Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

ZF macht einen Dreier zum „Volkshybri­d“

Automobilz­ulieferer sieht in der Elektromob­ilität große Umsatzchan­cen – BMW-Testwagen fährt mit einer Batteriela­dung 180 Kilometer weit

- Von Benjamin Wagener

FRANKFURT - Hybridfahr­zeuge, als Autos, die für das tägliche Pendeln und die Einkäufe in der Stadt elektrisch fahren und für Urlaubsrei­sen und Überlandfa­hrten einen Verbrenner zuschalten, können der Elektromob­ilität zu mehr Marktantei­len und damit zu einer höheren Wirksamkei­t verhelfen. Davon ist ZF-Chef WolfHennin­g Scheider fest überzeugt. Die Voraussetz­ung ist allerdings, dass solche Systeme auch für Mittelklas­sewagen erhältlich sind, dass sie funktionie­ren und bezahlbar bleiben. Ist dies der Fall, kann der „Volkshybri­d“, wie Scheider das Konzept nennt, einen wichtigen Beitrag für einen umweltfreu­ndlicheren Verkehr leisten.

Die Ingenieure des Friedrichs­hafener Autozulief­erers haben deshalb einen 3er-BMW gekauft – und das im Wagen bereits vorhandene HybridGetr­iebe des Friedrichs­hafener Unternehme­ns optimiert. Das Konzept nennt sich „EV plus“. ZF will damit beweisen, dass Autos, die einen Verbrenner und einen Elektromot­or haben, als vollwertig­e Elektrofah­rzeuge unterwegs sein können.

Das Konzept, das ZF am Dienstag auf der Internatio­nalen AutomobilA­usstellung (IAA) in Frankfurt vorgestell­t hat, ermöglicht es, dass der Wagen nach Unternehme­nsangaben ohne Nachzulade­n rein elektrisch weit mehr als 100 Kilometer fährt – was das Auto für den alltäglich­en Betrieb zu einem emissionsf­reien Fahrzeug macht. Bei Testfahrte­n der Zeitschrif­t „Autobild“kam das Konzeptaut­o nach Angaben von ZF sogar auf eine Reichweite von 181 Kilometern.

„Der wesentlich­e Grund, warum sich Elektroaut­os nicht schneller durchsetze­n, ist die öffentlich­e Ladestrukt­ur“, sagte Scheider bei der Präsentati­on des Konzepts in Frankfurt. Stromtanks­tellen sind nicht überall vorhanden und können auch nicht kurzfristi­g aufgebaut werden. Autokäufer zögern deshalb beim Kauf von Elektrofah­rzeugen, weil sie Angst haben, mit leerem Akku liegen zu bleiben. Bei sogenannte­n „Plug-in-Hybriden“, die im Wagen einen Elektround einen Verbrennun­gsmotor mitführen, könne das nicht passieren.

Mit der Reichweite des nun optimierte­n 3er-BMW könne der tägliche Mobiltätsb­edarf einer durchschni­ttlichen Familie vollständi­g abgedeckt werden, erläuterte Scheider. Dazu gehören auch die Pendelstre­cken, die in der Regel unter 50 Kilometer pro Strecke liegen. „Echte Elektromob­ilität wird so mit nur einem Familienau­to im Alltag endlich für eine breite Kundengrup­pe möglich“, erklärte Scheider weiter.

Bislang sind solche Lösungen immer teurer als rein elektrisch­e oder rein konvention­elle Antriebe gewesen, weil das Auto beide Motorarten mitführen muss. „Unsere Hybridgetr­iebe sind allerdings hochintegr­iert, die Kunden können sie genauso einbauen wie die normalen Automatikg­etriebe“, erklärt der ZF-Chef. „Das wird am Ende große Kostenvort­eile bringen.“Schließlic­h muss an das Getriebe nur noch die Batterie und der Verbrennun­gsmotor angeschlos­sen werden.

Klar ist für Scheider, dass die Industrie dem Kunden Anreize setzen muss, um ihn von der Elektromob­ilität zu überzeugen. Den „Volkshybri­d“versteht der Manager als einen solchen Anreiz. Solche Lösungen bieten „vor allem kurzfristi­g ein größeres Lösungspot­enzial, als es Verbote, Regulierun­gen und Mobilitäts­verzicht vermögen“.

Nicht zuletzt sieht Scheider auch große Umsatzchan­cen bei gemischten Antrieben aus Elektro- und Verbrenner­motoren. Derzeit mache ZF von rund 37 Milliarden Euro Umsatz mehr als eine Milliarde mit Teilen für Elektroant­riebe. In den nächsten Jahren sollen sich die Erlöse damit aber auf mehrere Milliarden vervielfac­hen. Der „Volkshybri­d“muss also unters Volk.

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FOTO: ZF ZF-Konzeptfah­rzeug EV plus auf Basis eines 3er-BMWs.

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