Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Alpsommer ade!
Im Allgäu geht der Alpsommer friedlich zu Ende
Das Tal hat sie wieder die Hirten ebenso wie ihr Vieh: Im Allgäu haben zuerst die Älpler von Bad Hindelang den Hochweiden für dieses Jahr den Rücken gekehrt. Mit rund 700 Stück Vieh sind sie am Mittwoch zum Viehscheid gezogen (Foto: dpa). Größere Zwischenfälle hat es dieses Jahr während des Allgäuer Alpsommers nicht gegeben. Die Hirten zeigen sich allgemein zufrieden – auch deshalb, weil ihnen Angriffe von Wölfen erspart geblieben sind.
- Insgesamt sei der Sommer auf den Hochweiden des Allgäus gut verlaufen, meldet der Alpwirtschaftliche Verein zum Auftakt der Viehscheide. Für jede Hochweide gilt dies aber nicht. Es gab beim Vieh auch vereinzelt Unfälle. Doch die Zufriedenheit der Hirten scheint zu überwiegen. Es hätte auch anders laufen können. So verspätete sich heuer der Saisonanfang wegen des vielen Schnees. Zudem war erwartet worden, dass es wie im Vorjahr Probleme mit Wölfen gibt.
Zur Erinnerung: Im Spätherbst des Vorjahres hatten die Allgäuer Älpler gedroht, den traditionellen Viehscheid künftig ausfallen zu lassen, sollte es zu neuen Zwischenfällen mit Wölfen kommen. Seinerzeit waren in kurzer Zeit vier Stück Jungvieh von den Raubtieren gerissen worden – einige davon ortsnah bei Wertach. Franz Hage, Präsident des Alpwirtschaftlichen Vereins, hatte die Politik aufgefordert, Wölfe im Zweifelsfall für den Abschuss freizugeben. Ansonsten würde man in letzter Konsequenz zur Selbsthilfe greifen. Zum Auftakt des Alpsommers hatte er nochmals bekräftigt: „Wir brauchen den Wolf nicht.“
Fast könnte man meinen, die Raubtiere hätten die Botschaft verstanden. Bisher sind aus dem Allgäu keine neuen Zwischenfälle bekannt geworden. Beruhigt haben sich die Älpler aber nicht. Im Gespräch mit den Medien sagte Michael Honisch, Geschäftsführer des Alpwirtschaftlichen Vereins, „die Sorgen sind bei unseren Leuten groß, dass der Wolf immer noch da ist.“In Diskussionen der Älper dreht es sich dabei auch um die Frage, ob Alpwirtschaft bei einer dauernden Bedrohung durch solche Raubtiere noch tragbar sei. Den immer wieder von Ökoverbänden gemachten Vorschlag, überall Elektrozäune aufzustellen, halten sie für lachhaft. Über Felsen und durch Schluchten ließe sich schließlich gar nicht zäunen.
Prinzipiell ginge es um den Schutz von rund 28 000 Rindern. So viele dürfen im Schnitt jährlich auf die Hochweiden des Allgäus. Meist ist es Jungvieh. Hinzu kommen noch Milchkühe auf den Sennalpen. Einige Pferde, Ziegen und Schweine sind üblicherweise auch bei der Sommerfrische mit dabei. Zug um Zug kommen die Tiere nun zurück ins Tal. Dort werden sie wieder von ihren Eigentümern übernommen. Daher kommt der Begriff Viehscheid: das Vieh wieder scheiden, also auf die Besitzer aufteilen.
Anders als etwa in Oberbayern hat es im Allgäu keine großen Unfälle auf den Hochweiden gegeben. Im Karwendelgebirge bei Mittenwald waren im Juli 180 Schafe wegen eines Felssturzes umgekommen. Wobei aber auch auf den 696 Allgäuer Alpen nicht alles hundertprozentig rund gelaufen ist. Aus dem Bereich südlich von Oberstdorf werden beispielsweise einzelne Abstürze von Rindern gemeldet. Ein Stück Jungvieh wurde von herabrollenden Steinen getroffen und musste notgeschlachtet werden.
Generell war die Alpsaison kürzer als geplant. Dies lag an dem ungewöhnlich schneereichen Winter im Allgäu. Der Schnee blieb selbst auf den Bergwiesen lange liegen. Vor allem höhere Weiden konnten erst zwei bis drei Wochen später als geplant bezogen werden, teilweise erst Ende Juni. Dafür hatten die Älpler im Gegensatz zum extrem trockenen Vorjahr kein Problem mit dem Wasser, beziehungsweise mit grünen Wiesen. Geschäftsführer Honisch von Alpwirtschaftlichen Verein bestätigte der „Allgäuer Zeitung“, dass bis zum Saisonende ausreichend Futter vorhanden gewesen sei.
Reaktion auf Kuh-Urteil
Für ein leichtes Verschnupftsein der Hirten sorgte hingegen ein Urteil in Tirol. Dort sollte ein Älpler dafür haften, dass Mutterkühe eine Wanderin getötet hatten. Der Fall macht sich insofern auch im Allgäu bemerkbar, als die Älpler Warnschilder aufstellen. Zudem zäunen sie vermehrt Stellen, wo es heikle Begegnungen zwischen Wanderern und Vieh geben könnte. Ein anderer kritischer Punkt ist der Boom bei Mountainbikern und E-Mountainbikern. Älpler sehen eine Beunruhigung des Viehs. Zugleich befürchten sie in Haftung genommen zu werden, sollte ein Radler auf ihren Weidewegen stürzen. Wer als Älpler hingegen eine Konzession zur Bewirtschaftung hat, freut sich über die zusätzliche Kundschaft. Bei 170 Allgäuer Betrieben ist dies der Fall.