Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Renten liegen unter dem Landesschnitt
Expertin rechnet mit sinkenden Altersbezügen in Zukunft – Frauen holen allerdings auf
Senioren im Kreis Ravensburg bekommen vergleichsweise schmale Renten.
RAVENSBURG - Die Gesamtheit der Senioren im Kreis Ravensburg bekommt weniger Rente als der badenwürttembergische Durchschnittsrentner. Frauen müssen außerdem mit deutlich weniger Geld klarkommen als Männer. Und künftig werden die Renten eher noch sinken – nur für die Frauen geht es erst mal aufwärts.
Insgesamt leben 51 296 Rentner im Landkreis Ravensburg. Die Männer bekommen im Schnitt 1145,80 Euro Altersrente, Frauen nur etwas mehr als die Hälfte dieses Wertes, nämlich 629,63 Euro. Das geht aus einer Statistik der Deutschen Rentenversicherung für 2017 hervor, eine aktuellere Statistik gibt es noch nicht. Damit liegt die Rente der Männer um 74,05 Euro oder 6,07 Prozent unter dem baden-württembergischen Landesschnitt, Frauen bekommen 51,27 Euro oder 7,53 Prozent weniger Rente als eine Durchschnittsrentnerin im Südwesten. Auch zu den direkt angrenzenden Landkreisen gibt es deutliche Unterschiede (sieh Grafik).
Hausfrauen bekommen nur magere Rente
Woran das liegt, dass die Renten im Kreis Ravensburg deutlich unter dem Landesschnitt liegen, dazu gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Aber die Leiterin des Regionalzentrums Ravensburg der Deutschen Rentenversicherung nennt mehrere Faktoren, die eine Rolle spielen. Zum einen werde der Schnitt gedrückt, wenn viele einst Selbstständige und Teilzeitbeschäftigte unter den Rentnern sind. Beispiel: Ein Handwerker hat sich nach der Ausbildung selbstständig gemacht und somit nur während der Lehrzeit in die gesetzliche Rentenversicherung einbezahlt. Während der Selbstständigkeit hat er dann wahrscheinlich privat vorgesorgt. Er bezieht im Alter nur eine sehr kleine Regel- altersrente.
Ganz magere Renten er- halten außerdem in erster Linie Frauen, die nie in einer Anstellung gearbeitet haben, weil sie ein Familienmodell lebten, in dem der Mann arbeiten ging und die Frau zu Hause blieb. Diese Frauen haben zum Beispiel durch die Kindererziehung Rentenansprüche – für jedes Kind werden dem Elternteil, der das Kind überwiegend erzieht, Entgeltpunkte für die Rente gutgeschrieben.
Auch regional gibt es Unterschiede. Der Vergleich mit dem benachbarten Bodenseekreis zeigt, dass die Rente für Männer dort üppiger ausfällt. „Dort gibt es viele große Firmen, zum Beispiel Autozulieferer und andere Unternehmen im Metallbereich“, sagt Gegenbauer. Wer dort sein Arbeitsleben lang gearbeitet hat, habe wegen der Tarifbindung und möglichen Schicht-Zuschlägen gut verdient und eine entsprechend hohe Rente.
Die beiden Landkreise Ravensburg und Sigmaringen seien ländlicher geprägt, die einstigen Verdienste der heutigen Rentner seien dort im Schnitt nicht so hoch gewesen. Man müsse dabei dann aber auch bedenken, dass in diesen Gebieten die Kosten der Lebenshaltung geringer seien. „Man hat hier mehr vom Geld.“
Wie sich die Renten in Zukunft entwickeln lässt sich an der Statistik der Neurentner ablesen – dabei wird deutlich: Die Renten sinken – zumindest bei Männern. Männer, die im Jahr 2017 aufgehört haben zu arbeiten, bekommen eine Rente unter dem bisherigen Schnitt – das ist im Kreis Ravensburg genau so wie landesweit.
Arbeitsbiografien werden brüchiger und kürzer
„Die Renten sinken eher, auch weil die Lebensläufe nicht mehr so konstant sind wie bisher“, sagt Gegenbauer. Es sei nicht mehr so, dass Arbeitskräfte ihr ganzes Arbeitsleben bei einem Unternehmen verbringen. Stattdessen komme es häufiger zu Brüchen im Lebenslauf und gegebenenfalls zu vorübergehender Arbeitslosigkeit. Ein weiterer Grund für das geringere Rentenniveau: „Wir haben nicht mehr so viele lange Versicherungszeiten, auch weil es viel mehr Studenten gibt“, sagt Gegenbauer. Wer lange an der Uni ist, fängt erst spät beim ersten Job an, in die Rentenversicherung einzuzahlen.
Weibliche Neurentner bekommen indes mehr Geld als Frauen in den Rentnergenerationen von ihnen. „Nach und nach kommen die Frauen in Rente, die auf eine Vollzeitarbeit geachtet haben und ihre Kinder betreuen ließen“, sagt Gegenbauer. „Außerdem haben wir mehr und mehr qualifizierte Frauen in Rente.“Das heißt, dass sie während des Arbeitslebens gut verdient haben. „Qualifizierung ist das A und O für eine hohe Rente.“
Etliche Rentner sind auf Grundsicherung angewiesen
Auch der Kreis Sigmaringen hole auf – dort schneiden nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer besser ab als bisherige Rentnergenerationen. „Der Landkreis ist immer noch sehr ländlich geprägt, aber die Menschen sind mobiler geworden. Es ist heute kein Problem, 70 Kilometer zur Arbeit zu fahren“, sagt Gegenbauer.
Ein wachsender Teil der Senioren ist auf Grundsicherung angewiesen – entweder weil sie keine oder nur eine sehr geringe Rente erhalten. Im Jahr 2003 bezogen deutschlandweit nach Angaben von Gegenbauer nur 1,7 Prozent der älteren Menschen Grundsicherung. 2016 waren es demnach schon gut drei Prozent. Für das Jahr 2030 rechne man damit, dass zwischen gut vier und knapp sechs Prozent der Senioren auf Grundsicherung angewiesen sind.
In Ravensburg und Teilorten bekamen Ende 2017 insgesamt 241 Personen Grundsicherung im Alter. Wer mit der Rente zwar über dem Existenzminimum liegt, aber Schwierigkeiten hat, seine Miete zu bezahlen, kann Wohngeld bekommen: 326 Haushalte von Rentnern in Ravensburg sind auf diese Leistung angewiesen. Beim städtischen Sozialamt geht man davon aus, dass die Zahl der Rentner, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, steigt.