Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kornhaus: Bürger fordert Aufklärung
Rudolf Bindig legt Widerspruch gegen Vorgehensweise ein – Verwaltung bleibt dabei, richtig entschieden zu haben
Stadtverwaltung Weingarten bleibt dabei, richtig gehandelt zu haben.
WEINGARTEN - Die Stadt Weingarten beschäftigt sich nun auch offiziell mit der nich töffentlichen Behandlung der „Causa Kornhaus“. Der langjährige Bundestagsabgeordnete Rudolf Bindig hat in seiner Rolle als Weingartener Bürger einen offiziellen Widerspruch eingelegt. Damit muss die Stadt das Thema aufgreifen und gegenüber Bindig die bisherige Entscheidung begründen. Auf mehrfache Nachfrage teilte die Stadtverwaltung nun schriftlich mit, dass man formal richtig entschieden habe, im Rahmen des Museums- und Archivskonzepts auch über den Verkauf des Kornhauses zu beraten. Sollte Bindig nach einem klärenden Gespräch mit der Stadtverwaltung am Mittwochvormittag seinen Widerspruch nicht zurücknehmen, bleibt ihm – nach Aussage der Stadt – der Gang vor das Verwaltungsgericht Sigmaringen.
„Ich habe dies gemacht, da ich den Eindruck gewonnen habe, dass mit dieser so wichtigen Frage (von Öffentlichkeit und Nichtöffentlichkeit,
gelegentlich in der Weingartener Kommunalpolitik und insbesondere in diesem konkreten Fall ,zu locker’ umgegangen wird“, sagt Bindig, der die Presse in dieser Frage des öffentlichen Interesses ganz bewusst einbindet. „Durch die Entscheidung werden die Informationsrechte der Bürger und Bürgerinnen von Weingarten, also auch meine Informationsrechte, eingeschränkt“, argumentiert Bindig in seinem Widerspruch, der der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt.
Zum Hintergrund: In der Gemeinderatssitzung am 19. November 2018 wurde nicht öffentlich über ein neues Museums- und Archivkonzept beraten. Eine Überlegung dabei: Der Verkauf des 400 Jahre alten Kornhauses. Während es auf SZ-Nachfrage von städtischer Seite hieß, der Verkauf des Kornhauses sei nur eine Möglichkeit von vielen, sprach ein ausformulierter Beschlussvorschlag eine andere Sprache.
Konkreter Beschlussvorschlag
Nach SZ-Informationen gab es einen eigenen Tagesordnungspunkt mit dem Titel „Veräußerung Kornhaus zur Umsetzung des Museums- und Archivkonzepts“. Unter diesem wollte die Stadtverwaltung bereits zwei Punkte zum Verkauf des Kornhauses beschließen lassen: „Der Gemeinderat befürwortet eine Veräußerung des Kornhauses zum Mindestpreis des vorliegenden Verkehrswertgutachtens im Rahmen eines Museumsund Archivkonzeptes“sowie: „Die Verwaltung wird beauftragt, eine öffentliche Beratung und Beschlussfassung des Gemeinderates zum Museums- und Archivkonzept inklusive dessen Finanzierung vorzubereiten.“
Doch das ging einigen Fraktionen dann zu weit. Sie legten ihr Veto ein, sodass der Beschlussvorschlag letztlich deutlich abgeschwächt wurde (siehe Kasten). Auf den ursprünglichen Beschlussvorschlag ging die Stadtverwaltung in ihrer aktuellen Stellungnahme erneut nicht ein. Vielmehr verweist die Pressestelle auf § 35 der Gemeindeordnung. Darin ist geregelt, dass nicht öffentlich nur verhandelt werden kann, wenn es das öffentliche Wohl oder das berechtigte Interessen Einzelner erfordert. Und genau im Wortlaut beruft sich die Stadtverwaltung: „Im gegebenen Fall war ein berechtigtes Interesse Einzelner auf nicht öffentliche Behandlung der von der Verwaltung gegebenen Informationen bedingungslos gegeben.“Um welche Art von Interessen es sich dabei handelt, führte die Stadt nicht an. Daher hat Bindig für diese Argumentation bislang
auch kein Verständnis. Er habe sich „stundenlang eingelesen, und ich bin der Auffassung, dass die Stadt danebenliegt“, sagt er. „Ich vermag keinen Ansatz zu sehen. Das ist eine 95-zu-5Entscheidung. Das ist ein Beispielfall für ein öffentliches Thema.“Schließlich sei das Kornhaus eines der ganz wenigen historischen Gebäude Weingartens, wodurch ein möglicher Verkauf zwangsläufig ein großes Interesse der Öffentlichkeit mit sich bringe, argumentiert Bindig. Man könne die Namen von betroffenen Personen heraushalten oder diese nur nicht öffentlich nennen.
Bindig geht es um den Grundsatz
„Wollte man eine solche Randfrage als Grund einer nicht öffentlichen Beratung einer bedeutsamen kommunalen Angelegenheit akzeptieren, könnte das wichtige Öffentlichkeitsprinzip in den meisten Fällen ausgehebelt werden, indem man einige angeblich schützenswerte Interessen
Einzelner ,aufsattelt’“, schreibt Bindig in seinem Widerspruch. Die Bürger hätten ein Recht, zu erfahren, was in der nicht öffentlichen Sitzung behandelt worden sei.
Daher hat er auch einen Brief an Weingartens Bürgermeister Alexander Geiger aufgesetzt, in dem er schreibt: „Es ist kein Makel, sich geirrt zu haben, es wäre aber einer, wenn man an einer möglicherweise falschen Entscheidung festhält.“Dabei ist es Bindig wichtig, zu betonen, dass er mit seinem Vorstoß nicht die Stadt oder gar einzelne Personen angreifen möchte. „Es geht mir um die sachliche Klärung eines Geschehens – um nicht mehr, aber auch nicht um weniger“, sagt er. „Außerdem hoffe ich, dass, wenn die Klärung erfolgt ist, künftig in der Weingartener Kommunalpolitik sorgfältiger, das heißt korrekter, mit der Frage öffentlicher oder nicht öffentlicher Beratung von Themen im Gemeinderat umgegangen wird.“