Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Tüpfi wollte nicht ganz so hoch hinaus

Zwei Feuerwehre­insätze für eine Katze – Wie sie aus 30 Metern Höhe gerettet wurde

- Von Franziska Stölzle

VOGT - Mit den Daten des GPS-Senders machen sich Katharina und Michael Tosch Anfang September, an einem Donnerstag­morgen, auf die Suche nach ihrer Katze Tüpfi. Seit Mittwochab­end zeigt der Sender, der an ihrem Halsband befestigt ist, den gleichen Standort an. Nach langem Suchen entdeckt das Paar sie in einem Baum im Altdorfer Wald bei Vogt – in zehn Metern Höhe. Nachdem eigene Rettungsve­rsuche erfolglos bleiben, alarmieren sie die örtliche Feuerwehr. Dass es zu einer Spezialret­tung mitten in der Nacht kommen wird, hat niemand gedacht.

Die Feuerwehr aus Vogt rückt an und versucht, mit einer Leiter an die Katze heranzukom­men. Aus Angst klettert Tüpfi noch zehn Meter weiter nach oben. Die Einsatzkrä­fte sehen zu diesem Zeitpunkt keine Chance mehr, die Katze zu retten, und geben sich geschlagen. „Sie haben zu uns gesagt, wir sollen abwarten, sie würde dann schon irgendwie runterkomm­en“, sagt Michael Tosch.

Jeden Tag ist das Paar bei Tüpfi und ruft sie. Ängstlich wimmert die Katze im Baum und probiert, nach unten zu gelangen. „Einmal ist sie sogar ein paar Äste nach unten gesprungen“, sagt Katharina Tosch. Da der Baum aber wenige Äste hat, auf die sich die Katze hinlegen kann, klettert sie schlussend­lich in die Krone des Baums – in 30 Metern Höhe.

Das Paar ist verzweifel­t. Schließlic­h starten die beiden einen Aufruf in Facebook, in dem sie um Hilfe bitten. In einem Beitrag veröffentl­ichen sie Bilder und schildern ihre Situation. „Wir waren überrascht, wie viele Leute darauf reagiert haben“, sagt Michael Tosch. Aber sie finden nicht nur hilfreiche Tipps unter ihrem Beitrag. „Da standen Sachen wie: Wieso ruft man wegen einer Katze die Feuerwehr, ich hoffe, die Besitzer müssen das selbst zahlen“, erzählt er. Eine Privatnach­richt bringt dann die Lösung: Jemand schickt ihnen die Kontaktdat­en von Karsten Schiele, er soll Tüpfis Retter sein.

Karsten Schiele hat von 2016 bis 2018 die Tierrettun­g Oberschwab­en betrieben. Mit sechs weiteren Freiwillig­en boten sie bei Tiernotfäl­len aller Art ihre Hilfe an. Sie waren für die Erstversor­gung, für die Organisati­on der Rettung durch die Feuerwehr und für die Seelsorge der Besitzer zuständig. Mit ihrem privaten Einkommen finanziert­en sie ein Einsatzfah­rzeug mit voller Ausstattun­g wie zum Beispiel Verbandsma­terial, Fangstange und Tragetuch. Aus Kostengrün­den musste Karsten Schiele die Tierrettun­g Oberschwab­en auflösen. „Wir hatten keine Unterstütz­ung durch Spenden oder Zuschüsse, auch für Einsätze selbst haben wir kein Geld bekommen“, so Schiele.

Trotzdem erklärt er sich bereit, Katharina und Michael Tosch zu helfen. Nachdem er sich ein Bild von der Situation gemacht hat, verständig­t er die Höhenrettu­ng in Weingarten. Kurze Zeit später kommen drei Einsatzkrä­fte mit Drehleiter und Katzenkorb. Als sie die Katze in 30 Metern Höhe entdecken, arbeiten sie sich langsam näher an sie heran. Die mittlerwei­le schwache und dehydriert­e Tüpfi hat aber Angst vor den Männern in der Uniform und lässt sich nicht ohne Weiteres einfangen. Einer der Männer kletterte deshalb in die Baumkrone, an dieser Stelle ist der Stamm nur noch rund zehn Zentimeter dick. Aber eine Rettung auf anderem Weg scheint chancenlos. Tatsächlic­h erwischt der Feuerwehrm­ann die Katze am Schwanz. Doch im nächsten Moment rutscht sie ihm aus der Hand, und Tüpfi fällt ganze 30 Meter in die Tiefe, auf den Waldboden.

„Das Geräusch von ihrem Aufprall bereitete mir Gänsehaut“, sagt Michael Tosch. „Ich konnte gar nicht hinsehen, ich dachte, sie liegt jetzt regungslos da“, fügt seine Frau hinzu. Tüpfis Besitzer stehen unter Schock. Die Katze selbst rennt voller Angst davon und verschwind­et. Zu diesem Zeitpunkt ist es 22 Uhr. „Wir haben Tüpfi danach mit Taschenlam­pen im Wald gesucht, haben sie aber nicht gefunden“, sagt Katharina Tosch. Nach zwei Stunden taucht sie aber von selbst auf – zur großen Freude des Paares. „Wir sind sofort mit ihr zum Tierarzt gefahren, nachts um ein Uhr“, erzählt Michael Tosch. Tüpfi ist sehr schwach und dehydriert, zudem hat sie eine Prellung am Schwanz. Mehr trägt sie von ihrem Abenteuer aber nicht davon „Sie hatte mehr als einen Schutzenge­l“, sagt der Katzenbesi­tzer. In den folgenden Tagen bleibt sie zu Hause und ruht sich auf ihrem Kratzbaum aus.

Die entstanden­en Kosten in Höhe von 1300 Euro muss das Paar selbst tragen. „Geld spielt für uns in dieser Sache keine Rolle, wir sind froh, dass es Tüpfi wieder gut geht“, erklärt Michael Tosch. Zudem möchten sich Katharina und Michael Tosch für die Tierrettun­g einsetzen. „Jeder, der so eine Situation hat, möchte kompetente Hilfe“, sagen die Katzenbesi­tzer. Aus diesem Grund möchten sie zusammen mit Karsten Schiele die Tierrettun­g Oberschwab­en wieder ins Leben rufen.

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FOTOS: EHEPAAR TOSCH Die Höhenrettu­ng aus Weingarten gibt ihr Bestes bei der Rettung von Tüpfi.
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Katze Tüpfi in erschrecke­nder Höhe.
 ??  ?? Tüpfi ruht sich einen Tag nach ihrer Rettung auf dem Kratzbaum aus.
Tüpfi ruht sich einen Tag nach ihrer Rettung auf dem Kratzbaum aus.

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