Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Tüpfi wollte nicht ganz so hoch hinaus
Zwei Feuerwehreinsätze für eine Katze – Wie sie aus 30 Metern Höhe gerettet wurde
VOGT - Mit den Daten des GPS-Senders machen sich Katharina und Michael Tosch Anfang September, an einem Donnerstagmorgen, auf die Suche nach ihrer Katze Tüpfi. Seit Mittwochabend zeigt der Sender, der an ihrem Halsband befestigt ist, den gleichen Standort an. Nach langem Suchen entdeckt das Paar sie in einem Baum im Altdorfer Wald bei Vogt – in zehn Metern Höhe. Nachdem eigene Rettungsversuche erfolglos bleiben, alarmieren sie die örtliche Feuerwehr. Dass es zu einer Spezialrettung mitten in der Nacht kommen wird, hat niemand gedacht.
Die Feuerwehr aus Vogt rückt an und versucht, mit einer Leiter an die Katze heranzukommen. Aus Angst klettert Tüpfi noch zehn Meter weiter nach oben. Die Einsatzkräfte sehen zu diesem Zeitpunkt keine Chance mehr, die Katze zu retten, und geben sich geschlagen. „Sie haben zu uns gesagt, wir sollen abwarten, sie würde dann schon irgendwie runterkommen“, sagt Michael Tosch.
Jeden Tag ist das Paar bei Tüpfi und ruft sie. Ängstlich wimmert die Katze im Baum und probiert, nach unten zu gelangen. „Einmal ist sie sogar ein paar Äste nach unten gesprungen“, sagt Katharina Tosch. Da der Baum aber wenige Äste hat, auf die sich die Katze hinlegen kann, klettert sie schlussendlich in die Krone des Baums – in 30 Metern Höhe.
Das Paar ist verzweifelt. Schließlich starten die beiden einen Aufruf in Facebook, in dem sie um Hilfe bitten. In einem Beitrag veröffentlichen sie Bilder und schildern ihre Situation. „Wir waren überrascht, wie viele Leute darauf reagiert haben“, sagt Michael Tosch. Aber sie finden nicht nur hilfreiche Tipps unter ihrem Beitrag. „Da standen Sachen wie: Wieso ruft man wegen einer Katze die Feuerwehr, ich hoffe, die Besitzer müssen das selbst zahlen“, erzählt er. Eine Privatnachricht bringt dann die Lösung: Jemand schickt ihnen die Kontaktdaten von Karsten Schiele, er soll Tüpfis Retter sein.
Karsten Schiele hat von 2016 bis 2018 die Tierrettung Oberschwaben betrieben. Mit sechs weiteren Freiwilligen boten sie bei Tiernotfällen aller Art ihre Hilfe an. Sie waren für die Erstversorgung, für die Organisation der Rettung durch die Feuerwehr und für die Seelsorge der Besitzer zuständig. Mit ihrem privaten Einkommen finanzierten sie ein Einsatzfahrzeug mit voller Ausstattung wie zum Beispiel Verbandsmaterial, Fangstange und Tragetuch. Aus Kostengründen musste Karsten Schiele die Tierrettung Oberschwaben auflösen. „Wir hatten keine Unterstützung durch Spenden oder Zuschüsse, auch für Einsätze selbst haben wir kein Geld bekommen“, so Schiele.
Trotzdem erklärt er sich bereit, Katharina und Michael Tosch zu helfen. Nachdem er sich ein Bild von der Situation gemacht hat, verständigt er die Höhenrettung in Weingarten. Kurze Zeit später kommen drei Einsatzkräfte mit Drehleiter und Katzenkorb. Als sie die Katze in 30 Metern Höhe entdecken, arbeiten sie sich langsam näher an sie heran. Die mittlerweile schwache und dehydrierte Tüpfi hat aber Angst vor den Männern in der Uniform und lässt sich nicht ohne Weiteres einfangen. Einer der Männer kletterte deshalb in die Baumkrone, an dieser Stelle ist der Stamm nur noch rund zehn Zentimeter dick. Aber eine Rettung auf anderem Weg scheint chancenlos. Tatsächlich erwischt der Feuerwehrmann die Katze am Schwanz. Doch im nächsten Moment rutscht sie ihm aus der Hand, und Tüpfi fällt ganze 30 Meter in die Tiefe, auf den Waldboden.
„Das Geräusch von ihrem Aufprall bereitete mir Gänsehaut“, sagt Michael Tosch. „Ich konnte gar nicht hinsehen, ich dachte, sie liegt jetzt regungslos da“, fügt seine Frau hinzu. Tüpfis Besitzer stehen unter Schock. Die Katze selbst rennt voller Angst davon und verschwindet. Zu diesem Zeitpunkt ist es 22 Uhr. „Wir haben Tüpfi danach mit Taschenlampen im Wald gesucht, haben sie aber nicht gefunden“, sagt Katharina Tosch. Nach zwei Stunden taucht sie aber von selbst auf – zur großen Freude des Paares. „Wir sind sofort mit ihr zum Tierarzt gefahren, nachts um ein Uhr“, erzählt Michael Tosch. Tüpfi ist sehr schwach und dehydriert, zudem hat sie eine Prellung am Schwanz. Mehr trägt sie von ihrem Abenteuer aber nicht davon „Sie hatte mehr als einen Schutzengel“, sagt der Katzenbesitzer. In den folgenden Tagen bleibt sie zu Hause und ruht sich auf ihrem Kratzbaum aus.
Die entstandenen Kosten in Höhe von 1300 Euro muss das Paar selbst tragen. „Geld spielt für uns in dieser Sache keine Rolle, wir sind froh, dass es Tüpfi wieder gut geht“, erklärt Michael Tosch. Zudem möchten sich Katharina und Michael Tosch für die Tierrettung einsetzen. „Jeder, der so eine Situation hat, möchte kompetente Hilfe“, sagen die Katzenbesitzer. Aus diesem Grund möchten sie zusammen mit Karsten Schiele die Tierrettung Oberschwaben wieder ins Leben rufen.