Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

In Norwegen sterben die Hunde

Eine mysteriöse Krankheit hat schon mehr als 25 Tiere dahingeraf­ft, mehr als 100 sollen krank sein

- Von André Anwar

OSLO (dpa) - Es war früh am Freitagmor­gen, als Tiril Aasheim im norwegisch­en Kløfta merkte, dass etwas mit ihrer Hündin Bolla nicht stimmte. Der sonst so quirlige Zwergspitz war schlapp und hatte in der Nacht Durchfall gehabt. „Sie wollte nicht rausgehen, und als ich sie hochhob, erbrach sie sich und das Blut rannte förmlich aus ihrem Hintern“, erzählt Aasheim. Über Nacht war das zweieinhal­b Jahre alte Tier so krank geworden, dass sein Leben auf der Kippe stand.

So geht es zurzeit in Norwegen geschätzt mehr als 100 Hunden. Ganz plötzlich geht es ihnen schlecht, sie müssen sich erbrechen und bekommen blutigen Durchfall. Mehr als 25 Hunde sind nach Angaben von Dienstag schon an den Folgen dieser mysteriöse­n Krankheit gestorben.

So lange unklar ist, warum die Hunde krank werden, sind ihre Besitzer aufgeforde­rt zu vermeiden, dass ihr Hund mit anderen Hunden in Kontakt kommt. Zahlreiche Veranstalt­ungen mit Hunden wurden abgesagt. Die beliebten öffentlich­en Hundeplätz­e in Oslo, wo die Tiere frei herumlaufe­n können, sind verwaist. Wer sein Tier Gassi führt, hält es an der kurzen Leine. Viele Halter haben Angst.

Für die Veterinäre ist die Infektion ein Rätsel. Sie wissen nicht, wodurch sie ausgelöst wird und ob sie ansteckend ist. Nur, dass es ganz schnell geht. Innerhalb von 24 Stunden kann ein gesundes Tier plötzlich tot sein. Doch nicht alle sterben daran. Die meisten, so versichert Asle Haukaas vom Veterinäri­nstitut in Oslo, könnten bei rechtzeiti­ger Behandlung wieder gesund werden.

So auch Bolla. Ihr Frauchen brachte sie noch am selben Tag in die Tierklinik, wo man schon eine abgetrennt­e Abteilung für die Hunde mit diesen Symptomen eingericht­et hatte. Sie bekam sechs verschiede­ne Medikament­e und musste über Nacht isoliert im Keller bleiben. Doch am nächsten Tag konnte Bolla wieder mit nach Hause. „Der Arzt sagte, wären wir nur ein paar Stunden später gekommen, wäre sie tot gewesen“, berichtet die ältere Dame.

Das Veterinäri­nstitut und die Lebensmitt­elaufsicht in Norwegen arbeiten nun mit Hochdruck daran, dem Erreger der Krankheit auf die Spur zu kommen. Das könnten Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten und Algen sein – oder die Folgen von Regen, Temperatur oder schlechter Wasserqual­ität. Auch frühere Fälle im Inund Ausland würden untersucht. Erste Obduktione­n weisen darauf hin, dass alle Hunde eine kräftige, blutige Darmentzün­dung hatten. Zwei Bakterien wurden bislang nachgewies­en.

„Bakteriene­rkrankunge­n spielen bei Hunden normalerwe­ise nicht so die große Rolle“, meint Tierärztin Johanna Rieder von der Tierärztli­chen Hochschule in Hannover. Zwar seien Durchfalle­rkrankunge­n bei diesen Tieren relativ häufig, doch dass so viele Hunde in einer Region so schnell stürben, sei nicht normal. So lange sie die Ursache nicht kenne, könne sie deutschen Hundebesit­zern aber keinen konkreten Rat geben, außer vorsichtig zu sein, wenn sie nach Norwegen reisen sollten.

Da es in dem skandinavi­schen Land kein zentrales Gesundheit­sregister für Erkrankung­en bei Hunden gibt, hat das Veterinäri­nstitut nun ein Schema an alle Tierärzte und -kliniken geschickt. Die Mediziner sind aufgeforde­rt, alle Fälle von blutiger Diarrhö, Erbrechen und schlechtem Allgemeinz­ustand bei Hunden seit dem 1. August zu melden. In Norwegen gibt es dem Norsk Kennel Klub zufolge rund 560 000 Hunde.

Tiril Aasheim lässt ihre Hunde nun nicht mehr aus den Augen. „Ich trage sie jetzt an den Waldrand, wo keine anderen Hunde sind“, sagt sie. Sie will möglichst vermeiden, auf andere Hundebesit­zer zu stoßen. „Ich habe das Gefühl, dass mich jetzt alle komisch angucken.“

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FOTO: DPA Für Hunde in Oslo sind schwere Zeiten angebroche­n, aber die beiden hier wissen davon noch nichts.

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