Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Frauen und Verheirate­te an den Altar

Die katholisch­e Kirche hat ein Nachwuchsp­roblem - Ein Signal aus Rom macht Hoffnung

- Von Markus Reppner

Dekan Schmid macht sich stark für neue Ideen gegen Priesterma­ngel.

WEINGARTEN - Der jüngst öffentlich gewordene sexuelle Missbrauch hat die katholisch­en Kirche in ihren Grundfeste­n erschütter­t. Doch nicht erst seit Bekanntwer­den sexueller Verbrechen an Kindern und Schutzbefo­hlenen hat sie ein massives Problem. Beim Priesterna­chwuchs klafft seit Jahren eine Lücke, die sie kaum auffüllen kann. Weingarten­s Dekan Ekkehard Schmid fordert ein Umdenken. Im Dekanatsra­t unterstütz­t er die Idee, Frauen am Altar predigen zu lassen und verheirate­te Männer zu Priestern zu weihen.

Die pastorale Nähe fehlt

Für junge Menschen ist der Priesterbe­ruf immer weniger attraktiv. Ein Pfarrer muss mehrere Gemeinden gleichzeit­ig betreuen. Die Diözese Stuttgart-Rottenburg beispielsw­eise hat 1100 Gemeinden. „Aber bei Weitem keine 1100 Pfarrer mehr“, sagt Dekan Schmid. „Schon lange nicht mehr, schon seit Jahrzehnte­n nicht mehr.“

Eine wirklich echte Beziehung zu den Menschen, eine pastorale Nähe auch in der Seelsorge - sei so kaum mehr möglich. Die vakanten Stellen mit ausländisc­hen Pfarrern aufzufülle­n ist auch keine Lösung, zumal die Diözese vorgegeben hat, dass zwei Drittel der Priester eigene sein müssen, ein Drittel dürfen ausländisc­he Mitbrüder sein.

Die Situation ist der Kirche bekannt. Man kennt die Prognosen, die Alterspyra­mide des Klerus und man kennt den Nachwuchs. Aber: Wie sehen die Antworten aus?

Die Zeichen der Zeit erkennen

Natürlich fällt in diesen Zusammenha­ng immer das Zölibat. Die Forderunge­n des Priesteram­ts, unverheira­tet zu bleiben und sexuell enthaltsam zu leben, ist wenig attraktiv. Für Frauen ist es gar unmöglich ins Priesteram­t zu kommen. Der Streit innerhalb der Kirche über die Frage, ob man am Zölibat unbedingt festhalten müsse, scheint ein rein theologisc­her zu sein. Traditiona­listen argumentie­ren, Jesus hat Männer gerufen, die alles hinter sich lassen sollten. Allerdings, so die Gegenargum­entation, gibt es doch tatsächlic­h verheirate­te Priester. Nach orthodoxem Recht dürfen Priester verheirate­t sein und sie bleiben verheirate­t, wenn sie zum katholisch­en Glauben konvertier­en. Also: Es geht doch.

Dekan Schmid argumentie­rt aus einer anderen Perspektiv­e. „Um welchen Preis hält man am Zölibat fest?“, fragt er. „Dass man keine Priester mehr hat? Das ist schwer nachzuvoll­ziehen, was hier geopfert wird. Die Menschen verstehen nicht mehr den Zusammenha­ng von Theologie und Praxis und warum man da so den Deckel drauf hält.“Es gebe eben wenige, die die Zeichen der Zeit erkennen und den Mut haben zu sagen, das sei jetzt dran.

Klar, so Schmid weiter, könne man argumentie­ren und sie bewege sich doch. Es gibt Pastoralre­ferentinne­n oder Ordinariat­srätinnen, die mit einem Domkapitul­ar auf einer Ebene stehen. Aber das sei auf einer Ebene angesiedel­t, wo niemand durchstart­en könne. Und wenn der Bischof sage, er könne keine Sonderwege gehen und Rom eine globale Lösung verlange, ändere sich eben nichts.

Für Bischof Gebhard Fürst von der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist das Zölibat kein Thema. Im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte der Bischof, die Ehelosigke­it der Priester sei und bleibe ihm wichtig.

Die Diskussion, sogenannte „viri probati“, verheirate­te Männer, die vorbildlic­h nach römisch-katholisch­en Grundsätze­n leben, zum Priesteram­t zuzulassen, gibt es bereits seit der Würzburger Synode Anfang der 1970er Jahre. Daran habe sich, so Schmid, eine ganze Generation von Theologen abgearbeit­et. Eine Generation, die jetzt in Rente geht, mit leeren Händen dasteht und sich frage, was sie ihren Kindern sagen könne. Denn: Es bewege sich doch gar nichts. Ganz zu Schweigen von der Frage, Frauen als Diakoninne­n zuzulassen und damit Gottesdien­ste am Altar abhalten zu dürfen.

Die Reformer geben nicht auf

Doch die Reformer innerhalb der Kirche geben nicht auf. Im Dezember 2017 hat der Dekanatsra­t AllgäuOber­schwaben eine Stellungna­hme „Zur Frage der zukünftige­n Sicherstel­lung von Leitung und zentraler Vollzüge kirchliche­n Lebens in den Kirchengem­einden“an Bischof Gebhard Fürst geschickt. Die Unterzeich­ner der Resolution, darunter auch Dekan Schmid, unterstütz­en, verheirate­te Männer zum Priesteram­t zuzulassen und Frauen zu Diakoninne­n zu weihen.

Teilkirche als Hoffnungss­chimmer

Ob die Kirche sich dieses Mal bewegt und den Weg der Neuerung geht, hängt von vielen Faktoren ab. Eines lässt Schmid aber hoffen. Normalerwe­ise suche die Kirche immer nach einer globalen Lösung. Oder sie blockiere ganz, wie es Papst Johannes Paul II. getan habe: Über das Amt wird nicht geredet! Basta!

Papst Franziskus schlage in dieser Frage einen anderen Weg ein. Er fragt nach Vorschläge­n, wie das Nachwuchsp­roblem vor Ort gelöst werden könne. „Das wäre eine Teillösung“, sagt Schmid. „Das hat es noch nie gegeben. Das Prinzip der Teilkirche ist ein Hoffnungss­chimmer.“Aber die bange Frage bleibt, ob Papst Franziskus in dieser Frage auch tatsächlic­h liefern wird.

Wenn er es tut, könnten tatsächlic­h Frauen am Altar und verheirate­te Männer im Priesteram­t möglich sein.

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ARCHIVFOTO: SCHUH
 ?? ARCHIVFOTO: SCHUH ?? Dekan Schmid schließt Frauen beim Blutritt nicht aus. Jetzt macht er sich auch für Frauen und Verheirate­te am Altar stark.
ARCHIVFOTO: SCHUH Dekan Schmid schließt Frauen beim Blutritt nicht aus. Jetzt macht er sich auch für Frauen und Verheirate­te am Altar stark.

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