Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ruki Trollmann war der „Zigeunerboxer“
Im Theater Ravensburg wird ein besonderes Stück geprobt
RAVENSBURG (elo) - Es geht ums Erinnern und darum, ob man Vergessen lernen kann. Um Freundschaft, Mut und Schuldgefühle. Und um Rassismus. Seit zwölf Wochen wird im Theater Ravensburg ein ganz besonderes Stück geprobt: „Zigeunerboxer“von Rike Reiniger. Grundlage ist die Lebensgeschichte des sintodeutschen Boxtalents Johann „Ruki“Trollmann, der 1933 für wenige Wochen deutscher Meister im Halbschwergewicht war – bis die Nazis ihm den Titel aberkannten. Premiere des Stücks ist am 15. März.
„Wo lasse ich den Hut fallen? Wann genau lasse ich die Hosenträger los?“Noch probiert Schauspieler Alex Niess auf der Bühne Varianten aus. Regisseur Emrah Elciboga dagegen weiß genau, wo der Hut landen soll und in welchem Moment die Hände des Schauspielers aktiv werden müssen. Elciboga kommt aus Istanbul. Seit 2016 lebt er in Ravensburg. Die Regieanweisungen gibt er auf Türkisch. Seine Frau Zeynep Ela Elciboga übersetzt – oder auch nicht. „Oft reichen Körpersprache und Tonfall, um uns zu verstehen“, sagt Schauspieler Niess. „Wir harmonieren sehr gut.“Einige Worte Türkisch hat Niess inzwischen bereits gelernt, vor allem „yavas“, auf Deutsch: „langsam“.
Für Niess ist „Zigeunerboxer“das erste Solostück – und eine spannende Erfahrung: „Ich bin immer wieder überrascht, wie es mich selber mitnimmt auf der Bühne.“Er profitiere von Elcibogas Erfahrung und davon, dass der Regisseur selbst auch ein sehr guter Schauspieler sei. Elciboga hat den „Zigeunerboxer“in Istanbul schon einmal inszeniert. Jetzt begeistert es ihn, das Stück in der Originalsprache zu erleben, die auch Ruki Trollmann gesprochen hat. Für das Bühnenbild haben Emrah und Zeynep Ela Elciboga Kontakte im Ummenwinkel geknüpft. Sinti-Jugendliche von dort haben an Bühnenbild und Kostümen mitgearbeitet. Bei den deutschen Sinti ist Ruki Trollmanns Geschichte sehr bekannt, der Boxer wird als Held verehrt, berichtet Zeynep Ela Elciboga. Regisseur Emrah Elciboga will ihn auch in der übrigen Bevölkerung bekannter machen. Johann Wilhelm „Ruki“Trollmann wurde 1907 geboren. Er war ein Ausnahmetalent im deutschen Boxsport. Aber wegen seiner sinto-deutschen Wurzeln lehnten ihn die Nazis als „undeutsch boxenden Zigeuner“ab. Er wurde 1944 im Konzentrationslager Wittenberge ermordet. Erst 2003 hat der Bund Deutscher Berufsboxer ihn offiziell als Deutschen Meister im Halbschwergewicht anerkannt. Im Theaterstück wird sein Leben aus der Sicht seines deutschen Freundes Hans erzählt.
„Rassismus gab es nicht nur in der Nazizeit und nicht nur in Deutschland“, sagt Regisseur Elciboga. „Was im Stück passiert, kann überall auf der Welt und zu jeder Zeit passieren.“Ihm gehe es nicht darum, Mitleid mit dem sinto-deutschen Boxer zu wecken. Er sieht die Aufgabe des Theaterstücks vor allem darin, die Zuschauer wachzurütteln: Denn Rassismus könne sich nur austoben, wenn die Menschen wegsehen und nichts dagegen tun.
Gefördert wird die aktuelle Produktion des Theaters Ravensburg vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, dem Bundesprogramm „Demokratie leben“des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Kreissparkasse Ravensburg. Das Stück ist auch für Jugendliche ab 14 Jahren geeignet.
Die Premiere am Freitag, 15. März, beginnt um 19.30 Uhr mit einem musikalischen Intro des Ravensburger Sinti-Jazz-Trios „Die Drahtzieher“im Theatercafé. Bei der Vorstellung werden die Autorin des Stücks, Rike Reiniger, und die 84-jährige Rita Trollmann, Tochter des Boxers Ruki Trollmann, anwesend sein. Weitere Aufführungen gibt es am 16. März, 6. April, 9. Mai und 7. Juni.