Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Olympia macht die Beine leichter
Für Tokio 2020 verzichten die Beachvolleyballer Thole und Wickler auf ihre Leibspeise
HAMBURG (SID) - Drei gemeinsame Wochen in einem Hotelzimmer können zur Herausforderung werden – das gilt auch für Julius Thole und Clemens Wickler. Im Umgang mit den Macken des anderen hilft eine große Portion Humor. „Mit der Unordentlichkeit ist Clemens auf jeden Fall Vorreiter in unserem Team“, witzelt Thole über seinen Partner und grinst schelmisch.
Wer auf Reisen wirklich die dreckige Wäsche im ganzen Zimmer verteilt, darauf können sich die Beachvolleyball-Vizeweltmeister nicht einigen. Die Hotelzimmerkarten, so berichtet Wickler, die verliert allerdings nur Thole „die ganze Zeit“. Der akzeptiert die Kritik lachend, die Chemie zwischen den beiden stimmt einfach – nicht nur auf dem Platz.
Der Starnberger Wickler und der Hamburger Thole sind Deutschlands aussichtsreichste Kandidaten für eine Beach-Medaille bei den Sommerspielen 2020 in Tokio. Für ihren großen Traum, der seit dem zweiten Platz beim World-Tour-Finale in Rom am Wochenende reale Züge annimmt, opfern die beiden einiges. Die Aussicht auf die Sommerspiele entschädigt aber auch für viel Schinderei, gerade im Training.
Beide sind Fans vom SV Werder
„Egal welche Sportart man macht, Olympia ist für jeden Sportler einfach nur gigantisch“, sagt der 24-jährige Wickler. „Da läuft sich so ein Lauf am Ende der Woche einfach leichter“, ergänzt der zwei Jahre jüngere Thole. Bei bis zu elf Einheiten pro Woche hilft dem Duo, dass es das Ticket für Tokio so gut wie in der Tasche hat.
7040 Punkte haben die Weltranglistendritten in der Olympiarangliste auf dem Konto, im Normalfall reichen 6000 für die Qualifikation. Der Flug nach Japan kann geplant werden, dort soll einiges anders laufen. Die übliche Portion Spaghetti Bolognese, die sich beide vor Spielen teilen, wird nicht auf dem Speiseplan stehen. „Das machen wir nur in Hamburg“, sagt Wickler, Thole freut sich „schon auf Sushi“.
Thole und Wickler beschreiben sich gegenseitig als extrem zielstrebig, ehrgeizig und diszipliniert. Dass sie so gut zueinander passen, ist ein Glücksfall für den Deutschen Volleyball-Verband, der das Duo 2018 zusammensetzte. Seitdem trainiert das Nationalteam am Hamburger Olympiastützpunkt, die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten.
Für ihr Studium ist diese Entwicklung allerdings ein Problem. „Ich nähere mich in Kleinstschritten. Zwischen den Saisons versuche ich, eine Hausarbeit zu schreiben. Das ist zwar jetzt nicht direkt Entspannung, aber es ist schön, den Fokus mal auf etwas ganz anderes zu lenken“, sagt Thole, der Jura studiert.
Wickler findet Zerstreuung beim Fußball – wie Thole ist er Fan von Werder Bremen. „Ich versuche schon, jedes Spiel irgendwie zu schauen“, sagt der BWL-Student. Über die Einladung eines Sponsors zum Spiel der Bremer in Mönchengladbach freuen sich beide, auch wenn das Interesse bei Wickler deutlich ausgeprägter ist. „Clemens ist schon unser Hooligan im Team“, scherzt Thole.
Fußball, Familie, Freunde – all das muss für das große Ziel oft zurückstehen. Bei einem Durchhänger hilft auch die Erinnerung an das Endspiel von 2012. „Wenn ich an Olympische Spiele denke, denke ich immer zuerst an das Finale von Julius Brink und Jonas Reckermann. Das habe ich auf meiner ersten deutschen Jugendmeisterschaft geschaut. Wir saßen da vor dem Fernseher und konnten das gar nicht so richtig fassen, auch diese Dimension da zu sehen“, erzählt Thole.
Wickler ist schon seit frühester Kindheit Olympia-Fan. „Rhythmische Sportgymnastik, Synchronschwimmen, ich habe alles im Fernsehen geguckt. Ich bin auch nachts aufgestanden, weil ich das Event einfach so toll fand.“Nun ist Wickler 2020 selbst dabei. Und wenn dann auch noch Tennisstar Roger Federer vorbeischaut – dann wären gleich zwei Träume wahr geworden.
Mit ihrem ersten gemeinsamen Sieg sind Olympiasiegerin Laura Ludwig und Margareta Kozuch in die Top 15 der Beachvolleyball-Weltrangliste vorgestoßen. Der Weltverband FIVB führt das deutsche Nationalteam, das das Welttour-Finale gewann, im Olympic-Ranking auf Rang 14. Als bestes deutsches Frauen-Team sind Karla Borger und Julia Sude aus Friedrichshafen Elfte. Nach gegenwärtigem Stand wären beide Duos 2020 bei Olympia in Tokio dabei.