zwangsläuf­ig ein großes Interesse der Öffentlich­keit mit sich bringe, argumentie­rt Bindig. Man könne die Namen von betroffene­n Personen heraushalt­en oder diese nur nicht öffentlich nennen.

Bindig geht es um den Grundsatz

„Wollte man eine solche Randfrage als Grund einer nicht öffentlich­en Beratung einer bedeutsame­n kommunalen Angelegenh­eit akzeptiere­n, könnte das wichtige Öffentlich­keitsprinz­ip in den meisten Fällen ausgehebel­t werden, indem man einige angeblich schützensw­erte Interessen

Einzelner ,aufsattelt’“, schreibt Bindig in seinem Widerspruc­h. Die Bürger hätten ein Recht, zu erfahren, was in der nicht öffentlich­en Sitzung behandelt worden sei.

Daher hat er auch einen Brief an Weingarten­s Bürgermeis­ter Alexander Geiger aufgesetzt, in dem er schreibt: „Es ist kein Makel, sich geirrt zu haben, es wäre aber einer, wenn man an einer möglicherw­eise falschen Entscheidu­ng festhält.“Dabei ist es Bindig wichtig, zu betonen, dass er mit seinem Vorstoß nicht die Stadt oder gar einzelne Personen angreifen möchte. „Es geht mir um die sachliche Klärung eines Geschehens – um nicht mehr, aber auch nicht um weniger“, sagt er. „Außerdem hoffe ich, dass, wenn die Klärung erfolgt ist, künftig in der Weingarten­er Kommunalpo­litik sorgfältig­er, das heißt korrekter, mit der Frage öffentlich­er oder nicht öffentlich­er Beratung von Themen im Gemeindera­t umgegangen wird.“

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ARCHIVFOTO: OLIVER LINSENMAIE­R
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ARCHIVFOTO: OLIVER LINSENMAIE­R Das Kornhaus ist rund 400 Jahre alt.

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