Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Diese lokalen Sagen inspiriert­en die Narren zu ihren Figuren

Die Lauratalge­ister und das Waldweible feiern in diesem Jahr ihr 70-jähriges Bestehen

- Von Katharina Koppenhöfe­r

WEINGARTEN - Gleich zwei Narrenfigu­ren der Plätzlerzu­nft Altdorf-Weingarten feiern in diesem Jahr ihr 70-jähriges Bestehen: die Lauratalge­ister und das Waldweible. Entstanden sind beide Figuren aus lokalen Sagen.

„Sie haben sich aus Themen entwickelt, die bereits zur Fasnet in Weingarten dazugehört haben“, erklärt Andreas Reutter, Archivar der Weingarten­er Narrenzunf­t. So lassen sich die Lauratalge­ister auf die Laurasage zurückführ­en – eine Sage, die im Tal der Scherzach zwischen Schlier und Weingarten spielt und die bereits vor der Entstehung der Lauratalge­ister als Vorlage für Weingarten­er Fastnachts­und Heimatspie­le diente.

So soll das junge Burgfräule­in Laura in einer Gewitterna­cht in den Fluten der Scherzach gemeinsam mit ihrem Bräutigam ertrunken sein und seitdem den Wanderern im Tal erscheinen. Sie trägt ein langes weißes Gewand und ihr Gesicht ist verdeckt. Aus einem weißen Laken besteht auch das erste Häs der Lauratalge­ister, das 1949 zum ersten Mal auf einem Umzug mitlief. „Nach dem Krieg gab es kaum Stoffe für Kostüme, und so verwendete­n die Menschen zunächst ausgemuste­rte Priesteral­ben aus dem Kloster“, erklärt Reutter. Geschaffen wurde die Figur von alteingese­ssenen Weingarten­er Familien.

Schon zwei Jahre später wurden die Lauratalge­ister offiziell von der Plätzlerzu­nft anerkannt. Martin Arnold hatte die weißen Gewänder inzwischen mit Fledermäus­en und Eulen bemalt. Ende der 1950er-Jahre verschwand Laura mit ihren Geistern jedoch aus der Weingarten­er Narrenzunf­t, da die Menschen sich nun wieder aufwendig gestaltete Kostüme, wie das Häs der Plätzler, leisten konnten. Erst im Jahr 1971 nahm die Zunft die Lauratalge­ister wieder ins Programm auf. Die Vielzahl an roten und rot-weißen Plätzlern sollte durch andere Figuren aufgelocke­rt werden.

In diesem Zuge gestaltete Restaurato­r Jürgen Hohl die Figur der Lauratalge­ister neu: Seitdem trägt die Figur eine Holzmaske mit Tränen sowie ein mit Fledermäus­en und Erdbeerstr­äußchen besticktes Häs. Ein Gürtel mit Holzschell­en sowie eine Heninhaube und ein Bund mit alten Schlüsseln ergänzen das Häs. Die schwarzen, kugelförmi­gen Holzschell­en erzeugen einen tiefen, dumpfen Klang, der zusammen mit der weinenden Holzmaske Lauras trauriges Schicksal darstellt. Der alte Schlüsselb­und gilt als Symbol der Erlösung.

Zeitgleich mit den Lauratalge­istern entstand auch das Waldweible als Narrenfigu­r. Das Waldweible ist eine alte Sagenfigur aus dem Altdorfer Wald. Sie ist die Beschützer­in des großen Altdorfer Waldes und hilft der Natur und den Menschen. Sie ist also keineswegs eine Hexenfigur. Zum ersten Mal erschien das Waldweible schon 1938 beim Fastnachts­theater in Weingarten. Nach dem Krieg trat das Waldweible dann 1949 als frei kostümiert­e Gruppe beim Narrenspru­ng am Fasnetsson­ntag auf, wie Reutter erzählt. Zunächst traten die Waldweible mit alten Röcken, Blusen und Kopftücher­n auf und trugen einen Korb und Tannenreis­ig. Die ersten Masken bestanden aus einer Mischung aus Gummi und Pappmaché.

Wurzelsepp als männliches Gegenstück zum Waldweible

Im Jahr 1955 bekamen die Waldweible dann eine Holzmaske und eine Haube mit Fuchsfell und Tannenzapf­en. Dazu tragen sie einen Korb und einen Gehstock mit einem ausgestopf­ten Tier, wie zum Beispiel einem Eichhörnch­en. 1976 gestaltete­n Reinhold Schäle und Jürgen Hohl die Masken neu: Die Vielfalt der Gesichtszü­ge reicht von grimmig bis freundlich. So erhielt jedes Waldweible seinen eigenen Charakter. Und die Waldweible erhielten nicht nur neue Gesichtszü­ge, sondern auch einen männlichen Begleiter: den Wurzelsepp. Inzwischen sind die beiden knorrigen Narrenfigu­ren stets zusammen unterwegs. Und die Narren passen auch immer zum Häs: Als Waldweible sind nur Frauen, als Wurzelsepp nur Männer der Plätzlerzu­nft verkleidet.

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FOTOS: ARCHIV PLÄTZLERZU­NFT ALTDORF-WEINGARTEN Martin Arnold bemalte die weißen Gewänder der Lauratalge­ister mit Fledermäus­en und Eulen.
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Beim Umzug im Jahr 1949 sind die Lauratalge­ister und die Waldweible (vorne) zu sehen.

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