Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kim will reden
Raketentests sollen Aufmerksamkeit auf Nordkorea lenken
TOKIO - Kim Jong-un feuert wieder Raketen ab. Der Generalstab der südkoreanischen Streitkräfte teilte am Dienstag mit, Nordkorea habe zwei unbekannte „Projektile“in Richtung Japanisches Meer abgefeuert – zum achten Mal in wenigen Wochen. Sehr wahrscheinlich handelt es sich wieder um ballistische Raketen von relativ kurzer Reichweite.
Was deshalb wie Routine aussehen könnte, ist vermutlich der Versuch des nordkoreanischen Diktators, zurück auf die politische Weltbühne zu drängen. Einen Tag zuvor hatte der Machthaber von Pjöngjang aus Verhandlungssignale in Richtung Washington ausgesandt. Vizeaußenministerin Choe Son-hui forderte die USA auf, neue Vorschläge zu unterbreiten, die aber Nordkorea „zufrieden stellen müssten“. Dann – so Choe im Namen des Machthabers – könnten bereits zum Monatsende in Arbeitsgesprächen „alle Probleme“diskutiert werden, die beide Seiten angesprochen hätten. Ihr Land sei dazu bereit. Das ist eine Kehrtwende: Dieselbe Politikerin hatte noch vor Tagen die Atomgespräche mit Washington quasi für tot erklärt.
US-Präsident Donald Trump reagierte dementsprechend auffallend zurückhaltend und nannte die neue Botschaft aus Pjöngjang „interessant“– ließ aber offen, ob er an einem weiteren Treffen mit Kim interessiert ist. Trump und Kim hatten sich Ende Juni bei einem kurzen, aber spektakulären Treffen am innerkoreanischen Grenzkontrollpunkt Panmunjom darauf verständigt, gemeinsame Teams aufzustellen, die Einzelheiten einer möglichen atomaren Abrüstung in der Region ausloten sollen. Bisher sind solche Gespräche aber nicht zustande gekommen. Nun versucht Kim Jong-un offenbar wieder, ins weltpolitische Spiel zu kommen.
Und noch ein weiteres Machtmanöver in Pjöngjang lässt aufhorchen. Kim gab dieser Tage seinen Sitz im Scheinparlament auf, um höhere Weihen zu genießen. In seiner Abwesenheit erhoben ihn die „Volksvertreter“durch Verfassungsänderungen zur „monolithischen Macht“. Künftig wird der Diktator als „Oberster Repräsentant des gesamten koreanischen Volks“tituliert. Damit erhebt sich der 35-Jährige formell in den Stand eines Staatsoberhauptes, das auf Augenhöhe mit Präsident Trump oder Putin sprechen kann.
Es scheint für den Machthaber ein riesiges Problem gewesen zu sein: Wie soll man international respektvoll behandelt werden, wenn niemand weiß, wie er Kim protokollarisch korrekt ansprechen soll? Sein Großvater Kim Il-sung trägt seit dem Tod den Titel „Ewiger Präsident“. Nachfolger und Sohn Kim Jong-il wird seit seinem Ableben als „ewiger Generalsekretär“verehrt.