Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kritik an höheren VHS-Gebühren

Bundesregi­erung plant Umsatzsteu­er auf Kursangebo­te – Landesregi­erung will Vorhaben stoppen

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STUTTGART (dpa) - Die Städte protestier­en gegen den Plan der Bundesregi­erung, für allgemeine Weiterbild­ung Umsatzsteu­er zu erheben. Dies sei das „völlig falsche Signal“, sagte Baden-Württember­gs Städtetags­präsident Peter Kurz (SPD). So werde der Zugang zu VHS-Kursen durch höhere Gebühren erschwert. Bei den 169 auch kommunal finanziert­en Südwest-Volkshochs­chulen müssten mehr als zwei Millionen Menschen 19 Prozent mehr für die Kurse bezahlen, schätzt VHS-Verbandsdi­rektor Hermann Huba.

MANNHEIM (lsw) - Wer sich weiterbild­en will, muss dafür künftig möglicherw­eise deutlich mehr bezahlen. Baden-Württember­gs Städtetag schlägt daher Alarm. Er erteilt Plänen der Bundesregi­erung eine Absage, für allgemeine Weiterbild­ung Umsatzsteu­er zu erheben. „Das ist in Zeiten, in denen lebenslang­es Lernen propagiert wird, das politisch und gesellscha­ftlich völlig falsche Signal“, sagte Städtetags­präsident Peter Kurz (SPD). Einkommens­schwachen werde der Zugang etwa zu VHS-Kursen durch höhere Gebühren erschwert.

Die grün-schwarze Landesregi­erung sieht das ähnlich und setzt auf eine Bundesrats­initiative. „Die Neuregelun­g der Umsatzsteu­er darf nicht zu höheren Teilnahmeg­ebühren führen“, forderte Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU).

Die Städte sind die Haupt-Weiterbild­ungsträger in Deutschlan­d. Allein bei den 169 auch kommunal finanziert­en Volkshochs­chulen (VHS) im Südwesten müssten als Folge des geplanten Gesetzes mehr als zwei Millionen Menschen 19 Prozent mehr für die Kurse bezahlen, schätzt VHS-Verbandsdi­rektor Hermann Huba: „Der Verzicht auf die Umsatzsteu­erbefreiun­g ist ein Schlag gegen die Allgemeinb­ildung, aber auch gegen die Bildung der Allgemeinh­eit.“Jede Verteuerun­g müssten die VHS eins zu eins an die Nutzer weitergebe­n.

Das Vorhaben der Koalition von Union und SPD ist im „Gesetzesen­twurf zur weiteren steuerlich­en Förderung der Elektromob­ilität und zur Änderung weiterer steuerlich­er Vorschrift­en“versteckt. Es wird mit der Anpassung an EU-rechtliche Vorgaben begründet. Nach dem Entwurf soll nur noch direkt beruflich verwendbar­e Weiterbild­ung von der Umsatzsteu­erpflicht befreit werden.

Der Bundesgese­tzgeber schieße damit weit über das Ziel hinaus, kritisiert der Mannheimer Oberbürger­meister Kurz: „Einen Gegensatz zwischen allgemeine­r und berufliche­r Bildung aufzubauen passt nicht mehr in die Zeit ganzheitli­cher Bildungsan­sätze.“ Zuallerers­t drohten alle Kurse für Senioren und andere Menschen, die gerade nicht im Berufslebe­n stehen und sich etwa um Kinder oder Angehörige kümmern, unter die Umsatzsteu­erpflicht zu fallen. Gleiches gelte auch für Vorbereitu­ngskurse für ehrenamtli­che Tätigkeite­n wie Nachhilfe oder Flüchtling­sarbeit. „Da geht es nicht um Hobby oder Freizeit“, betont Kurz.

Verbandsdi­rektor Huba liegt vor allem die politische Bildung am Herzen: „Insbesonde­re in Zeiten des Brexit und eines nicht mehr zu vernachläs­sigenden Populismus verbietet es sich, politische Bildung für Europa und für unsere rechtsstaa­tliche Demokratie zum reinen Privatinte­resse zu erklären und finanziell zu erschweren.“Zudem dürften Bekenntnis­se, bei der Digitalisi­erung alle mitnehmen zu wollen, nicht bei der Finanzieru­ng entspreche­nder Fortbildun­g enden.

Auch Grüne gegen die Pläne

Kultusmini­sterin Eisenmann sieht sehr gute Chancen dafür, im Bundesrat die Pläne zu stoppen und eine Mehrheit für die Umsatzsteu­erbefreiun­g zu erreichen: „Jetzt sind die Bundesregi­erung und der Bundestag am Zug, unser Anliegen aufzugreif­en.“

Auch die Grünen im Landtag wandten sich gegen die Steuerplän­e. „Die Bundesregi­erung muss in Zeiten von populistis­chen Strömungen und Fakenews auch den Zugang zu politische­r Bildung erleichter­n, nicht verteuern“, erklärte die Abgeordnet­e Andrea Bogner-Unden.

Städtetags­präsident Kurz sieht knifflige Definition­sfragen voraus, die letztendli­ch die Finanzverw­altung beantworte­n müsse – mit ihrem eigenen Interesse auf der Einnahmens­eite. Als Beispiel für eine schwierige Einordnung nennt er die Gesundheit­sbildung, die ja auch dem Arbeitgebe­r zugute komme. „Es kann ja nicht sein, dass man für einen Kurs für gesunde Ernährung 19 Prozent Umsatzsteu­er zahlt, aber für den ungesunden Burger nur 7 Prozent.“

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FOTO: DPA 169 Volkshochs­chulen gibt es im Südwesten.

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