Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Rote Beete retten
Warum Foodsharer Lebensmittel vor der Mülltonne bewahren wollen
RAVENSBURG - Samstagmittag in der Ravensburger Innenstadt: Angelika Holly und Malchus Kern gehen zügigen Schrittes Richtung Marktstraße. Sie ziehen einen Leiterwagen hinter sich her. Ihr Ziel: der Wochenmarkt. Ihre Mission: Lebensmittel retten.
„Es ist einfach unglaublich, wie viele Lebensmittel weggeworfen werden“, sagt Angelika Holly. Um das wenigstens ein bisschen zu ändern, hat sie sich den Foodsharern angeschlossen. Foodsharing heißt so viel wie Essen teilen. Genauer gesagt: Lebensmittel verteilen, die sonst im Müll landen würden. Seit 2014 gibt es die Initiative auch in Ravensburg. Ein fester Programmpunkt ist der Gang über den Wochenmarkt.
Erste Station für Angelika und Malchus ist an diesem Samstag ein Brot-Verkaufsstand. Kurz vor dem Zusammenpacken liegen noch einige Backwaren in der Auslage. „Das könnt ihr alles mitnehmen“, sagt der Verkäufer.“Die beiden füllen einen großen Plastikkorb mit frischem Brot und Brötchen, die zusammen einen Verkaufswert von rund 50 Euro hätten, wie der Verkäufer erklärt. Die Ware wieder mit nach Hause zu nehmen, hätte für ihn keinen Zweck: „Ich kann das nicht weiterverteilen, aber ich will es auch nicht wegwerfen“, sagt er. Deshalb gibt er seine Reste gerne den Foodsharern.
Nächster Anlaufpunkt ist ein Gemüsestand. Dort sind Paprika und Blumenkohl übrig, die nicht mehr lang gelagert werden können. Die Verkäuferin kennt Angelika und Malchus schon und reicht die Ware gleich über die Auslagen. Die Foodsharer fragen nur bei Händlern an, mit denen zuvor eine Zusammenarbeit vereinbart wurde.
Keine Konkurrenz zu den Tafelläden
Auch Geschäfte machen mit: Angelika betritt einen Laden, der kleine Snacks anbietet. „Heute haben wir leider nichts“, ruft eine Mitarbeiterin hinter der Theke hervor. „Super“, ruft Angelika zurück und ist schon wieder aus der Tür. Sinn der Sache sei es ja, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren, erklärt sie. Deshalb freut sie sich, wenn alles aufgebraucht ist. Die Foodsharer sehen sich daher auch nicht als Konkurrenz zu den Tafelläden, deren Ziel es ist, Menschen mit wenig Einkommen mit Lebensmitteln zu kleinen Preisen zu versorgen.
„Jeder Bundesbürger wirft im Durchschnitt 81,6 Kilo Lebensmittel im Jahr weg“, heißt es auf der Internetseite der Ravensburger Foodsharer. Mit jedem weggeworfenen Lebensmittel sei ein hoher Verbrauch an Energie, Wasser und anderen Rohstoffen verbunden. Auch direkt beim Hersteller würden öfter mal Überproduktionen oder falsch deklarierte Ware im Müll landen.
Das zu ändern haben sich Foodsharer auf die Fahnen geschrieben. Die Initiative entstand 2012 in Berlin. Inzwischen gibt es laut Informationen auf der Homepage von foodsharing.de mehr als 200 000 registrierte Nutzer in Deutschland, Österreich, der Schweiz und weiteren europäischen Ländern. „Es ist eine coole Gemeinschaft und macht einfach Spaß“, sagt Malchus, der die Ravensburger Gruppe mitgegründet hat.
Nachdem sie noch Bananen, Käse und Tofu eingesammelt haben, gehen Angelika und Malchus zum Treffpunkt in der Nähe des Gänsbühl-Centers, um die Lebensmittel zu verteilen. Dort wartet schon eine Handvoll Leute auf die heutige Leiterwagen-Lieferung. Zwei ältere Frauen freuen sich über Brot, ein Rentner packt Gemüse ein, und die Studenten Theresa und Hannes nehmen Käse und Blumenkohl mit. „Wir finden es gut, wenn die Sachen verwertet werden“, sagen sie. Dass Foodsharing außerdem den studentischen Geldbeutel schont, ist ein angenehmer Nebeneffekt. Ein Filmbeitrag über die Foodsharer ist zu sehen unter www.schwäbische.de/foodsharer-rv Alle weiteren Berichte zu unserer Müllserie gibt es im Internet unter www.schwäbische.de/müll