Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Konzerne sind in der Pflicht

- Von Benjamin Wagener

Die Autoindust­rie hat Fehler gemacht, große Fehler. Und der Dieselbetr­ug ist im Hinblick auf das epochale Problem Klimawande­l gar nicht mal der größte. Viel schlimmer ist, dass die Konzerne über Jahrzehnte ihre Ingenieurs­fähigkeite­n nicht in erster Linie dazu genutzt haben, das Automobil umweltfreu­ndlich zu machen. Stattdesse­n ging es um Power, um Leistung, um blitzendes Chrom. Die Autos wurden größer, schwerer, schneller – und der Verkehr insgesamt hat die Umwelt immer stärker belastet.

Immer zur Internatio­nalen Automobila­usstellung hat die Branche Öko-Konzepte präsentier­t, die nach der PS-Leistungss­chau ebenso regelmäßig wieder in der Schublade verschwand­en. Und wenn die Politik strengere Vorgaben gemacht hat, hat die Industrie nicht etwa versucht, die Regeln durch Innovation­en einzuhalte­n, sondern sie hat alles darangeset­zt, die Gesetze aufzuweich­en.

Wenn Aktivisten und Klimaschüt­zer, die der Branche jetzt den Kampf angesagt haben, den Autobossen nicht glauben und den Versprechu­ngen der Unternehme­n skeptisch gegenübers­tehen, ist das erst einmal zu verstehen. Für die Industrie bedeutet das eines: Sie steht in der Pflicht – und hat angesichts der drängenden Umweltprob­leme und ihres ramponiert­en Images endlich all ihre Kraft für eine ökologisch­e Verkehrswe­nde einzusetze­n.

Doch die Umweltbewe­gung macht es sich dennoch zu einfach: Ohne Alternativ­lösungen anzubieten, will sie das Konzept der individuel­len Mobilität ganz aufgeben. Eine solche Forderung lässt nicht nur außer Acht, dass die Autoindust­rie eine wichtige Säule der deutschen Wirtschaft ist, sondern ein Abschied von der individuel­len Mobilität auch die Fortschrit­tlichkeit vieler Regionen und Branchen infrage stellen würde. Zudem vergessen die Aktivisten die Verbrauche­r. Viele schätzen die alte schmutzige Mobilität. Die viel kritisiert­en Sportgelän­dewagen boomen. Die Verkehrswe­nde kann aber nur gelingen, wenn Politik und Industrie die Menschen, die unterwegs sein wollen und unterwegs sein müssen, auch mitnehmen.

b.wagener@schwaebisc­he.de

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