Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

In dieser Ausstellun­g dürfen die Besucher die Exponate anfassen

Die Bildhaueri­n Angelika Schneider zeigt ihre Steinskulp­turen im Heilig-Geist-Spital – Beim „Steine berühren“den Tastsinn erfahren

- Von Babette Caesar

RAVENSBURG - Eine Ausstellun­g mit Skulpturen hat es im Foyer des Heilig-Geist-Spitals Ravensburg schon lange nicht mehr gegeben. Nun aber, mit der Werkreihe der Ravensburg­er Bildhaueri­n Angelika Schneider, ist es wieder so weit. Unter dem Titel „Steine berühren“zeigt sie 20 figurative und abstrakte Skulpturen, die in den vergangene­n zehn Jahren entstanden sind. Ihr Bildhauerk­ollege Hermann Dippon führte in die am Dienstagab­end eröffnete Ausstellun­g ein.

Der Titel „Steine berühren“ist Programm und ganz ernst gemeint. Die Besucher dürfen, wenn nicht gar sollen, mit den Handfläche­n und Fingern über die samtweich polierten Oberfläche­n gleiten. Um diese mittels Tastsinn zu erkunden und um über das bloße Anschauen hinaus eine weitere sinnliche Erfahrung zu machen. „Toll, dass man die Sachen anfassen darf. Das gibt’s sonst nie“, lauteten so auch spontane Äußerungen von Besuchern, die lange verweilten, oft mit geschlosse­nen Augen. Stefan Jäckle vom Heilig-Geist-Spital verwies in seiner Begrüßung auf die Besonderhe­it einer Skulpturen­ausstellun­g, die das Flair der Spitalhall­e durch die frei im Raum platzierte­n Werke betonen. Angelika Schneiders Skulpturen erklären wolle er nicht, begann Hermann Dippon seine Laudatio mit einem Vergleich aus der griechisch­en Mythologie um den Giganten Antaios. Dieser bezog seine gewaltige Kraft aus der Berührung mit seiner Mutter Gaia, der Erde. Angelika Schneider ist gebürtige Stuttgarte­rin und lebt seit 40 Jahren in Ravensburg. 30 Jahre war sie in der Erwachsene­nbildung tätig, vor zehn Jahren hat sie mit der Steinbildh­auerei angefangen. In Kursen bei Herbert Leichtle und Rudolf Kurz. Dippon blickte auf die Anfänge ihrer künstleris­chen Faszinatio­n für den Stein zurück. Als Urlaubsrei­sen sich in Fahrten zu Steinbrüch­en in Italien verwandelt­en, oder sie in Neuseeland statt Strandspaz­iergänge zu unternehme­n auf den Abraum eines stillgeleg­ten Steinbruch­s stieß.

Lohnender Einblick in Materialit­ät und Farbspektr­en

„Torso“, „Black and Gold“, „Beflügelt“oder „Himmelwärt­s“heißen einige der gezeigten, auf Sockeln fixierten Werke. Sie geben sich figurativ in Gestalt von Köpfen und Gesichtern oder betonen abstrakte Formgebung­en. Auffallend sind der harmonisch­e Schwung, der allen Arbeiten innewohnt, und die Vielzahl der verschiede­nen von ihr verarbeite­ten Gesteinsar­ten. Neben dem weitläufig bekannten CarraraMar­mor tauchen Namen wie Cannstatte­r Travertin, Laaser Marmor, Rosa Perlino oder Alpenkalk auf. So vermittelt die Schau dem Besucher, allein vom Material und den wechselnde­n Farbspektr­en – von leuchtende­m Weiß hin zu rötlichen Ockertönen –, einen lohnenden Einblick. Schneider erlebe sich als Schöpfende, sobald sie mit Hammer und Meißel, Winkelschl­eifer und Steinölen zu Werke geht. In der Regel ohne Modell und ohne Vorstellun­g über das endgültige Aussehen. Linie, Bewegung und Schwung seien die entscheide­nden Faktoren. Eine gewichtige Rolle spielt der Stein selbst. Ist in ihm doch vieles schon angelegt, was Maserung und Struktur angeht. Schön zu sehen ist das an Beispielen wie dem liegenden abstrahier­ten Marmorkopf „Black and Gold“. Einzelne Werke wie „Wunderfitz“oder „Narziss“beleuchten die unterschie­dlich belassenen Oberfläche­n zwischen glatt poliert und offen behauen. Hier ist ein Ertasten von besonderem Reiz. Dass es im Bildhauerl­eben Schneiders durchaus Vorstellun­gen gibt, was aus einem Rohling werden soll, die sich später ändern, lässt das Paar „KussKuss“durchblick­en. Auch die vier Gesichter „Hauptsache“, die, angelegt als eine Art Rundumskul­ptur, ihrer Familie gewidmet sind, zeigen dies. Doch das kann sie nicht ernsthaft erschütter­n, denn für Angelika Schneider beinhaltet der Stein keinen Zweifel. Während sie schlägt, hämmert, schleift und poliert, ist der Kopf frei, und so glaubt sie stets an einen guten Ausgang.

Die Ausstellun­g „Steine berühren“von Angelika Schneider im Foyer des Heilig-Geist-Spitals Ravensburg, Bachstraße 57, dauert bis 10. März. Sie ist von montags bis sonntags von 9 bis 18 Uhr geöffnet.

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FOTO: BABETTE CAESAR Das Berühren der Steinskulp­turen ist in der Ausstellun­g von Angelika Schneider, hier zusammen mit Laudator Hermann Dippon, ausdrückli­ch erlaubt.

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