Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
ZF macht einen Dreier zum „Volkshybrid“
Automobilzulieferer sieht in der Elektromobilität große Umsatzchancen – BMW-Testwagen fährt mit einer Batterieladung 180 Kilometer weit
FRANKFURT - Hybridfahrzeuge, als Autos, die für das tägliche Pendeln und die Einkäufe in der Stadt elektrisch fahren und für Urlaubsreisen und Überlandfahrten einen Verbrenner zuschalten, können der Elektromobilität zu mehr Marktanteilen und damit zu einer höheren Wirksamkeit verhelfen. Davon ist ZF-Chef WolfHenning Scheider fest überzeugt. Die Voraussetzung ist allerdings, dass solche Systeme auch für Mittelklassewagen erhältlich sind, dass sie funktionieren und bezahlbar bleiben. Ist dies der Fall, kann der „Volkshybrid“, wie Scheider das Konzept nennt, einen wichtigen Beitrag für einen umweltfreundlicheren Verkehr leisten.
Die Ingenieure des Friedrichshafener Autozulieferers haben deshalb einen 3er-BMW gekauft – und das im Wagen bereits vorhandene HybridGetriebe des Friedrichshafener Unternehmens optimiert. Das Konzept nennt sich „EV plus“. ZF will damit beweisen, dass Autos, die einen Verbrenner und einen Elektromotor haben, als vollwertige Elektrofahrzeuge unterwegs sein können.
Das Konzept, das ZF am Dienstag auf der Internationalen AutomobilAusstellung (IAA) in Frankfurt vorgestellt hat, ermöglicht es, dass der Wagen nach Unternehmensangaben ohne Nachzuladen rein elektrisch weit mehr als 100 Kilometer fährt – was das Auto für den alltäglichen Betrieb zu einem emissionsfreien Fahrzeug macht. Bei Testfahrten der Zeitschrift „Autobild“kam das Konzeptauto nach Angaben von ZF sogar auf eine Reichweite von 181 Kilometern.
„Der wesentliche Grund, warum sich Elektroautos nicht schneller durchsetzen, ist die öffentliche Ladestruktur“, sagte Scheider bei der Präsentation des Konzepts in Frankfurt. Stromtankstellen sind nicht überall vorhanden und können auch nicht kurzfristig aufgebaut werden. Autokäufer zögern deshalb beim Kauf von Elektrofahrzeugen, weil sie Angst haben, mit leerem Akku liegen zu bleiben. Bei sogenannten „Plug-in-Hybriden“, die im Wagen einen Elektround einen Verbrennungsmotor mitführen, könne das nicht passieren.
Mit der Reichweite des nun optimierten 3er-BMW könne der tägliche Mobiltätsbedarf einer durchschnittlichen Familie vollständig abgedeckt werden, erläuterte Scheider. Dazu gehören auch die Pendelstrecken, die in der Regel unter 50 Kilometer pro Strecke liegen. „Echte Elektromobilität wird so mit nur einem Familienauto im Alltag endlich für eine breite Kundengruppe möglich“, erklärte Scheider weiter.
Bislang sind solche Lösungen immer teurer als rein elektrische oder rein konventionelle Antriebe gewesen, weil das Auto beide Motorarten mitführen muss. „Unsere Hybridgetriebe sind allerdings hochintegriert, die Kunden können sie genauso einbauen wie die normalen Automatikgetriebe“, erklärt der ZF-Chef. „Das wird am Ende große Kostenvorteile bringen.“Schließlich muss an das Getriebe nur noch die Batterie und der Verbrennungsmotor angeschlossen werden.
Klar ist für Scheider, dass die Industrie dem Kunden Anreize setzen muss, um ihn von der Elektromobilität zu überzeugen. Den „Volkshybrid“versteht der Manager als einen solchen Anreiz. Solche Lösungen bieten „vor allem kurzfristig ein größeres Lösungspotenzial, als es Verbote, Regulierungen und Mobilitätsverzicht vermögen“.
Nicht zuletzt sieht Scheider auch große Umsatzchancen bei gemischten Antrieben aus Elektro- und Verbrennermotoren. Derzeit mache ZF von rund 37 Milliarden Euro Umsatz mehr als eine Milliarde mit Teilen für Elektroantriebe. In den nächsten Jahren sollen sich die Erlöse damit aber auf mehrere Milliarden vervielfachen. Der „Volkshybrid“muss also unters Volk.