Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Was Schulen gegen Mobbing tun
Für Bewältigung konkreter Fälle haben Ravensburger Rektoren verschiedene Ideen
RAVENSBURG - In Berlin ist im Januar eine elfjährige Schülerin gestorben, nach Information des „Tagesspiegel“nach einem Suizidversuch. Das Mädchen könnte unter Mobbing an ihrer Grundschule gelitten haben, wird spekuliert. Bestätigt ist das nicht. Doch der Fall richtet den Fokus auf die Frage, wo Mobbing vorkommen kann und was dagegen getan wird. Ravensburger Rektoren sind sich einig: Mobbing ist nicht nur an Großstadtschulen Thema.
„Selbst die allerbeste Schule kann das nicht ganz verhindern“, sagt der Schulleiter des Gymnasiums im Bildungszentrum St. Konrad, Martin Wotke. Er hält es aber für seine Aufgabe als Schulleiter, Lehrer darauf zu schulen, Mobbing zu erkennen und gegensteuern zu können. „Eine Sechs in Latein kann ein Schüler irgendwann vergessen. Aber Mobbing hinterlässt Verwundungen und Narben, die ein Leben lang halten können.“Um den Begriff richtig zu verwenden, legt er Wert auf die Definition. „Wenn sich der Werterahmen in einer Gruppe verschoben hat und es niemanden mehr stört, wenn jemand runtergemacht, gehauen wird oder den Schulranzen versteckt bekommt, dann ist es wirklich Mobbing.“
Wenn an seiner Schule ein Mobbing-Verdacht aufkommt, bekomme die betreffende Klasse zunächst ein eintägiges Sozialtraining mit Mobbingintervention. Dabei werde über Verletzungen gegen Körper, Besitz und Seele gesprochen. Die Schüler würden gefragt: Wer kriegt am meisten ab in der Klasse? „Die wissen ganz genau, wer das ist“, so Wotke. Bei der Aufarbeitung gehe es im ersten Schritt nicht um die Suche nach „Tätern“. „Es geht darum, den Werterahmen wieder zurechtzurücken. Über Mobbing entscheidet die Mehrheit, nicht der Ausführende. Es geht um die Frage, ob die Masse sagt: Nein, das wollen wir so nicht!“
Die Leiterin der Realschule, Michaela Steinhilber, will das Thema nicht tabuisieren, sondern ihre Schüler stark machen, dagegen vorzugehen. An ihrer Schule gibt es seit 2011 ein 16-köpfiges Anti-Mobbing-Team aus Schülern, Lehrern und Schulsozialarbeit. Jedes Jahr sei der Einsatz des Teams, dem sich Schüler anvertrauen können, zwei- bis dreimal erforderlich. Bei einer Intervention werde versucht, die schweigende Mehrheit dazu zu bringen, den betroffenen Mitschüler zu unterstützen. „Außerdem bekommen die Täter klare Konsequenzen mitgeteilt, wenn sie ihr Verhalten zukünftig nicht ändern“, sagt die Rektorin. „Das kann bis zum Schulausschluss gehen.“
Phänomen kann überall entstehen
Auch Roswitha Malewski, Rektorin von den Grundschulen Kuppelnau und St. Christina, ist überzeugt: Mobbing kann überall entstehen. Auch ihre Schule habe eine „wahnsinnig heterogene Schülerschaft“. In regelmäßigen Gesprächsrunden können Kinder Probleme ansprechen. Aber: „Unsere Schüler sind noch klein, die fressen vieles in sich rein, weil sie sich nicht immer trauen, was zu sagen.“Die Lehrerinnen müssten deshalb wachsam sein. Die beste Vorbeugung für Mobbing ist aus Malewskis Sicht ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das durch Projekte gestärkt werden könne.
Auch an den städtischen Gymnasien, Welfen-, Spohn- und AlbertEinstein-Gymnasium, sind nach Angaben des geschäftsführenden Schulleiters Mark Overhage die Schulsozialarbeiter und Lehrkräfte auf Mobbingintervention geschult. Um Mobbing und Cybermobbing vorzubeugen, behandelt das AEG dieses Thema nicht mehr erst ab der sechsten, sondern schon ab der fünften Klasse.