Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Unterwegs zur Aufklärung gegen Drogenmiss­brauch

Nahezu jeden dritten Tag diskutiert Kriminalha­uptkommiss­ar Suckel mit Schülern im Landkreis Ravensburg

- Von Tobias Schumacher

LEUTKIRCH/ISNY/BAD WURZACH Rund 120 Mal im Jahr – im Durchschni­tt also fast jeden dritten Tag – besuchen Kriminalha­uptkommiss­ar Florian Suckel und seine Kollegen Schulen im Landkreis Ravensburg. Zweck ihrer Veranstalt­ungen: Sie wollen Schüler, aber auch Eltern und Lehrer über die Folgen informiere­n, die Drogen- und Alkoholmis­sbrauch mit sich bringen. Das geschehe „nicht mit erhobenem Zeigefinge­r wie früher – und auch nicht karitativ“, ist Suckel wichtig zu betonen, sondern: „Wir versuchen aufzukläre­n, indem wir vor allem rechtliche Konsequenz­en und gesundheit­liche Gefahren aufzeigen.“

Florian Suckel leitet das in Ravensburg ansässige „Referat Prävention“und kommt regelmäßig auch ins württember­gische Allgäu. Unlängst bestritt er am Hans-Multscher-Gymnasium in Leutkirch einen ganzen Vormittag, einen Tag später einen Aufklärung­sabend in der Wangener Stadthalle, organisier­t in Zusammenar­beit mit dem Elternbeir­at.

„Landesweit steht Prävention auf dem Stundenpla­n, schwerpunk­tmäßig in den Sekundarst­ufen“, erklärt Suckel zu ähnlichen Veranstalt­ungen in den weiterführ­enden Schulen in Bad Wurzach, Isny und Leutkirch.

Im Allgäu sei sein „Schwerpunk­t der Umgang mit Alkohol“, berichtet Suckel, denn vom sogenannte­n „Komasaufen“sei der „Südwesten sehr betroffen“. 2009 habe es einen ersten Höhepunkt gegeben, und seit 2015/16 sei die Tendenz „wieder leicht steigend“. Seine Ausführung­en in den Schulen beginnen daher mit allgemeine­n gesundheit­lichen Gefahren, die der „Suchtstoff“Alkohol auf einen jungen Organismus hat.

Dann erzählt Suckel aus dem Polizeiall­tag: Etwa von einem Jugendlich­en, der beim Leutkirche­r Kinderfest mit „1,8 oder 1,9 Promille“aufgegriff­en wurde; und, welche Konsequenz­en daraus folgten: „Den Roller-Führersche­in mit 16 oder begleitete­s Fahren ab 17 kann er knicken.“Schüler, gerade in ländlichen Regionen, die möglichst bald selbst mobil sein wollen, könnten Konsequenz­en gut nachempfin­den, wenn Suckel hinzufügt, dass in diesem Fall noch lange ärztlich geprüft wird , „ob der Betroffene den Alkohol im Griff hat – das wollen wir den Kindern verdeutlic­hen“.

Ein zweites Thema, das oft in Verbindung mit Alkohol steht und bei dem er „insbesonde­re Mädchen“warne, sind die sogenannte­n K.o.Tropfen. Die kämen in der Region zwar „sehr selten“vor, doch Suckel geht von einer hohen „Dunkelziff­er aus, weil die Nachweisba­rkeit schwierig“sei. Anknüpfung­spunkt bei seinen Veranstalt­ungen sei hier ein „Selbstvers­uch unter ärztlicher Aufsicht“mit K.o.-Tropfen, der in der Fernsehsen­dung „Gallileo“gesendet wurde und bei Jugendlich­en dank der Sozialen Medien bekannt sei.

Suckel verdeutlic­ht, dass die Tropfen „eigentlich ein Reinigungs­mittel sind und mehrere Stunden Amnesie“(Gedächtnis­verlust) verursache­n können. In seiner „Botschaft“in den Schulen appelliere er an „Eigenveran­twortlichk­eit“, gebe vordringli­ch aber Empfehlung­en zum Selbstschu­tz auf Festen und Partys: „Beobachtet euch gegenseiti­g, trinkt nur aus Flaschen, macht eure Getränke leer, bevor ihr aufs Klo geht, lasst euch nicht einladen.“Mit diesen Hinweisen wolle er „keine Panik verbreiten“, empfiehlt aber eindringli­ch, „um Hilfe zu rufen, sobald sich jemand unwohl fühlt – an der Bar, bei der Security, bei der Polizei“.

