Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Frauen und Verheiratete an den Altar
Die katholische Kirche hat ein Nachwuchsproblem - Ein Signal aus Rom macht Hoffnung
Dekan Schmid macht sich stark für neue Ideen gegen Priestermangel.
WEINGARTEN - Der jüngst öffentlich gewordene sexuelle Missbrauch hat die katholischen Kirche in ihren Grundfesten erschüttert. Doch nicht erst seit Bekanntwerden sexueller Verbrechen an Kindern und Schutzbefohlenen hat sie ein massives Problem. Beim Priesternachwuchs klafft seit Jahren eine Lücke, die sie kaum auffüllen kann. Weingartens Dekan Ekkehard Schmid fordert ein Umdenken. Im Dekanatsrat unterstützt er die Idee, Frauen am Altar predigen zu lassen und verheiratete Männer zu Priestern zu weihen.
Die pastorale Nähe fehlt
Für junge Menschen ist der Priesterberuf immer weniger attraktiv. Ein Pfarrer muss mehrere Gemeinden gleichzeitig betreuen. Die Diözese Stuttgart-Rottenburg beispielsweise hat 1100 Gemeinden. „Aber bei Weitem keine 1100 Pfarrer mehr“, sagt Dekan Schmid. „Schon lange nicht mehr, schon seit Jahrzehnten nicht mehr.“
Eine wirklich echte Beziehung zu den Menschen, eine pastorale Nähe auch in der Seelsorge - sei so kaum mehr möglich. Die vakanten Stellen mit ausländischen Pfarrern aufzufüllen ist auch keine Lösung, zumal die Diözese vorgegeben hat, dass zwei Drittel der Priester eigene sein müssen, ein Drittel dürfen ausländische Mitbrüder sein.
Die Situation ist der Kirche bekannt. Man kennt die Prognosen, die Alterspyramide des Klerus und man kennt den Nachwuchs. Aber: Wie sehen die Antworten aus?
Die Zeichen der Zeit erkennen
Natürlich fällt in diesen Zusammenhang immer das Zölibat. Die Forderungen des Priesteramts, unverheiratet zu bleiben und sexuell enthaltsam zu leben, ist wenig attraktiv. Für Frauen ist es gar unmöglich ins Priesteramt zu kommen. Der Streit innerhalb der Kirche über die Frage, ob man am Zölibat unbedingt festhalten müsse, scheint ein rein theologischer zu sein. Traditionalisten argumentieren, Jesus hat Männer gerufen, die alles hinter sich lassen sollten. Allerdings, so die Gegenargumentation, gibt es doch tatsächlich verheiratete Priester. Nach orthodoxem Recht dürfen Priester verheiratet sein und sie bleiben verheiratet, wenn sie zum katholischen Glauben konvertieren. Also: Es geht doch.
Dekan Schmid argumentiert aus einer anderen Perspektive. „Um welchen Preis hält man am Zölibat fest?“, fragt er. „Dass man keine Priester mehr hat? Das ist schwer nachzuvollziehen, was hier geopfert wird. Die Menschen verstehen nicht mehr den Zusammenhang von Theologie und Praxis und warum man da so den Deckel drauf hält.“Es gebe eben wenige, die die Zeichen der Zeit erkennen und den Mut haben zu sagen, das sei jetzt dran.
Klar, so Schmid weiter, könne man argumentieren und sie bewege sich doch. Es gibt Pastoralreferentinnen oder Ordinariatsrätinnen, die mit einem Domkapitular auf einer Ebene stehen. Aber das sei auf einer Ebene angesiedelt, wo niemand durchstarten könne. Und wenn der Bischof sage, er könne keine Sonderwege gehen und Rom eine globale Lösung verlange, ändere sich eben nichts.
Für Bischof Gebhard Fürst von der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist das Zölibat kein Thema. Im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“sagte der Bischof, die Ehelosigkeit der Priester sei und bleibe ihm wichtig.
Die Diskussion, sogenannte „viri probati“, verheiratete Männer, die vorbildlich nach römisch-katholischen Grundsätzen leben, zum Priesteramt zuzulassen, gibt es bereits seit der Würzburger Synode Anfang der 1970er Jahre. Daran habe sich, so Schmid, eine ganze Generation von Theologen abgearbeitet. Eine Generation, die jetzt in Rente geht, mit leeren Händen dasteht und sich frage, was sie ihren Kindern sagen könne. Denn: Es bewege sich doch gar nichts. Ganz zu Schweigen von der Frage, Frauen als Diakoninnen zuzulassen und damit Gottesdienste am Altar abhalten zu dürfen.
Die Reformer geben nicht auf
Doch die Reformer innerhalb der Kirche geben nicht auf. Im Dezember 2017 hat der Dekanatsrat AllgäuOberschwaben eine Stellungnahme „Zur Frage der zukünftigen Sicherstellung von Leitung und zentraler Vollzüge kirchlichen Lebens in den Kirchengemeinden“an Bischof Gebhard Fürst geschickt. Die Unterzeichner der Resolution, darunter auch Dekan Schmid, unterstützen, verheiratete Männer zum Priesteramt zuzulassen und Frauen zu Diakoninnen zu weihen.
Teilkirche als Hoffnungsschimmer
Ob die Kirche sich dieses Mal bewegt und den Weg der Neuerung geht, hängt von vielen Faktoren ab. Eines lässt Schmid aber hoffen. Normalerweise suche die Kirche immer nach einer globalen Lösung. Oder sie blockiere ganz, wie es Papst Johannes Paul II. getan habe: Über das Amt wird nicht geredet! Basta!
Papst Franziskus schlage in dieser Frage einen anderen Weg ein. Er fragt nach Vorschlägen, wie das Nachwuchsproblem vor Ort gelöst werden könne. „Das wäre eine Teillösung“, sagt Schmid. „Das hat es noch nie gegeben. Das Prinzip der Teilkirche ist ein Hoffnungsschimmer.“Aber die bange Frage bleibt, ob Papst Franziskus in dieser Frage auch tatsächlich liefern wird.
Wenn er es tut, könnten tatsächlich Frauen am Altar und verheiratete Männer im Priesteramt möglich sein.