Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Diese lokalen Sagen inspirierten die Narren zu ihren Figuren
Die Lauratalgeister und das Waldweible feiern in diesem Jahr ihr 70-jähriges Bestehen
WEINGARTEN - Gleich zwei Narrenfiguren der Plätzlerzunft Altdorf-Weingarten feiern in diesem Jahr ihr 70-jähriges Bestehen: die Lauratalgeister und das Waldweible. Entstanden sind beide Figuren aus lokalen Sagen.
„Sie haben sich aus Themen entwickelt, die bereits zur Fasnet in Weingarten dazugehört haben“, erklärt Andreas Reutter, Archivar der Weingartener Narrenzunft. So lassen sich die Lauratalgeister auf die Laurasage zurückführen – eine Sage, die im Tal der Scherzach zwischen Schlier und Weingarten spielt und die bereits vor der Entstehung der Lauratalgeister als Vorlage für Weingartener Fastnachtsund Heimatspiele diente.
So soll das junge Burgfräulein Laura in einer Gewitternacht in den Fluten der Scherzach gemeinsam mit ihrem Bräutigam ertrunken sein und seitdem den Wanderern im Tal erscheinen. Sie trägt ein langes weißes Gewand und ihr Gesicht ist verdeckt. Aus einem weißen Laken besteht auch das erste Häs der Lauratalgeister, das 1949 zum ersten Mal auf einem Umzug mitlief. „Nach dem Krieg gab es kaum Stoffe für Kostüme, und so verwendeten die Menschen zunächst ausgemusterte Priesteralben aus dem Kloster“, erklärt Reutter. Geschaffen wurde die Figur von alteingesessenen Weingartener Familien.
Schon zwei Jahre später wurden die Lauratalgeister offiziell von der Plätzlerzunft anerkannt. Martin Arnold hatte die weißen Gewänder inzwischen mit Fledermäusen und Eulen bemalt. Ende der 1950er-Jahre verschwand Laura mit ihren Geistern jedoch aus der Weingartener Narrenzunft, da die Menschen sich nun wieder aufwendig gestaltete Kostüme, wie das Häs der Plätzler, leisten konnten. Erst im Jahr 1971 nahm die Zunft die Lauratalgeister wieder ins Programm auf. Die Vielzahl an roten und rot-weißen Plätzlern sollte durch andere Figuren aufgelockert werden.
In diesem Zuge gestaltete Restaurator Jürgen Hohl die Figur der Lauratalgeister neu: Seitdem trägt die Figur eine Holzmaske mit Tränen sowie ein mit Fledermäusen und Erdbeersträußchen besticktes Häs. Ein Gürtel mit Holzschellen sowie eine Heninhaube und ein Bund mit alten Schlüsseln ergänzen das Häs. Die schwarzen, kugelförmigen Holzschellen erzeugen einen tiefen, dumpfen Klang, der zusammen mit der weinenden Holzmaske Lauras trauriges Schicksal darstellt. Der alte Schlüsselbund gilt als Symbol der Erlösung.
Zeitgleich mit den Lauratalgeistern entstand auch das Waldweible als Narrenfigur. Das Waldweible ist eine alte Sagenfigur aus dem Altdorfer Wald. Sie ist die Beschützerin des großen Altdorfer Waldes und hilft der Natur und den Menschen. Sie ist also keineswegs eine Hexenfigur. Zum ersten Mal erschien das Waldweible schon 1938 beim Fastnachtstheater in Weingarten. Nach dem Krieg trat das Waldweible dann 1949 als frei kostümierte Gruppe beim Narrensprung am Fasnetssonntag auf, wie Reutter erzählt. Zunächst traten die Waldweible mit alten Röcken, Blusen und Kopftüchern auf und trugen einen Korb und Tannenreisig. Die ersten Masken bestanden aus einer Mischung aus Gummi und Pappmaché.
Wurzelsepp als männliches Gegenstück zum Waldweible
Im Jahr 1955 bekamen die Waldweible dann eine Holzmaske und eine Haube mit Fuchsfell und Tannenzapfen. Dazu tragen sie einen Korb und einen Gehstock mit einem ausgestopften Tier, wie zum Beispiel einem Eichhörnchen. 1976 gestalteten Reinhold Schäle und Jürgen Hohl die Masken neu: Die Vielfalt der Gesichtszüge reicht von grimmig bis freundlich. So erhielt jedes Waldweible seinen eigenen Charakter. Und die Waldweible erhielten nicht nur neue Gesichtszüge, sondern auch einen männlichen Begleiter: den Wurzelsepp. Inzwischen sind die beiden knorrigen Narrenfiguren stets zusammen unterwegs. Und die Narren passen auch immer zum Häs: Als Waldweible sind nur Frauen, als Wurzelsepp nur Männer der Plätzlerzunft verkleidet.