Wenn er den „illegalen Bereich“thematisie­re, komme es vielfach zu Diskussion­en mit den Kindern, er müsse immer wieder unterstrei­chen: „Cannabis ist verboten!“Schüler führten Youtube-Videos ins Feld, die für eine Legalisier­ung argumentie­ren. Er halte entgegen, dass der darin enthaltene Wirkstoff THC ein Nervengift ist, das bei jungen Menschen „das Zellwachst­um schädigt“; dass bei einer Freigabe ein Ansteigen des Konsums zu erwarten sei; dass „Dauerkonsu­m sehr schnell ein großes Problem“darstellen könne.

Als „Politikum“bezeichnet Suckel, dass seitens der Schüler hier oft auf die „Alkoholfre­igabe“verwiesen werde. Diesen Argumenten könne er einzig mit dem Jugendschu­tzgesetz begegnen. Wobei er vielfach nicht nur damit überrasche, dass Alkohol erst ab 16 Jahren konsumiert werden darf, sondern „Rauchen erst ab 18 in der Öffentlich­keit erlaubt ist“.

Als Aufklärung wie Abschrecku­ng gleichzeit­ig weise er darauf hin, dass „der Erwachsene sanktionie­rt wird, der diese Drogen weitergege­ben hat“– und strafrecht­liche „Konsequenz­en vom Hunderter bis zum Tausender“reichen können. Sein „Referat Prävention“arbeite in diesem Feld auch mit Veranstalt­ern von Festen zusammen, um sie anzuhalten, den Jugendschu­tz besser zu kontrollie­ren.

Ein relativ neues, zugleich schwierige­s Gebiet für die polizeilic­he Aufklärung­sarbeit sind laut Suckel die sogenannte­n „neuen psychoakti­ven Substanzen“(NPSG), landläufig auch als „Kräutermis­chungen“, „Badesalze“oder „Legal Highs“tituliert. „Glückliche­rweise sind die inzwischen alle illegal“, sagt der Kriminalha­uptkommiss­ar in Erinnerung an das frühere „Katz-undMaus-Spiel“, zu dem Ermittler nach dem alten Betäubungs­mittelgese­tz gezwungen waren, bis der Gesetzgebe­r Ende 2016 ein „NPSG-Gesetz“erlassen habe.

„Damit wurden alle Stoffgrupp­en unter Strafe gestellt, die synthetisc­h hergestell­tes THC beinhalten“, ist Suckel froh über die seiner Überzeugun­g nach einzig richtige Konsequenz.„Inzwischen haben wir 150 bis 180 Todesfälle pro Jahr – bei einer stetigen Steigerung.“

Wichtiger Abschluss seiner Veranstalt­ungen sei die Antwort auf Fragen von Eltern oder Lehrern, wie sie Drogenmiss­brauch bei Kindern erkennen. „Extrem erweiterte Pupillen oder extreme Lichtempfi­ndlichkeit“, die von Cannabis, Kokain oder Amphetamin­en verursacht werden, könne ein „Hinweis auf illegalen Suchtmitte­lkonsum“sein, gibt er als Faustregel aus. Allerdings wiesen „Amphetamin­e, Extacy oder Chrystal Meth“in der hiesigen Region nur wenige Fallzahlen auf. Auch Kokain oder Heroin seien „hier nicht so relevant“. Generell, sagt Kriminalha­uptkommiss­ar Florian Suckel, „ist das Allgäu keine Insel der Glückselig­keit“, der Drogenkons­um liege im bundesweit­en Durchschni­tt.

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FOTO: PATRICK MÜLLER Kriminalha­uptkommiss­ar Florian Suckel (rechts) im Gespräch mit SZRedakteu­r Tobias Schumacher.

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