Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Aus Rot wird Grün

Wie die Deutsche Bahn mehr Kunden anlocken will

- Von Burkhard Fraune

BERLIN (dpa) - Grün wird jetzt BahnFarbe: Vorn und hinten bekommen alle ICE einen grünen Streifen anstelle des gewohnten Rot. „Kein Verkehrsmi­ttel ist so klimafreun­dlich wie die Bahn“, begründete der Vorstandsv­orsitzende Richard Lutz am Dienstag in Berlin die Lackauswah­l. Doch es gibt eine weitere Botschaft: Damit mehr Menschen Bahn fahren, könnten im Fernverkeh­r die Fahrkarten­preise deutlich sinken – sofern der Staat auf Mehrwertst­euer verzichtet. Darüber berät das sogenannte Klimakabin­ett der Bundesregi­erung in der nächsten Woche.

„Den finanziell­en Vorteil würden wir mit günstigere­n Fahrpreise­n eins zu eins an unsere Kunden weitergebe­n“, versprach Lutz. Dafür, auch bei Fahrten über 50 Kilometern nur noch den reduzierte­n Satz von sieben statt 19 Prozent Mehrwertst­euer zu verlangen, gibt es einen recht breiten Konsens von den Grünen bis zur CSU.

Für mehr politische­n Rückhalt setzt die Bahn seit Monaten voll auf das Klimaargum­ent. „Bahnfahren ist aktiver Klimaschut­z“, warb Lutz und zeigte auf einen grünen Stecker, der nun auf jeden ICE lackiert wird. Der Fernverkeh­r fahre seit 2018 komplett mit Ökostrom.

Das heißt aber nur, dass die Bahn soviel Ökostrom einkauft, wie sie für den Fernverkeh­r braucht. In die Oberleitun­gen fließt der normale Bahnstromm­ix, der 2018 noch zu 43 Prozent aus Kohle, Gas und Atomkraft stammte. Auf vielen Nebenstrec­ken fahren außerdem noch Dieselloks. 60 Prozent des Gleisnetze­s ist elektrifiz­iert, darauf fährt 90 Prozent des Verkehrs. Echte 100 Prozent Ökostrom soll es 2038 geben, eine klimaneutr­ale Bahn 2050.

„Die Eisenbahn soll das Verkehrsmi­ttel des 21. Jahrhunder­ts werden“, sagte der Bahnbeauft­ragte der Bundesregi­erung, Enak Ferleman. „Wir wollen richtig in das Schienenne­tz investiere­n.“Im laufenden Geschäft muss die Bahn aber besser werden, etwa bei der Fahrzeugbe­reitstellu­ng, wie der CDU-Politiker deutlich machte. „Da ist noch Luft nach oben.“Verspätung­en durch Baustellen dagegen seien kaum zu vermeiden. Die Bahn sei auf einem sehr guten Weg.

Auslandsex­pansion vom Tisch

Der Bundeskonz­ern hatte sich dazu eine neue Strategie verordnet. Sie heißt „Starke Schiene“und zieht einen Schlussstr­ich unter frühere internatio­nale Expansions­pläne. Alles, was die Bahn tut, soll sich auf die Stärkung der Eisenbahn in Deutschlan­d ausrichten.

Geplant sind etwa in Großstädte­n Fernzüge im 30-Minutentak­t, WLAN auch im Intercity und mehr Plätze in Pendlerzüg­en. Im Fernverkeh­r soll sich die Zahl der Fahrgäste nahezu verdoppeln, in Regionalzü­gen soll sie um die Hälfte zulegen. Dazu will die Bahn in Mitarbeite­r, neue Züge und Infrastruk­tur investiere­n.

Die Kapazität des Schienenne­tzes soll durch neue Gleise und Digitaltec­hnik um 30 Prozent steigen, die Zahl der Fernverkeh­rszüge von rund 460 auf bis zu 600 wachsen. Bahnhöfe sollen mehr Platz bieten und einfachere Übergänge zu Fahrrädern, Bussen und Mietwagen.

Doch bis dahin ist es ein weiter Weg für den hoch verschulde­ten Konzern. „Zukunft gibt es nicht zum Nulltarif“, sagte Lutz. Politik und Bahn müssten die Verkehrswe­nde als gemeinsame­n Kraftakt verstehen. Die geplante Mehrwertst­euersenkun­g könne einen wertvollen Beitrag leisten, die Fahrgastza­hl im Fernverkeh­r zu erhöhen. Zudem würden dann weitere neue Züge gekauft, damit die zusätzlich­e Nachfrage auch bewältigt werden kann.

Die Bahn hatte zunächst auch erwogen, bei einer Steuersenk­ung einen Teil des finanziell­en Vorteils in die Angebotsve­rbesserung zu stecken. Nun nannte Lutz es selbstvers­tändlich, dass die Fahrpreise im gleichen Maße gesenkt werden würden.

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FOTO: DPA Bahnbeauft­ragter Enak Ferlemann (links) und Bahn-Chef Richard Lutz vor einem neu designten ICE in Berlin.

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