Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Hochzeitsfilm sorgt für Aufregung
Nach der Veröffentlichung eines Videos auf sozialen Plattformen ermittelt die Polizei
AALEN - Ein Mercedes mit Aalener Kennzeichen steht auf der Straße, davor die Braut, die rechts und links einen Mann an der Hand hält. Einer der beiden hält eine Pistole in die Luft und feuert mehrere Schüsse ab. Die orientalische Musik wird übertönt von den Schussgeräuschen. Eine Aalener Hochzeitsgesellschaft, besser ein Video derselben, sorgt aktuell für mediale Aufregung.
Dass jemand geschossen hat, habe er nicht groß mitbekommen, sagt der 25-jährige Fatih Sezgin aus Aalen. Er war der Bräutigam – und er habe selber nicht geschossen. „Ich hatte an dem Tag was anderes zu tun.“1100 Gäste habe er gehabt, die sollten alle irgendwo unterkommen. „Die Schüsse braucht niemand, das ist kein Brauch. Ich kann nichts dafür, dass sich meine Gäste mit mir gefreut haben.“Es seien nur Schreckschusswaffen benutzt worden, die frei im Internet zugänglich sind.
In der Gartenstraße habe sich folgende Situation abgespielt: „Wir waren mit 300 Gästen vor dem Haus und haben auf andere gewartet.“Da sei die Polizei gekommen. „Wir haben die Feier abgebrochen, den Tanz abgebrochen und waren innerhalb von 15 Minuten weg. Noch mehr Kooperation geht nicht.“
Die Hochzeitsgesellschaft sei dann mit 50 Autos weiter nach Ulm gefahren. Gefeiert wurde in Geislingen und in Elchingen bei Ulm. Warum das Thema jetzt hochkocht, kann sich keiner erklären. „Wir haben das Video drei Wochen nach der Hochzeit veröffentlicht“, sagt die Fotografin, die namentlich nicht genannt werden will. Auf Facebook und auf Youtube, den Wünschen des Brautpaares entsprechend. Zum ersten Mal erfahre eines ihrer Videos derartige Beachtung.
Meistens seien sie auf türkischen und griechischen Hochzeiten vor Ort. Da werde öfters geschossen. „Meistens besorgen ein, zwei Freunde des Bräutigams Pistolen, mit denen sie dann in die Luft schießen.“Das sei zwar Schreckschuss, aber eben sehr laut. „Wir halten nichts davon. Das spiegelt unsere Tradition nicht so wieder, wie sie ist“, sagt die Fotografin, die selbst türkischstämmig ist. Reaktionen von Anwohnern habe sie nicht bemerkt.
Die Polizei selbst berichtet, dass Beamte vor Ort gewesen seien, aber nur um den Verkehr für die vielen Autos zu regeln. „Wie der Polizei erst jetzt durch die Berichterstattung und ein im Internet veröffentlichtes Video bekannt wurde, haben mehrere Teilnehmer einer Hochzeitsgesellschaft am 4. Mai dieses Jahres mit Schusswaffen in die Luft geschossen“, schreibt die Polizei in einem Facebook-Post. Das Polizeirevier Aalen habe Ermittlungen aufgenommen.
An dem besagten Tag seien beim örtlichen Polizeirevier mehrere Anrufe von Anwohnern eingegangen, wonach es anlässlich einer Hochzeit zu Verkehrsbehinderungen gekommen sei. So zum Beispiel in Geislingen und Bad Ditzenbach, wie Wolfgang Jürgens, Sprecher des Polizeipräsidiums Ulm, berichtet. Es seien auch Schussgeräusche oder Böller gemeldet worden, die jedoch beim Eintreffen der Streife nicht bestätigt werden konnten. Konkrete Zeugenaussagen hätten damals nicht vorgelegen. Die Polizei habe „verkehrslenkend eingegriffen und darüber hinaus einen Verkehrsverstoß geahndet“.
Fatih Sezgin ist tiefunglücklich über die Berichterstattung. „Bild“habe ihn zitiert mit den Worten, dass Deutsche das nicht verstehen könnten. „Ich bin selber Deutscher, ich bin in Aalen geboren und aufgewachsen.“Er sei interessiert an einem kooperativen Zusammenleben. „Wenn ich mit 250 Gästen am Standesamt feiere, ist das für mich normal und kein Machtgehabe.“Kommentare im Internet seien so abwertend, „das ist so eklig“. Er fährt jetzt weg. „Ich muss weg von dem Ganzen.“