Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mit der nötigen Ruhe zum Titel

René Rast möchte zum zweiten Mal die DTM gewinnen – In Bregenz findet er Entspannun­g

- Von Martin Deck

BREGENZ - René Rast ist es gewohnt, Vollgas zu geben. In der Deutschen Tourenwage­n Meistersch­aft (DTM) ist er das Maß aller Dinge. Gleich in seiner ersten vollen Saison 2017 fuhr er zum Titel, im Jahr darauf verpasste er diesen um gerade einmal vier Punkte – vor allem weil er aufgrund eines Unfalls in der Mitte der Saison zwei Rennen verpasste. Aktuell führt der Audipilot das Gesamtklas­sement wieder an, gewann vor zwei Wochen das 500. Rennen der DTM seit der Gründung und geht mit einem Vorsprung von 20 Punkten auf den AudiKolleg­en Nico Müller in die letzten Rennen. Doch auch für Rast gibt es unüberwind­bare Hinderniss­e, die ihn zum Anhalten zwingen. „Der Verkehr hier ist eine Katastroph­e“, sagt der 32-Jährige über seine Wahlheimat Bregenz. Gerade in den Sommermona­ten steckt er mit seinem Audi Q7 – „eher ein Familienau­to“, wie er sagt – immer wieder im Stau.

Dabei ist der gebürtige Mindener mit seiner Lebensgefä­hrtin Diana vor vier Jahren von Frankfurt an den Bodensee gezogen, weil er die Ruhe suchte. Sohn Liam, der vor drei Jahren zur Welt kam, sollte nicht in der Großstadt aufwachsen. Und tatsächlic­h hat Rast in Bregenz abseits der verstopfte­n Straßen die erhoffte Stille gefunden – die ihm am Anfang aber ziemlich zu schaffen machte. Der Umzug von der Bankenmetr­opole in die kleine Bodenseest­adt sei schon „ein kleiner Kulturscho­ck“gewesen, sagt er. Mittlerwei­le hat sich der Rennfahrer in Vorarlberg aber gut eingelebt. „Mit jedem Jahr seit ich hier lebe, gefällt es mir besser und besser“, sagt er und erfreut sich vor allem an den kleinen Dingen: „Hier sagt man sich noch Guten Morgen und Hallo, wenn man sich auf der Straße begegnet.“Am Bodensee findet er die nötige Entspannun­g, um vom Trubel der DTM abzuschalt­en. Drei bis vier Tage braucht er, um ein Rennwochen­ende zu verarbeite­n. „Dann bin ich zwar körperlich zu Hause, aber gedanklich noch woanders.“Dennoch genieße er die Zeit mit der Familie sehr.

Bodensee bei Rennfahrer­n beliebt

Doch weshalb fiel die Entscheidu­ng bei der Suche nach einem neuen Wohnort ausgerechn­et auf Bregenz? „Ich war als Kind häufig in Damüls Skifahren und habe mich damals schon in die Gegend verliebt“, sagt Rast. Neben der Ruhe haben es ihm vor allem die Freizeitmö­glichkeite­n am Bodensee und in Vorarlberg angetan. Hier kann er Radfahren, Wandern, Skifahren oder mit dem EMountainb­ike den Pfänder hinabrasen. Im heimischen Simulator bereitet Rast sich auf die Rennen vor.

„Ich suche immer nach dem Limit“, sagt er. Zudem haben Rennfahrer­kollegen bei der Entscheidu­ng geholfen, der französisc­he PorscheFah­rer Kévin Estre zum Beispiel, der in Höchst wohnt. Oder aber ExDTM-Champion Timo Scheider, der im benachbart­en Lochau zu Hause ist. „Natürlich habe ich vorher mal bei Timo nachgefrag­t, wie es sich dort lebt“, sagt Rast. Auch heute noch sind die drei Rennfahrer in Kontakt: „Wir sehen uns nicht regelmäßig, treffen uns aber immer wieder mal.“Auch zu Sebastian Vettel, der in einer ehemaligen Mühle bei Kreuzlinge­n am Bodensee wohnt, pflegt Rast ein freundscha­ftliches Verhältnis. Mit dem viermalige­n Formel-1-Champion hat er die gesamte Kindheit und Jugend verbracht, ist unter anderem in der Formel BMW gegen den heutigen Ferrari-Star angetreten. „Er war schon damals richtig stark“, sagt Rast, der meist das Nachsehen hatte. „Aber ich würde gerne noch mal das Duell mit ihm suchen.“

Noch vier Rennen bis zum Titel

Rast scheint in Bregenz die perfekte Balance zwischen Ent- und Anspannung gefunden zu haben. So gelingt es ihm auch, Negativerl­ebnisse umgehend ins Positive zu wenden – wie vor zwei Wochen auf dem Lausitzrin­g. Nachdem er im Samstagsre­nnen mit einem technische­n Defekt ausgefalle­n war und zusehen musste, wie sein ärgster Konkurrent Nico Müller zum Sieg fuhr schlug er am Sonntag zurück und gewann das DTM-Jubiläumsr­ennen. „Natürlich ist es schön, jetzt in den Geschichts­büchern zu stehen“, sagt der 32-Jährige. „Aber für mich war es ein ganz normales Rennen.“Eines, dass ihn aber seinem Ziel, der zweiten DTM-Meistersch­aft, ein gutes Stück nähergebra­cht hat. 20 Punkte liegt er vor den letzten vier Rennen vor seinem Markenkoll­egen Müller.

Bislang hat Rast auch von einer Stallorder profitiert. Nun, da Audi die Mannschaft­swertung bereits sicher gewonnen hat und der Fahrertite­l wohl nur noch zwischen den beiden Markenkoll­egen Rast und Müller entschiede­n wird – BMW-Pilot Marco Wittmann auf Rang drei hat bereits 67 Punkte Rückstand –, darf Rast aber nicht mehr auf die Hilfe seiner Teamkolleg­en hoffen. Denn die interne Audi-Regelung, dass nur ohne Risiko überholt werden darf, scheint aufgelocke­rt worden zu sein. „Ab jetzt gilt Feuer frei“, sagt Rast, der davon überzeugt ist, am Ende wieder den Pokal in die Höhe recken zu können.

Und dann? Drei bis fünf Jahre möchte der 32-Jährige mindestens noch weiterfahr­en und auch anschließe­nd dem Motorsport treu bleiben. In welcher Funktion weiß er noch nicht. Nur soviel: „Einen Bürojob kann ich mir nicht vorstellen. So habe ich nie gelebt.“Fest steht, dass Rast in Bregenz bleiben möchte. Die kleine Familie, die derzeit noch in einer Wohnung direkt am See wohnt, baut derzeit ein altes Bauernhaus am Fuß des Pfänders zum neuen Zuhause aus. Nach der Saison möchte Rast den Umzug vorantreib­en. Mitkommen wird dann auch ein Rennsimula­tor, mit dem sich Rast penibel auf die verschiede­nen Strecken der DTM vorbereite­t. „Früher habe ich teilweise ganze Nächte darin verbracht“, erzählt er. Seit Sohn Liam da ist, bleibt dafür nicht mehr so viel Zeit – außer der Filius klettert mit ins Cockpit. „Und dann geben wir gemeinsam Gas“. Der Verkehr draußen vor der Haustüre kann ihm dann egal sein.

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FOTO: AUDI Wenn er mit dem Longboard am Bodensee unterwegs ist, kann René Rast vom Trubel in der DTM abschalten.
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