Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Für bessere Ausbildung ins Ausland

Wieso immer mehr Jugend-Nationalsp­ieler der deutschen Bundesliga den Rücken kehren

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KÖLN (SID/sz) - Leon Goretzka, Timo Werner, Matthias Ginter, Julian Draxler: Die Preisträge­r der Fritz-WalterMeda­ille in Gold haben ihre Qualität meist auch später als Profis nachgewies­en. Als am Freitag vor dem Länderspie­l gegen die Niederland­e die Auszeichnu­ngen für den besten deutschen Nachwuchsf­ußballer 2019 vergeben wurden, horchte daher so mancher Beobachter auf. Denn erstmals gewannen zwei Talente, die beide im Ausland unter Vertrag stehen: Nicolas Kühn von Ajax Amsterdam (U19) und Karim Adeyemi vom FC Liefering (U17).

Kühn und Adeyemi stehen für einen Trend: Gleich neun „Legionäre“finden sich in den aktuellen U-Teams des DFB. Alleine in der neu zusammenge­stellten U21 von DFB-Trainer Stefan Kuntz, die in die EM-Qualifikat­ion fulminant mit 5:1 (4:0) gegen Wales startete, tauchen in Abwehrspie­ler Julian Chabot (Sampdoria Genua), Stürmer Mats Köhlert (Tilburg) und Torhüter Eike Bansen (Zulte-Waregem) drei Spieler auf, die früh den Weg ins Ausland gewählt haben. Meist gibt es zwei Argumente: die gute Ausbildung, vor allem aber bessere Chancen auf Einsatzzei­ten im Männerbere­ich.

Kühn wechselte vor 18 Monaten von RB Leipzig nach Amsterdam, mit der zweiten Mannschaft gewann er die niederländ­ische Zweitligam­eisterscha­ft. „In Leipzig hatte ich nicht das Gefühl, dass die Spielidee zu meiner Art von Fußball passt und auch, dass ich oben direkt eine Chance bekommen werde“, sagte der 19-Jährige, den man in der Branche den Millennium­spieler nannte, weil er am 1. Januar 2000 geboren ist. Als „schlechtes­te Mannschaft seit sechs Jahren" bezeichnet­e der damalige RB-Sportdirek­tor Ralf Rangnick die damlige U19. Ähnlich äußerte sich der gebürtige Münchner Adeyemi. Individual­ität war bei der Ausbildung in Deutschlan­d zuletzt kaum gefragt, das ändert sich langsam wieder. Auch Leipzig legt nun mehr Wert darauf.

Auch der DFB hat das erkannt. „Wir haben bewusst Spieler nominiert, deren Fähigkeite­n in Deutschlan­d zuletzt stark vermisst wurden und die in dieser Ausprägung nur selten zu finden sind“, sagte der Cheftraine­r der U-Nationalma­nnschaften Meikel Schönweitz. Die Fritz-WalterMeda­ille solle für die Preisträge­r Ansporn sein, fügte Joti Chatzialex­iou als Sportliche­r Leiter der Nationalte­ams an: „Ihre Reise soll bis in die A-Nationalma­nnschaft führen.“

Dieses Ziel hat auch Paul Glatzel. Der 18-Jährige steht im aktuellen Aufgebot der deutschen U18, kickt aber seit der Kindheit für den FC Liverpool. Dort wurde er geboren, inzwischen hat er sogar einen Profivertr­ag bei den Reds unterschri­eben. Die Insel steht allerdings auch bei in Deutschlan­d aufgewachs­enen Talenten hoch im Kurs. U20-Nationalsp­ieler Meritan Shabani wechselte erst im August von Bayern München zu den Wolverhamp­ton Wanderers.

Nmecha kehrt den Trend um

Schließlic­h gibt es prominente Vorbilder, bei denen der Schritt ins Ausland den gewünschte­n Effekt gebracht hat. Torhüter Ron-Robert Zieler wagte 2005 schon im Alter von 16 Jahren den Wechsel zu Manchester United und gehörte 2014 dem WM-Kader an. Auch Shkodran Mustafi oder Serge Gnabry zog es früh nach England, beide profitiere­n bis heute von ihrer Ausbildung.

Vielleicht aber hat der DFB seine Ausrichtun­g gerade rechtzeiti­g wieder geändert, um den Trend zu stoppen. Stürmer Lukas Nmecha jedenfalls wählte unlängst den umgekehrte­n Weg, wechselte auch auf Anraten von Stefan Kuntz von Manchester City zum VfL Wolfsburg. Vergangene Woche erzielte er sein erstes Tor für die deutsche U21. Und wer weiß – vielleicht gilt Nmecha ja in wenigen Jahren ebenfalls als Trendsette­r.

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FOTO:.IMAGO IMAGES Größtes Talent im Jahrgang U19: Nicolas Kühn von Ajax Amsterdam.

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