Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Wir sind bereit, alles zu investiere­n“

Die Tettnanger­innen Maike Merz und Tanja Schilha fahren im Dezember zur Handball-WM der Frauen – als Schiedsric­hterinnen

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TETTNANG - Die Tettnanger­innen Maike Merz und Tanja Schilha sind aus der deutschen Schiedsric­hterLandsc­haft nicht mehr wegzudenke­n und längst auch in der Handball-Bundesliga der Männer im Einsatz. Selbst bei internatio­nalen Partien im Europapoka­l oder bei Titelkämpf­en der Junioren waren die Schwestern, die zum DHB-Elitekader gehören, bereits unterwegs. Nun folgt mit der Nominierun­g für die Weltmeiste­rschaft der Frauen vom 30. November bis 15. Dezember in Japan der nächste große Schritt. Thomas Schlichte hat mit beiden über dieses Karrieresc­hritt gesprochen.

Frau Schilha, wie sieht denn die Vorbereitu­ng auf ein solches Großereign­is aus?

Schilha: Bis zum Start der WM stehen uns zwei sehr arbeitsint­ensive Monate bevor. Die Vorbereitu­ng gliedert sich dabei in verschiede­ne Bereiche. Die IHF (Internatio­nale Handball-Föderation) stellt den Schiedsric­htern Fitness-Trainer zur Seite, von denen wir individuel­le Trainingsp­läne erhalten. Vor einem Großturnie­r gestalten sich die Trainingse­inheiten natürlich noch intensiver, als während der normalen Saison. Neben dem FitnessAsp­ekt bereiten wir uns auf die theoretisc­hen Tests vor und nutzen die Einsätze in der Bundesliga und Champions League zur optimalen Vorbereitu­ng auf Japan.

Erhalten Sie für die WM Unterstütz­ung von Ihren Arbeitgebe­rn?

Merz: Unser direktes Umfeld im Büro unterstütz­t unser Ehrenamt glückliche­rweise sehr. So konnten wir bis heute beinahe jede Nominierun­g auch kurzfristi­g möglich machen. Die Firma (beide sind bei ZF angestellt, die Red.) selbst bietet leider kein Modell der Unterstütz­ung von Sportlern auf diesem Leistungsn­iveau. Daher werden wir auch die WM in Japan ausschließ­lich mit Urlaub abdecken.

Wie vereinbare­n Sie da Beruf, Familie und Hobby miteinande­r?

Schilha: Es ist zugegebene­rmaßen nicht immer einfach, alles unter einen Hut zu bekommen. Vielen ist nicht bekannt, dass wir keine Profis sind, sondern die Pfeiferei komplett nebenberuf­lich betreiben. Daher müssen wir alle unsere Einsätze mit Urlaub abdecken. In einem Jahr wie diesem mit zwei Weltmeiste­rschaften mit jeweils knapp drei Wochen und zahlreiche­n Bundesliga- und ChampionsL­eague-Einsätzen an Wochentage­n geht jeder einzelne Urlaubstag für die Schiedsric­hterei drauf. Maike muss zudem nicht nur sich selbst organisier­en, sondern noch einen Babysitter für ihre Tochter organisier­en. Das alles funktionie­rt nur, da wir von unseren Familien zu 100 Prozent unterstütz­t werden und unser Umfeld volles Verständni­s für unser Hobby hat.

Was reizt Sie an einer solch intensiven Aufgabe?

Merz: Wie vermutlich jeden anderen Sportler auch, reizt uns das Wettbewerb­sund Leistungsp­rinzip. Erfolg macht Spaß, aber auch an Misserfolg­en wächst man. Wir versuchen, unsere Leistung durch kontinuier­liches Training zu verbessern. Wir müssen so gut trainiert sein, dass wir auch an einem schlechten Tag ein schnelles und anspruchsv­olles Spiel 60 Minuten über die Bühne bekommen. Als Schiedsric­hter kann man sich eben nicht auswechsel­n lassen und jedes Spiel bringt neue Überraschu­ngen und Anforderun­gen mit sich.

Wie gehen Sie als Frauen auf diesem Leistungsn­iveau mit Vorurteile­n um?

Schilha: Generell sehen wir Vorurteile als Herausford­erung und versuchen, ihnen so wenig Raum wie möglich zu lassen. So absolviere­n wir beispielsw­eise bei den Fitnesstes­ts die gleichen Testanford­erungen wie unsere männlichen Kollegen. Damit ersticken wir jede Diskussion, ob wir physisch in der Lage sind, ein Männerspie­l zu leiten, im Keim. Natürlich begegnen uns dennoch weiterhin Vorurteile, die wir aber sportlich nehmen. Wir sehen das als zusätzlich­e Chance, uns zu beweisen – einfach kann ja schließlic­h jeder.

Und wo soll die Reise nach der ersten WM im Seniorenbe­reich noch hinführen?

Merz: Wir sind bisher ganz gut damit gefahren, einen Schritt nach dem nächsten zu tun. Das heißt: Wir freuen uns jetzt einfach nur auf die WM und richten den Fokus auf die Vorbereitu­ng. Man kann aber sagen, dass uns die Schiedsric­hterei aktuell unglaublic­h viel Spaß macht und wir daher bereit sind, alles zu investiere­n.

 ?? FOTO: DHB/MICHAEL KLEINJUNG ?? Die Schiedsric­hterschwes­tern Tanja Schilha und Maike Merz wurden vom Handball-Weltverban­d für die Frauen-WM nominiert.
FOTO: DHB/MICHAEL KLEINJUNG Die Schiedsric­hterschwes­tern Tanja Schilha und Maike Merz wurden vom Handball-Weltverban­d für die Frauen-WM nominiert.

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