Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Schicksalsschlag für Schwesig
SPD-Chefin Schwesig hat Krebs – Wie sich die Heilungschancen für die tückische Krankheit entwickeln
Sie gilt als SPD-Hoffnungsträgerin, doch nun zieht sich Manuela Schwesig (Foto: dpa) aus der Parteispitze zurück – wegen einer Brustkrebserkrankung. Am Dienstag sagte die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, dass sie Regierungschefin in Schwerin bleibe, die Ämter als kommissarische und stellvertretende SPD-Vorsitzende aber abgebe. Die 45-Jährige gab sich zuversichtlich: Sie habe schon einige Kämpfe geführt und werde auch den Kampf gegen den Krebs führen.
BERLIN - Manuela Schwesigs Stimme zittert nur ganz leicht. Nur wer sie öfter gesehen oder gehört hat, merkt ihr an, dass sie etwas sehr Persönliches mitzuteilen hat. „Heute ist ein bewegender Tag für mich“, beginnt sie die kurze Mitteilung über ihre Krankheit. Am Ende ist klar: Die Ministerin von Mecklenburg-Vorpommern hat Brustkrebs und legt ihre SPD-Parteiämter auf Bundesebene nieder.
Krebs: Keine andere Diagnose sorgt für mehr Angst – zwei von drei Deutschen fürchten, die tückische Krankheit zu bekommen. Eine halbe Million Frauen und Männer erhalten diese Nachricht im Jahr. Bei Frauen werden vor allem Brust- und Darmkrebs festgestellt, bei Männern Prostataund Lungenkrebs. Die Zahlen steigen. Für 2020 erwartet das Robert Koch-Institut zusätzlich 20 000 Fälle. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geht für 2030 von fast 600 000 Krebsdiagnosen aus.
Tumorerkrankungen sind in Industrieländern bei Menschen im Alter von 35 bis 70 Jahren mittlerweile die häufigste Todesursache. In Deutschland sterben jährlich 18 000 Frauen an Brustkrebs, 30 000 Männer an Lungenkrebs. Fast jede zweite Erkrankung geht für Patienten tödlich aus. Immerhin: Seit Anfang der 1990er-Jahre geht die Krebssterblichkeit zurück. Die Hälfte der erwachsenen Patienten wird geheilt.
Beim sogenannten Mammakarzinom, also dem Brustkrebs, sind zehn Jahre nach der Diagnose noch mehr als 80 Prozent der Patientinnen am Leben. Trotzdem geht es der Politik im Kampf gegen den Krebs zu langsam voran. Spahn hat bereits vor einigen Wochen klargemacht, wie groß die Aufgabe für ihn ist: Es sei wichtiger, den Krebs zu besiegen, als neue Pläne für eine Mondlandung zu schmieden. Die Regierung will möglichst viele Krebsneuerkrankungen verhindern und die Früherkennung verbessern.
Für aktive Politiker galt es lange als Zeichen von Schwäche, eine Erkrankung einzuräumen. Das hat sich geändert. 2010 etwa wurde bei Wolfgang Bosbach Protatakrebs diagnostiziert. Der Krebs streute und die Ärzte machten ihm wenig Hoffnung. Der CDU-Innenpolitiker entschied sich, darüber zu sprechen: „Ich muss mich für den Krebs in mir nicht entschuldigen.“ Der ehemalige Außenminister Guido Westerwelle erfuhr im Juni 2014, dass er an akuter Leukämie erkrankt war. Nach monatelanger stationärer Behandlung im Krankenhaus schrieb Westerwelle ein Buch über seine Erkrankung – und sprach darüber in den Medien. Im März 2016 starb er schließlich an der Krankheit. Auch der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring ging offensiv mit seiner Krebserkrankung um, postete dazu ein Video auf Facebook und erklärte etwa ein dreiviertel Jahr auch seine Genesung – über die Art der Erkrankung schwieg er jedoch. Schwesigs Vorgänger im Amt, Erwin Sellering, hatte wegen eines Lymphdrüsen-Krebs Mai 2017 sein Amt niedergelegt und sich einer Behandlung unterzogen.
Am Dienstag gab die Bundesregierung zusammen mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Deutschen Krebshilfe die Gründung eines Nationalen Krebspräventionszentrums bekannt. Das soll helfen, die Deutschen besser über Faktoren aufzuklären, die das Krebsrisiko erhöhen.
Lebensstil macht ein Drittel aus
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lassen sich etwa ein Drittel aller Krebserkrankungen auf Lebensstilfaktoren wie Tabak- und Alkoholkonsum, ungesunde Ernährung oder zu wenig Bewegung zurückführen. Zusammen mit Vererbung und Umwelteinflüssen können sie dafür sorgen, dass nach Genmutationen Zellen anfangen, unkontrolliert zu wachsen und nach und nach gesundes Gewebe zu verdrängen.
An Brustkrebs erkrankt eine von acht Frauen im Laufe ihres Lebens. Jede zehnte Frau ist laut Deutscher Krebshilfe jünger als 45 Jahre, jede vierte Betroffene jünger als 55 Jahre. Experten vermuten, dass viele erblich vorbelastet sind, also schädlich veränderte Gene in sich tragen, die dann den Tumor entstehen lassen.
Professor Ulrike Nitz betont aber: „Die meisten Frauen bekommt man wieder gesund. Brustkrebs hat trotz der zunächst bedrückenden Diagnose an Schrecken verloren.“Und daraus schöpft denn wohl auch Manuela Schwesig ihre Zuversicht, „dass ich wieder gesund werden kann“.