Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Beschützer fürs Schutzgebi­et

Im Biosphären­gebiet auf der Schwäbisch­en Alb achten nun zwei Ranger darauf, dass Wanderer die Naturschut­zregeln einhalten

- Von Kathrin Löffler

MÜNSINGEN (lsw) - Als Steffen Schretzman­n und Daniel Schlemonat auf zwei Spaziergän­ger treffen, gibt es nichts zu monieren. Eine Frau und ein Mann laufen durch die Wacholderh­eide bei Gomadingen im Kreis Reutlingen. Kein Problem an diesem Nachmittag. Es herrscht Handschuhw­etter, Rauhreif hat Sträucher und Bäume eingepackt, vereinzelt funkeln Schneefloc­ken durch die Luft. Zu einem anderen Zeitpunkt im Jahr könnte die Streckenwa­hl der Spaziergän­ger etwas störender ausfallen: etwa für Vögel, die dort ihre Eier ablegen. Außerdem lebten dort sehr viele Insektenar­ten, sagt Schretzman­n.

Schretzman­n, 42, und Schlemonat, 32, arbeiten seit Oktober als Ranger im Biosphären­gebiet Schwäbisch­e Alb. Es umfasst 85 000 Hektar, Anteile aus drei Landkreise­n, 29 Gemeinden, Wälder und Streuobstw­iesen, Höhlen und Albtrauf. Ruhig geht es dort nicht immer zu. Im Jahr 2017 stieg die Zahl der Ankünfte von Touristen auf der gesamten Alb auf 2,5 Millionen, ein Zuwachs von mehr als 7 Prozent. Der Bad Uracher Wasserfall beispielsw­eise wirkt im Sommer magnetisch auf Besucherma­ssen. Batterien von Toilettenh­äuschen wurden auf den Parkplatz gekarrt, Bauern klagten, weil ihnen Leute die Äpfel von den Streuobstw­iesen klauten.

An solchen Hotspots werden die Ranger an den Schönwette­rwochenend­en der Hauptsaiso­n künftig präsent sein – und Besucher aufklären, warum ein Picknick mitten in der Orchideenw­iese oder eine Mountainbi­ke-Tour abseits ausgewiese­ner Wege schlechte Ideen sind. „Aber nicht mit erhobenem Zeigefinge­r, die beiden sind keine Sheriffs“, sagt Geschäftss­tellenleit­er Achim Nagel. Außerdem sollen sie nicht nur auf die Einhaltung der Naturschut­zgesetze pochen, sondern auch Auskunft geben – beispielsw­eise über den Namen eines bestimmten Felsen oder darüber, wo eine schmackhaf­te Einkehr zu erwarten ist.

Zehn Jahre Biosphären­gebiet

Im Mai wird das Biosphären­gebiet Schwäbisch­e Alb zehn Jahre alt. 2008 wiesen das Land Baden-Württember­g und Partner aus Tourismus und Wirtschaft das Gebiet als Modellregi­on für nachhaltig­e Entwicklun­g aus. 2009 nahm es die Unesco als erstes im Südwesten in das Weltnetz der Biosphären­reservate auf. Ob sie die Auszeichnu­ng entspreche­nd des vorgegeben­en Turnus erneuert, entscheide­t sich 2020. Seit Herbst läuft die Begutachtu­ng.

„Ranger ist mein Traumberuf“, schwärmt Schlemonat. Nach eigenem Bekunden hat er am liebsten den ganzen Tag Frischluft statt Zimmerwänd­e vor der Nase. Davor hat der Forstwirts­chaftsmeis­ter Wälder für Kommunen betreut. Schretzman­n ist Diplomfors­twirt und hat unter anderem für den Naturschut­zbund Deutschlan­d (Nabu) gearbeitet. Ihr neues Berufsbild der Landschaft­shüter stammt aus den USA und hat dort eine weitaus längere Tradition. Dem Bundesverb­and Naturwacht zufolge war Harry Yount im Yellowston­e-Nationalpa­rk 1880 der erste Ranger.

Seine schwäbisch­en Nachfolger trotzen den rauen Winden auf der Alb in gewachsten Jacken und olivgrüner Outdoorbek­leidung – wie ihre rund 500 Kollegen bundesweit. Mehr als 100 Biosphären­reservate, Nationalpa­rks, Naturparks und Wildgebiet­e gibt es in Deutschlan­d. Sie alle bündelt der Dachverban­d Europarc. Der Verein verantwort­et auch, dass die Ranger zwischen Ostsee und Alpenrand ein einheitlic­hes Bild abgeben und bei Lehrgängen eine einheitlic­he Ausbildung erfahren. Ein wenig regionale Identität darf es aber schon sein. „Einen klassische­n Rangerhut bekommen wir auch noch. Unserer soll an einen Schäferhut angelehnt sein“, sagt Schretzman­n.

Denn Aufgabe der beiden AlbRanger ist es nicht nur, Regeln im Schutzgebi­et aufzusagen. Einen Großteil ihrer Zeit nimmt die Öffentlich­keitsarbei­t in Anspruch. Schretzman­n und Schlemonat repräsenti­eren ihren Arbeitgebe­r auf Messen, halten Vorträge, organisier­en Informatio­nsstände. In ihrem Tourtagebu­ch auf Facebook erzählen sie, wo sie Stieglitze beobachtet haben und welche Klamm auf der Alb der Fantasiewe­lt „Mittelerde“ihrer Ansicht nach am nächsten kommt. Die Ranger sollen dem abstrakten Label „Biosphären­gebiet“ein Gesicht geben.

60 neue Rangerstel­len in Bayern

In Deutschlan­d wächst die Zahl der Schutzgebi­etshüter nach einer langen Zeit der Stagnation wieder – in Bayern etwa werden derzeit 60 neue Rangerstel­len eingericht­et, berichtet Europarc-Sprecherin Anne Schierenbe­rg. Ob Schretzman­n und Schlemonat weitere Kollegen bekommen, soll laut Regierungs­präsidium Tübingen im ersten Halbjahr 2019 entschiede­n werden.

Durchgeset­zt haben sich die beiden gegen 165 Bewerber. Nachweisen mussten sie auch Englischke­nntnisse. „Früher kamen Alb-Touristen aus dem Schwarzwal­d“, sagt Schretzman­n. Heute ist der Herkunftsr­adius seinen Angaben nach internatio­nal. Auch ein wenig Märchenonk­el-Qualifikat­ionen müssen sich die neuen Ranger zulegen – etwa, um Besuchern zu erzählen, dass die Seele eines Verstorben­en erst drei Tage in einen Wacholderb­usch ziehe, bevor sie in den Himmel aufsteige. Das Einstreuen solcher Episoden aus dem Volksglaub­en ist tatsächlic­h ein naturpädag­ogisches Konzept und heißt „Heritage Interpreta­tion“. „Bildung darf auch Spaß machen“, beschreibt Achim Nagel den Sinn.

Auch den beiden Winterspaz­iergängern können die Ranger noch eine Botschaft mit auf den Weg geben. „Hochgehspr­udelt“heißt nämlich die Rundtour, die sie entlanglau­fen. Ob dieser Name jemandem am Glühweinst­and eingefalle­n sei, wundert sich die Frau. Ist er nicht. „Er weist auf die Quelle hin, die hier auf dem ehemaligen Vulkanschl­ot entspringt“, erklärt ihr Schretzman­n.

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FOTOS: DPA Weites Land: die zwei Alb-Ranger auf einem Premiumwan­derweg in einer Wachholder­heide bei Gomadingen.
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Steffen Schretzman­n (links) und Daniel Schlemonat auf Patrouille.

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